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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Das ende des 1000jährigen reiches



Am Beginn des Schuljahres 1944/45 konnte der regelmäßige Unterricht nur mehr sehr schwer fortgesetzt werden. Das Deutsche Reich war so sehr in Bedrängnis geraten, dass man alle verfügbaren Kräfte für die Landesverteidigung brauchte. Als im Herbst 1944 die Russen immer näher kamen, mobilisierte die Armee die letzten Reserven, um an der östlichen Grenze der Steiermark eine Verteidigungslinie zu bauen.

9.1 Stellungsbau
Vom November 1944 bis Ende Jänner 1945 fanden Arbeitseinsätze statt. Im Lichtenfelsgymnasium erhielt jeder Schüler in den höheren Klassen einen Brief, in dem er gefragt wurde, ob er teilnehmen wolle. Die meisten Schüler meldeten sich aus Abenteuerlust, der Klassengemeinschaft wegen oder um dem grauen Schulalltag zu entgehen.
Im November fuhren sie für einen Monat nach Bad Radkersburg. Bei dieser Gruppe fielen ein paar wenige aus, wie zum Beispiel Julius Fanta, der an einer Grippe erkrankt war. Die anderen wohnten dort in der Schule und mussten einen Monat lang jeden Tag Panzergräben ausheben. Werner Volckmar erzählte: "Da flogen dann öfter diese englischen Jäger herum, die Spitfire, und die haben auf alles geschossen, was sich bewegt hat. Wenn wir da gegraben haben und die Jäger gekommen sind, haben wir uns einfach in die Gräben hineingestellt; da waren wir sicher vor den Maschinengewehren, und Bomben hatten die eh' keine. Wenn die so auf uns zugeflogen sind, haben wir ein Spiel gespielt: Wer am längsten stehen bleibt, hat gewonnen. Wir haben uns dann nach hinten fallen lassen. Gewonnen hat immer der Gaarer, der ist noch gestanden, wenn die Schüsse schon längst da waren."
Während sie nach einem Monat nach Graz zurück kehrten, gab es gerade einen schweren Luftangriff. Der Zug blieb in Puntigam stehen, die Schüler mussten zu Fuß nach Hause gehen, wenn es das noch gab. Sie besuchten in Graz wieder den Unterricht.
Der nächste Einsatz fand gleich darauf bei der Riegersburg statt. Dort wohnten sie in einfachen Baracken, die gleich neben den Panzergräben standen. Nur die Verpflegung funktionierte dort überhaupt nicht und die Schüler stahlen sich Zuckerrüben von den umliegenden Feldern und tranken den Saft von Ahornbäumen.
Als nächstes wurden sie Ende Jänner 1945 eingeteilt. Darüber hat mir Julius Fanta sehr genau berichtet: Obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr den Unterricht besuchte - er hatte im November 1944/43 die Verantwortung für das väterliche Gut in Neumarkt übernommen -, erhielt er trotzdem den Brief, ob er nicht beim Stellungsbau helfen wollte. In Radkersburg hatte er gerade die Grippe gehabt, diesmal aber wollte er teilnehmen, um seine Schulfreunde wieder zu treffen. Ende Jänner fuhr beinahe die ganze Klasse mit einem Mannschaftstransporter nach Sauerbrunn in Slowenien, dem heutigen Rogãska Slatina. Dort wurden sie im Kurhaus untergebracht. Statt Betten mußten sie sich selbst Holzbretter aufstellen und bekamen Stroh als Unterlage. Unterricht fand keiner mehr statt, sie hoben Panzergräben aus und wurden von der Deutschen Wehrmacht versorgt. Außer ihnen arbeiteten auch mehrere andere Grazer Schulen, "das waren kommunistische Gruppen, da hat man schon den Zerfall des Reiches bemerkt" .
Julius Fanta hatte Erfrierungen an den Zehen, kam dann zuerst ins Lazarett und mußte früher nach Graz zurück kehren. Während er am Bahnhof in Sauerbrunn auf die Schmalspurbahn wartete, griffen amerikanische Bomber die Züge und ein paar Fuhrwerke vor der Tür an, wobei er von einem Splitter im Rücken getroffen wurde. Verletzt fuhr er in derselben Nacht nach Hause, also nach Neumarkt. Er kehrte gleich danach wieder nach Neumarkt zurück. Noch einmal kam er nahe an Kampfhandlungen heran, als sein Zug auf der Rückkehr von Graz nach Neumarkt von Partisanen angegriffen wurde.
9.2 Frühjahr 1945
Nach diesen Stellungseinsätzen fand der Unterricht zwar noch statt, aber nach und nach verschwanden die Schüler aus der Schule und suchten ihre eigenen Wege, um dem Krieg zu entgehen, oder sie wurden noch im Krieg eingesetzt.
Im Spätherbst 1944 wurde Julius Fanta dann auch noch zur Wehrmacht eingezogen. Er musste zur Musterung und danach nach St. Georgen, wo er im Umgang mit Infanteriewaffen und Panzerabwehrwaffen geschult wurde. Zum Glück endete der Krieg, bevor er eingesetzt werden konnte. Er kehrte gleich danach wieder an seinen Hof zurück, wo er den ganzen Sommer arbeitete.
Werner Volckmar verließ im März die Stadt und übersiedelte auf einen Bauernhof auf der Platte bei Graz. Diese galt als vor Bombenangriffen sicher, nur auf die Splitter der eigenen Fliegerabwehrkanonen mußte man aufpassen. Er kam nach Kriegsende bald wieder zurück nach Graz, wo er gleich wieder für die russischen Besatzer Schutt räumen mußte.
Heinz Mitter erhielt seinen Stellungsbefehl zu Weihnachten 1944, tauchte aber nach der Musterung mit einem falschen Ausweis in Wald am Schoberpaß unter. Dort arbeitete er für die Abwehr und entging damit dem Kriegseinsatz.
Als Graz im April 1945 evakuiert wurde, floh auch Walter Moser in die Obersteiermark. Die Deutsche Wehrmacht zog ihn auch noch ein. Er musste bis zum Kriegsende Medikamente an die Front bringen.
So hat wohl jeder Schüler den Untergang des Dritten Reiches auf seine eigene Art und Weise erlebt. Ein regelmäßiger Unterricht fand nicht mehr statt.
Nicht nur die Schüler, sondern auch die Schulgebäude hatten sehr unter dem Krieg gelitten. Mehrere Grazer Mittelschulen wurden von Bomben getroffen, aber das Lichtenfelsgymnasium hatte besonderes Glück. Bis auf die Fensterscheiben und die geplünderte Bibliothek hat die Schule den Krieg ohne Schaden überstanden. Deswegen waren ab Herbst auch drei verschiedene Anstalten in diesem Haus untergebracht.
Gleich nach ihrem Einmarsch bemühten sich zuerst die russischen und dann die englischen Besatzer, den Unterricht möglichst bald wieder beginnen zu lassen.

 
 

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