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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Kampf dem kapitalismus - raf



Einen Hauptgrund für die Umwälzung des bestehenden Systems sah die RAF in der Gesellschaftsform selbst, dem Kapitalismus. So schreibt - vermutlich Ulrike Meinhoff - in dem Grundsatzpapier \"Dem Volk dienen Rote Armee Fraktion: Stadtguerilla und Klassenkampf\": \"20000 Menschen sterben jedes Jahr - weil die Aktionäre der Automobilindustrie nur für ihre Profite produzieren lassen und dabei keine Rücksicht auf die technische Sicherheit der Autos und den Straßenbau nehmen. 5000 Menschen sterben jedes Jahr - am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dahin oder auf dem Heimweg, weil es den Produktionsmittelbesitzern nur auf ihre Profite ankommt [...] 12000 Menschen begehen jedes Jahr Selbstmord, weil sie nicht im Dienst des Kapitals hinsterben wollen, [...] 1000 Kinder werden jedes Jahr ermordet, weil die zu kleinen Wohnungen nur dazu da sind, daß Haus- und Grundbesitzer eine hohe Rendite einstreichen können.\"
Nach dieser sogenannten zweiten RAF-Schrift, ist das Kapital die Wurzel allen Übels. Durch die Herrschaft desselben lasse sich die Ausbeutung der Dritten Welt durch die westlichen Industriestaaten begründen, da dort billige Arbeitskräfte zu einem Hungerlohn in Bergwerken, Produktionshallen, auf
Kaffee- oder Fruchtplantagen schuften müssen. Ulrike Meinhof nimmt hier unter anderem Bezug auf den Besuch des Bundeskanzlers Willy Brandt beim Schah in Persien: \"Nach dem Kniefall des Kanzlers in Polen nun der Kniefall vor dem Mörder Schah .\" Bei diesem Besuch wären jedoch nicht die
Interessen der BRD vertreten worden, sondern die Interessen der deutschen Großkonzerne. Auch habe der Kapitalismus tiefgreifenden Einfluß auf die bundesrepublikanische Gesellschaft. Die Anhäufung des Kapitals sei Hauptzweck der Produktionsmittelbesitzer, hierdurch würde das
Industrieproletariat noch mehr ausgebeutet, büße noch mehr an Macht ein, wohingegen der Einfluß der Produktionsmittelbesitzer zunehme und sich auf Politik und Gesellschaft auswirke. Welcher Unternehmer kann an einem politisch mächtigen Proletariat interessiert sein? Hiermit zielte die RAF
populistisch auf das revolutionäre Subjekt, das Industrieproletariat ab, um wie oben beschrieben, eine breite Bevölkerungsschicht für ihre Zwecke erreichen zu können. Denn nur wem bewußt war, daß die eigene Ausbeutung durch die Bourgeoisie auf der Herrschaft des Kapitals beruht, würde sich
gegen eine solche Herrschaftsordnung wenden. Ferner wurde der Kapitalismus auch als antirevolutionär wirkend angesehen, da er verantwortlich dafür war, daß es kein einheitliches Proletariat weltweit geben konnte. So war einem Proletarier eines westlichen Industriestaates der Kampf gegen die Ausbeutung der Dritten Welt schwerlich vermittelbar, da selbiger für ihn eine finanzielle Bereicherung darstellte, was sich beispielsweise im günstigen Erwerb von Kaffee, Bananen, sonstigen Produkten und Leistungen offenbare.
Die monokausale Rückführung gesellschaftlicher Missstände auf eine Ursache stellt ,wie besonders deutlich im letzten Satz des Zitates zu erkennen, jedoch die Tragfähigkeit der Kapitalismuskritik in Frage. Ob zwar Erwerbsinteressen in Wirtschaft und Politik eine bedeutende Rolle spielen, so maßen Meinhoff und ihre Mitstreiter dem Kapitalismus eine allzu große Bedeutung zu. So gingen die Ostverträge und die Ausweitung des Sozialstaats unter Brandt auf politische Initiativen zurück, die einen vermeintlicher Primat der Wirtschaft in Frage stellen.

 
 

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