6.1 Reaktionen auf den Tod Dollfuß' />
Am 26. Juli übernimmt der bisherige österreichische Vizekanzler Ernst Rüdiger Starhemberg (Heimwehr) vorübergehend die Geschäfte des Bundeskanzlers. Unter seinem Vorsitz beschließt der Ministerrat auch das Bundesverfassungsgesetz über die Einführung eines Militärgerichtshofs als Ausnahmegerichtshof zur Aburteilung der im Zusammenhang mit dem Putsch begangenen strafbaren Handlungen.
Am 30. Juli wird Kurt Schuschnigg als neuer Bundeskanzler vereidigt.
Noch am 26. Juli kommandierte der italienische Duce und Ministerpräsident, Benito Mussolini, 3 Armeekorps an die italienisch-österreichische Grenze und versicherte Fürst Starhemberg in einem Telegramm, dass die Unabhängigkeit Österreichs, für die Dollfuß gefallen sei, ein Grundsatz sei, den Italien verteidigen werde, da die Möglichkeit bestand, dass deutsche Truppen zur Unterstützung der Aufständischen in Österreich geschickt werden könnten.
Die Ereignisse um den 25. Juli bewiesen auch, dass Österreichs internationale Stellung äußerst gefährdet war, da auch in Juguslavien und Ungarn Truppen bereitstanden, um in Österreich einmarschieren zu können, wenn ein Bürgerkrieg ausbrechen würde.
Die deutsche Reichsregierung wies jede Verantwortung für die Vorgänge in Österreich zurück, verzichtete aber, da es sich Italien zu dieser Zeit militärisch unterlegen fühlte, auf Interventionen.
Die Nachrichten vom gescheiterten NS- Putsch schlagen in ganz Europa wie eine Bombe ein.
Von vielen Seiten wird die eigentliche Schuld an den Vorgängen in Österreich und dem Mord an Dollfuß der nationalsozialistischen deutschen Führung zugewiesen.
Italienische, französische und britische Zeitungen stellen Deutschland als Ursprung und Drahtzieher allen Übels dar.
Die angesehene liberal- republikanische pariser Abendzeitung "Journal des Debats" wendet sich in einem wütenden Artikel gegen das "verbrecherische Deutschland"
Die im Besitz Mussolinis befindliche italienische Zeitung "Giornale d'Italia" schreibt:
...Dieser österreichische Terror hat seine Grundlagen, seinen geistigen Einfluss, seine Waffen, seine Finanzierung, seine gesamte Organisation und die Leitung der Aktionen auf deutschem Gebiet...
Die Hilfe der Mächte (Italien, Ungarn, Frankreich und Großbritanien werde der Regierung in Wien nicht fehlen, wenn sie ihrer Pflicht nachkomme.
Das britische Daily Telegraph:
...Die politische Unabhängigkeit Österreichs ist von vitalem Interesse für alle Mächte...
...Das europäische Pulverfass ist vom Balkan nach Wien verlegt worden...
Der liberale "Temps", der als führendes Qualitätsblatt der dritten französischen Republik gilt, spricht von einem Verbrechen gegen Europa und die Zivilisation, das ernste Folgen mit sich bringen könnte, und erklärt kategorisch, die von Dollfuß betriebene Politik sei notwendig für den Frieden Europas und müsse fortgesetzt werden.
6.2 Die Bestattung Dollfuß'
Am 28 Juli wird Engelbert Dollfuß unter großer Beteiligung der Bevölkerung auf dem Hietzinger Friedhof in Wien beigesetzt.
Bundespräsident Miklas sagt:
"Ein fluchwürdiges Verbrechen ist begangen worden, nicht nur an dem Bundeskanzler, sondern an ganz Österreich. Dr. Dollfuß ist für Österreich als Märtyrer gestorben.
Er hat aber verhindert, dass Österreich zum Schlachtfeld Europas werde und schließlich in einem mitteleuropäischen Chaos untergehe. Nicht nur Österreich hat er damit gerettet, sondern auch Europas Frieden, und diese Tat hat er anschließend mit seinem Herzensblut als Märtyrer des Österreichtums besiegelt."
Vizekanzler Ernst Rüdiger Starhemberg (Heimwehr) hält in der Nacht vor den Beisetzungs- feierlichkeiten eine Rundfunkrede, die gegen das deutsche Volk gerichtet ist. Ihre Wortwahl erinnert jedoch eher an das Vokabular der NS - Machthaber in Berlin:
"...Die Bundesregierung wird in treuester Kampfgemeinschaft mit dem toten Führer ihr bestes daransetzen, um seine Idee zum Siege zu bringen. Verantwortungslose, zum Verbrechen geführte Elemente haben geglaubt, dass der Tod des Führers Österreichs das Signal sei, um ihre dunklen Pläne zu verwirklichen. Um deutsch zu sein und unsere deutsche Sendung in der Welt zu erfüllen und unserem Deutschtum zu dienen, dazu brauchen wir in Österreich keinen Nationalsozialismus."
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