Dem Wort "Legende" liegt das lateinische Gerundiv legenda, also "das, was gelesen werden soll oder muss", zu Grunde. Der ursprüngliche Begriff hat mit dem, was wir heute unter "Legende" verstehen, nichts zu tun. Der Charakter der Lesbarkeit und die Aufforderung zum Lesen steht im Vordergrund.
Der Brauch der christlichen Kirche, am Jahrestag der Heiligen beim Gottesdienst oder während der Mahlzeit im Kloster die Lebens- und Leidensgeschichte des jeweiligen Heiligen oder Märtyrers vorzulesen, führte dazu, dass die "Legende" im religiösen und auch literarischen Bereich die Bedeutung "Heiligenlegende" angenommen hat. Traf man bis ins 13. Jh. noch eine Unterscheidung zwischen den "Legenden" über Heilige, die keine Märtyrer sind, und den "Passiones" über die Märtyrer, verwischte sich dieser Unterschied bald und die "Legende" wurde zur Bezeichnung der "literarisch fixierten Heiligen-Vita" überhaupt.
Die Legende hat sich also aus der Heiligenverehrung entwickelt, wobei es seit Anbeginn um die literarische Vergegenwärtigung der Menschwerdung Christi ging. Die mit seine Gestalt verbundenen Erzählungen bildeten den Prototyp der christlichen Legende, der durch seinen erbaulichen und belehrenden Charakter und vor allem das Element des Wunderbaren gekennzeichnet ist.
Im 15. Jh. wurde der Legendenbegriff erneut erweitert, um die Bezeichnung eines "nicht recht beglaubigten Berichtes" , und im 16. Jh. kam die Nebenbedeutung einer unglaubhaften und unwahrscheinlichen Erzählung dazu.
Diese Entwicklung lässt schon den Ursprung für unser heutiges Verständnis der Legende als unglaubwürdige Erzählung oder sagenähnliche Geschichte erahnen. Ausschlaggebend war jedoch wahrscheinlich die polemische pseudo-etymologische Abwandlung des Wortes als "Lügende" im Zuge der Kämpfe der Reformationszeit und die Nachbarschaft zu Frankreich, wo für "Legende" und "Sage" nur ein Wort, nämlich légende, existiert.
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