Im Jahr 15 n. Chr. löste eine gewaltige Überschwemmung heftige Diskussionen über den Plan einer Tiber-Regulierung durch Ableitung einiger Nebenflüsse aus.
Überschwemmungen waren beim Tiber keine Seltenheit. Besonders betroffen waren davon das Marsfeld, die Via flaminia und die Gegend des Circus Maximus, manchmal auch Teile des Forum Romanum. Die Schäden, die diese periodisch wiederkehrenden Hochwasser-Notstände verursachten, waren beträchtlich. Hauseinstürze waren in solchen Fällen an der Tagesordnung und nicht selten rissen die Fluten auch Menschen und Vieh in den Tod. Besonders tückisch war das Tiber-Hochwasser weil es ganz plötzlich eintreten konnte. Der Tiber wurde aber nicht als eine bedrohliche Macht gesehen. Er war ein schiffbarer und für die Landwirtschaft großer Gebiete lebensnotwendiger Strom und war eine wichtige West-Ostverkehrsader zwischen der Küste und dem Landesinneren.
Urheber des spektakulären Projekts waren die Senatoren Ateius Capito und Lucius Arruntius. Sie hatten von Kaiser Tiberius den Auftrag erhalten, Vorschläge für eine Eindämmung des Tibers zu erarbeiten. Sie schlugen vor, das Wasser-Volumen des Tibers durch Ableitung von Flüssen und Seen, aus denen er speiste, zu verringern. Eine besondere Rolle spielte dabei der Nar, die heutige Nera. Sie sollte in Kanäle abgeleitet werden. Ein ehrgeiziges Unterfangen, das freilich nach modernen Berechnungen einen Fehler hatte. Es war aufgrund des bescheidenen Know-hows kaum zu realisieren gewesen. Außerdem wäre die beabsichtigte Wirkung auf die Wasserhöhe des Tibers ausgeblieben. Das Tiberhochwasser kam nämlich hauptsächlich durch die ertragreichen Regenfälle zusammen.
Schon viel früher schrieb Horaz, dass er den Bau riesiger Villenanlagen mit ausgedehnten Gärten als Landschaftszerstörung wertet. Das eigentliche Landschaftsbild - das sind für ihn Äcker, Weiden und Ölbaumhaine - wird durch Luxusbauten verschandelt, die gewissermaßen das natürliche Gleichgewicht stören. Weiters kritisierte er die Quadermauern als Fundament für die Paläste der Reichen, die über dem Meer in die Wellen versenkt. "Da wird es sogar schon den Fischen zu eng durch diese gigantischen Wasserbauten, kritisiert er die Eingriffe millionenschwerer Bauherren in die natürliche Umwelt." Die deutlichste Kritik stammt aber von dem Philosophen Seneca in seinen epistula mores. Hier schrieb er u.a. über die Neigung wohlhabender Bürger, die landschaftlich schönsten Flecken durch Bebauung zu vereinnahmen
Wohl auch wegen diesen Schriften waren die Widerstände gegen diesen massiven Eingriff in die Natur zu stark. Man meinte, man darf den Tiber nicht seiner Nebenflüsse berauben, da er dann in minderer Herrlichkeit dahinströmt. Offensichtlich wirkten sehr unterschiedliche Erwägungen zusammen, als es zur Abstimmung kam. Zum einen erschien es aus politischen Gründen wenig opportun, sich über den dezidierten Widerstand einer Reihe von Anlieger-Gemeinden hinwegzusetzen, die um ihre ökonomischen Grundlagen fürchteten. Die Furcht vor einem Mangel an Wasser war sehr hoch. Außerdem warf eine kritisch-realistische Überprüfung des Vorschlags die Frage nach der technischen Machbarkeit auf. Ein vergleichbares Unternehmen hat es in der Antike noch nie gegeben. Man kam zu dem Entschluss, dass die Natur den Flusslauf schon so gestaltet habe, wie es zu Nutzen und Frommen der Menschen sei. Sie hätten sich nach diesen Gegebenheiten zu richten. Die willkürliche Umleitung eines Flussbettes wird so als Frevel an einem ursprünglichen Zustand verstanden, dem sich die Menschen im Gehorsam gegenüber einer höheren, nicht immer rational erfassbaren Ordnung zu beugen haben. Dies war ein kleiner Punktsieg des Naturschutzgedankens.
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