Europa am Vorabend des Ersten Weltkrieges: Thomas Manns Roman "Der Zauberberg"
Kurzbiographie
1875 geboren in Lübeck
ab 1893 wohnhaft in München
1895 - 1896 Studium an der Technischen Hochschule
ab 1896 Italienaufenthalt
1901 "Die Buddenbrooks" (Roman)
1905 Heirat mit Katja Pringsheim
1905 Geburt der Tochter Erika
1906 Geburt des Sohns Klaus
1909 Geburt des Sohns Golo
1924 "Der Zauberberg" (Roman)
1930 "Mario und der Zauberer" (Novelle)
1933 - 1943 "Joseph und seine Brüder" (Romantrilogie)
1938 - 1952 wohnhaft in den USA (Princeton, Kalifornien, Pacific Palisades)
1944 amerikanische Staatsbürgerschaft
1939 "Lotte in Weimar" (Roman)
1947 "Doktor Faustus" (Roman)
1952 Übersiedlung in die Schweiz
1956 gestorben in Zürich
Ursprünglich wollte Thomas Mann nur eine kurze, humoristische Skizze über das Leben in mondänen Kurorten anfertigen, ein Thema, auf das er im Umkreis der Novelle "Tod in Venedig" (1913) aufmerksam geworden war: 1912 hatten Thomas Mann und seine Frau Katja ein Lungensanatorium in Davos besucht - Mann kannte also den Gegenstand seines Interesses aus eigener Anschauung. Doch aus dem geplanten satyrspielartigen Gegenstück zu seiner Novelle wurde ein umfangreicher Roman, der die unwirkliche, von Krankheit und Dekadenz beherrschte Stimmung in einem abgelegenen Bergsanatorium in der Schweiz unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg wiedergibt.
Hans Castorp, ein junger Hamburger Patriziersohn, der gerade sein Examen abgelegt hat, reist nach Davos, um seinen Vetter Ziemßen zu besuchen. Schließlich verbringt er, der selbst zum Patienten wird, sieben Jahre auf dem abgelegenen "Berghof", den er erst wieder verläßt, als er durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs gezwungen ist, ins Feld (und man darf annehmen in den Tod) zu ziehen. Castorp erlebt in dieser unwirklichen Welt auf dem Berg, die ihn für ein Leben im "Flachland" immer untauglicher werden läßt, "eine Steigerung, die ihn zu moralischen, geistigen und sinnlichen Abenteuern fähig macht" (Th. Mann). die er sich nie hätte träumen lassen.
Der "Zauberberg" ist ein moderner Bildungsroman. Verschiedene Personen versuchen auf Hans Castorp Einfluß zu gewinnen: Settembrini, ein italienischer Literat, der dem Jungen seine aufklärerisch-humanistischen Vorstellungen nahebringen möchte, sowie der Jesuit Naphta, der als Settembrinis Gegenspieler fungiert, auch der reiche holländische Kaufmann Peeperkorn, der durch Selbstmord endet, sowie seine Begleiterin, die Russin Chauchat, die Hans Castorp liebt, beeinflussen diesen. All diese Figuren gelten Thomas Mann als Sprachrohr der Vielschichtigkeit des Zeitgeistes, die auszubreiten er der epischen Großform des Romans bedarf.
Das Besondere an diesem Bildungsroman ist seine Plazierung fernab vom alltäglichen Dasein, das mit dem flachen Land gleichgesetzt wird. In der abgeschiedenen Bergwelt der Schweiz können - ohne Bezug zur gesellschaftlichen oder politischen Situation - ästhetische und weltanschauliche Probleme unverbindlich diskutiert werden. Die einzige Bedrohung dieser makaberen Idylle stellt der Tod dar: Er trifft die Patienten des Sanatoriums ebenso, wie - und das kann man nur vermuten - den in den Krieg ziehenden Hans Castorp.
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