Angesichts der großen Anzahl anderer Gefangener spielten die Homosexuellen in den SS-Unterlagen nur eine kleine Nebenrolle - wie sie auch in den Gefangenenorganisationen nur eine Nebenrolle spielten. Aber ihr zu tragendes Los und das ihnen in den Lagern zugefügte Leid steht dazu in keinem Verhältnis, sehr viele Homosexuelle sind unter dem Joch der SS und feindlich eingestellter Häftlingsgruppen zugrundegegangen. Umso mehr erschüttert es, daß viele Homosexuelle auch nach alliiertem Recht strafbar waren und ihre Reststrafen teilweise in normalen Gefängnissen absitzen mußten und daß der Tatbestand der homosexuellen Handlung auch in der Bundesrepublik noch bis 1969 als strafbar galt. Keiner der wenigen Überlebenden erhielt eine Entschädigung - geschweige denn eine Entschuldigung -, und nur die wenigsten konnten in den Kreis einer sie erwartenden Familie zurückkehren oder die traumatischen Erlebnisse im Lager überwinden, sodaß sie sich für den Rest ihres Lebens, auch ohne den rosa Winkel, gezeichnet fühlten. Erst 40 Jahre nach der Befreiung erwähnte Bundespräsident Richard von Weizsäcker erstmals unter den Opfer des NS-Regimes auch die Homosexuellen.
V. Anhang
§ 175 (StGB vom 28.06.1935):
§ 175.
Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.
§ 175a.
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft:
1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegen-
wärtiger Gefahr für Leib und Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder
sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-,
Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
3. ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einund-
zwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Un-
zucht mißbrauchen zu lassen;
4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern
sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.
§ 175b.
Die widernatürliche Unzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
(aus: Hoffschild, R., Olivia. Die bisher geheime Geschichte des Tabus Homosexualität und der Verfolgung der Homosexuellen in Hannover, Hannover 1992, 81.)
Heinrich Himmler am 18.02.1937 vor SS-Gruppenführern in Bad Tölz:
\"[...] Wir müssen uns darüber klar sein, wenn wir dieses Laster weiter in Deutschland haben, ohne es bekämpfen zu können, dann ist das das Ende Deutschlands, das Ende der germanischen Welt. Wir haben es leider nicht mehr so einfach wie unsere Vorfahren. Bei denen waren diese einigen Wenigen Einzelfälle so abnormer Art. Der Homosexuelle, den man Urning nannte, wurde im Sumpf versenkt. Die Herren Professoren, die diese Leichen im Moor finden, sind sich bestimmt nicht dessen bewußt, daß sie jeweils in neunzig von hundert Fällen einen Homosexuellen vor sich haben, der mit dem Gewand und allem im Sumpf versenkt wurde. Das war nicht eine Strafe, sondern das war einfach das Auslöschen dieses anormalen Lebens. Das mußte entfernt werden, wie wir Brennesseln ausziehen, auf einen Haufen werfen und verbrennen [...]\"
(aus: Grau, G. (Hg.), Homosexualität in der NS-Zeit. Dokumente einer Diskriminierung und Verfolgung (Reihe ´Die Zeit des Nationalsozialismus´), Frankfurt/Main 1993, 131.)
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