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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Mafia in abgrenzung zu briganten, camorra, ´ndrangheta und cosa nostra



Als Mafia im engeren Sinn bezeichnet die Forschung eine aus dem Sizilianischen hervorgegangene, in das süditalienische, quasi-feudalistische Sozialgefüge eingebundene Selbsthilfeorganisation. (Karte Italiens). Sie sticht durch strenge interne Bindungen und einen auf das ländliche Gebiet zugeschnittenen Aktionsradius hervor. Der mafiuso setzt seine eigene Ordnung gegen die des Staates, empfindet sein Handeln gleichwohl als legal, vor allem dort, wo der Staat versagt hat.
Die Forschung versucht seit Jahren, diesen Mafia-Begriff von mafia-ähnlichen italienischen Verbrechensorganisationen zu unterscheiden. W. Raith etwa differenzierte 1977 die Mafia sizilianischer Herkunft von:
6.1 Briganten und Gangstern
Beim Briganten handelt es sich meist um ländliche Bewohner Italiens, die durch Gesetzesübertretungen oder Verstoß gegen die Sozialmoral aus ihrem gewohnten Umfeld fliehen müssen. Das Untertauchen, meist in die \"Berge\" um ihre Heimatdörfer, geschieht also gegen den eigentlichen Willen der Betroffenen. Der Brigant ist sich aber dennoch seiner Illegalität bewusst. Da das Brigantenwesen, bei dem sich mehrere Banditen in den Wäldern zusammenschlossen, im 19. Jahrhundert in Italien sehr verbreitet war, verlegen einige Historiker dessen Wurzeln bis in die römische Antike: Die Sklavenunruhen des 2. und 1. vorchristlichen Jahrhunderts, beispielsweise der berühmte Spartacus-Aufstand, seien Vorläufer dieser Entwicklung gewesen.
Im Unterschied dazu steht der Gangster von Anfang an außerhalb des Sozialgefüges. Er führt insofern auch keinen \"gerechten\" Kampf gegen die Obrigkeit, sondern versucht, bewusst von seiner Kriminalität zu leben. Gangstertum - aus Amerika kommend - tritt meist in städtischen Gangs auf, deren Kriminalität bereits sehr früh stark organisierte Züge aufwies.
Briganten und Gangster empfinden sich selbst als nicht mafiös, obschon sie im Dienst eines capo stehen können. Das Verhältnis zwischen mafiuso (gabellutto) und Brigant, der meist bäuerlicher Herkunft ist, ist aber prinzipiell sehr spannungsgeladen. Dies gilt auch für den Gangster, der in den italienischen Städten mit dem mafiuso konkurriert: pizzu-Erpressung, Kontrolle der Absatzmärkte u.Ä. sind heiß umkämpfte \"Geschäfte\" beider Gruppen.
6.2 camorra
Eine wortgeschichtliche Klärung gelang bisher nicht. Es werden arabische (kumar - eine Art Würfelspiel), pseudospanische (chamarra - Schlägerei) und auch original neapolitanische Wurzeln (morra - Schwarm, Bande) vermutet. Neben vielen Gemeinsamkeiten zur Mafia zeigen sich auch deutliche Unterschiede.
Die camorra entstand wahrscheinlich im 19. Jahrhundert aus einer polizeiähnlichen, d.h. staatsrechtlich anerkannten Aufseher- und Überwachungsorganisation in mittelitalienischen Städten. Zur Zeit der Garibaldistenherrschaft (1860) wurde die camorra als offizielle Polizeitruppe im Dienst der (bereits gestürzten) Bourbonen eingesetzt. Erst allmählich, wie bei der sizilianischen Mafia auch, wandte sich die camorra illegalen Praktiken zu.
Die camorra ist also ein städtisches Phänomen. Sie bildete sofort hierarchische Strukturen aus und behauptete sich von Beginn an durch Gewaltanwendung. Zunächst richteten sich aber ihre Fehden nicht gegen den Staat (der kein Rivale war), sondern gegen konkurrierende famiglie. In den letzten Jahrzehnten beobachtet man allerdings, dass camorra und Mafia sich immer ähnlicher werden.: So nahmen in den 80-er Jahren im Neapolitanischen, dem Hauptgebiet der camorra, die Verflechtungen mit der Politik sowie Attentate auf Politiker und Justizbeamte zu. 1989 verübte die camorra allein 315 Morde. Auch \"internationale Beziehungen\" werden gepflegt, was den Einstieg in den Rauschgifthandel erleichterte.
6.3 ´ndrangheta
Hierbei handelt es sich um eine geheime Organisation aus Kalabrien. Das Wort ´ndrangheta bedeutet im kalabresischen Dialekt etwa \"tapferer Mann\". Die ´ndrangheta entstammte meist ländlichen (unter)bäuerlichen Schichten. Sie umfasste Teile des Brigantismus, sofern sie mit den gabellutti in Konflikt geriet, und öffnete sich schnell den sozialrevolutionären Programmen kommunistischer und gewerkschaftlicher Verbände.
Was das kriminelle Betätigungsfeld betrifft, ist die ´ndrangheta der Mafia sehr ähnlich. Bis 1945 kontrollierte und erpresste sie weite Teile des agrarischen Kalabriens. Seit dem 2. Weltkrieg und der einsetzenden Industrialisierung Unteritaliens verlegte sie sich auf politische Verflechtungen sowie wirtschaftliche und Spekulationsgeschäfte. Neben dem Baugewerbe ist vor allem der Tourismus stark betroffen. P. Arlacchi spricht daher von der ´ndrangheta als der mafia calabrese, da sie sich in vielerlei Hinsicht nicht von der sizilianischen Schwester unterscheide.

6.4 cosa nostra
Die cosa nostra ist eine US-amerikanische Sondererscheinung der sizilianischen Mafia. Sie setzte sich in den Großstädten der USA fest, nachdem mit der großen süditalienischen Auswandererwelle auch zahlreiche mafiusi Italien verlassen hatten: Neben den Verfolgungen durch rivalisierende cosche spielte vor allem die schlechte wirtschaftliche Lage eine wichtige Rolle, aus Italien zu emigrieren. Die cosa nostra kann man am besten als kriminell ausgerichtete \"Firma\" großstädtischen Zuschnitts beschreiben. Sie hat mit den feudalen Voraussetzungen und den \"klassischen\" capomafia-Strukturen nichts mehr gemeinsam. Die amerikanische Ausprägung des Mafia-Gedankens ist vielmehr am Gangstertum orientiert, welches durch Prunk, brutales Auftreten und nicht verheimlichte Kriminalität auffällt.
Während der Prohibition machten die Mitglieder der cosa nostra illegal ungeheuere Gewinne, und diese Beteiligung am organisierten Verbrechen strahlte auf die sizilianische \"Mutter-Mafia\" zurück. Der wirtschaftliche Gedanke trat mehr und mehr in den Vordergrund. Die Gewinnspannen waren ja im illegalen Bereich (Schnapsdestillerien, Alkoholschmuggel) um ein Vielfaches höher als im normalen Wirtschaftsbereich, so dass die cosa nostra ein gut ausgebautes internationales Netz für Alkoholschmuggel errichten konnte. Daran waren auch sizilianische mafiusi indirekt beteiligt, etwa beim Schiffsschmuggel über den Atlantik. Nach 1945 zeigte sich sehr schnell, dass die einheimischen capi von ihren italo-amerikanischen Vettern gelernt hatten: Die Illegalisierung war nicht mehr aufzuhalten.

 
 

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