Karolingische Renaissance knüpft an die frühchristlich-römische Vergangenheit an. Dabei handelte es sich dem Wesen nach um eine Bildungsreform, die sich unter Alkuin von York (um 730 - 804) das Ziel gesetzt hatte, das Römische Reich zu erneuern und die Gesellschaft von ihren geistigen Grundlagen her neu zu formen. Das Wiederanknüpfen an die römische Reichsidee bildete unter Karl dem Großen das geistesgeschichtliche Fundament des europäischen Mittelalters.
Karl der Große gab mehrere Reihen kunstvoll illuminierter Evangelien in lateinischer Sprache in Auftrag. Dazu entsandte er Künstler nach Ravenna, wo sie die frühchristlichen und byzantinischen Wandmalereien und Mosaiken studieren konnten. Möglicherweise beschäftigte er auch griechische Künstler. In diesen illuminierten Handschriften wird byzantinischer Einfluss zusammen mit Elementen frühchristlicher, angelsächsischer und germanischer Kunst erkennbar. Die diversen Gestaltungsformen fließen im karolingischen Stil zusammen, die in der Miniatur aus dem Goldenen Harley-Evangeliar zum Ausdruck kommt. Geschaffen im Auftrag Karls des Großen, geht der heutige Name auf den Sammler Lord Harley zurück. Matthäus schreibt sein Evangelium in einem Ambiente, dessen symmetrische Ausgewogenheit durch leichte Unsicherheiten in der Perspektive nicht beeinträchtigt wird.
Abgesehen von einigen wenigen, bruchstückhaft erhaltenen Wandbildern beschränkt sich die überlieferte karolingische Malerei auf Buchillustrationen. Mit der Buchherstellung befasste Mönche malen in Anlehnung an spätantike und byzantinische Vorlagen tiefenräumlich. Ein erregter, zügiger Rhythmus, der bisweilen die Umrisslinie in fasrige Striche auflöst, vereint die Bildgegenstände . In lebhaften Handlungsschilderungen sind Personen zu rhythmisch-bewegten Gruppen zusammengeschlossen . Germanische und keltische Überlieferungen äußern sich in kraftvollen Linienornamenten, verschlungenen Tierleibern und ineinander verschränkten Dämonen . Flechtband-Ornamente können Figuren umschließen, die dem antiken Formenschatz entnommen sind. Initialen sind gelegentlich in seitenfüllenden Linien-Ornamenten gestaltet.
|