Zu Anfang sei genannt, dass das Werk kurz nach Veröffentlichung von Kants "Kritik der reinen Vernunft" (1781) und "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" (1784) erschien.
Goethe verdeutlichte in seinem Drama "Iphigenie auf Tauris" den Konflikt zwischen Götterspruch und menschlicher Selbstständigkeit. Somit versucht er den griech. Mythos zu Humanisieren.
Er verwirklicht die Idee der "allseitigen Harmonie" zwischen Menschen und Göttern, Regenten und Regierten, Mythos und Aufklärung, indem er die Antike in die moderne Zeit umsetzt. Mit seinem Werk appeliert er an die Menschen, eigenverantwortlich zu werden und sich von der Heteronomie loszulösen und hinterfragt die Machtstellung der Götter und Fürsten.
Das Drama enthält eine Grundproblematik, welche die drei Protagonisten umspannt.
Thoas ist auf der einen Seite ein barbarischer (Fremdenopfer) und pflichtbewusster (Nachkommen, Schutz des Götterbilds) König, auf der anderen Seite jedoch steht seine Zuneigung zu Iphigenie.
Orest wünscht sich einerseits den Sühnetod, andererseits aber ein Leben in der Heimat ohne Fluch, durch die Rettung seiner Schwester.
Und schlussendlich Iphigenie, die zwischen ihrer Sehnsucht nach der Heimat und der Familie (Bruder) und dem Pflichtbewusstsein dem Priesterdienst und der Dankbarkeit Thoas gegenüber im Konflikt steht.
Am Ende ist dann Thoas von Iphigenie vom Barbaren zum humanen Menschen verwandelt worden, Orest schuldanerkennend gereift und zu einer erhabenen Seele geworden, und Iphigenie hat sich zu unbedingter Wahrhaftigkeit durchgerungen.
Insofern findet man hier also in der Darstellung des klassischen Menschenideals durch die schöne Seele Iphigeniens die Humanität nach Herder wieder.
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