Ende der 60er Jahre und Anfang der 70er Jahre bemühten sich die Sprachbuchautoren und -verlage, mit der linguistischen Entwicklung Schritt zu halten, die Ergebnisse aus der linguistischen Forschung sollten in die Schulbücher übernommen werden. Das Klettsche Sprachbuch übernahm damals die Dependenzgrammatik, das Sprachbuch "Sprache und Sprechen" die Transformationsgrammatik. Diese Entwicklung wird heute allgemein als Linguistisierung bezeichnet.
Das Ende des linguistischen Grammatikunterrichts kam schon ein halbes Jahrzehnt später. Bei einer Befragung von Lehrern und Schülern im Jahre 1976, ob sie für die Einrichtung eines Schulfaches Linguistik wären, stellte sich heraus, daß beide Seiten dies ablehnten.
Aber schon 1973 kam es mit dem Buch "Bildungsreform als Revision des Curriculum" von Saul B. Robinsohn zu einer Umkehr. Bei ihm diente die Erziehung der Ausstattung zur Bewältigung von Lebenssituationen. Daraufhin setzte eine allgemeine curriculare Diskussion ein, die auch Auslöser für den Niedergang des linguistisch orientierten Grammatikunterrichts war.
Bei Robinsohn sollten die Schüler zur Kommunikation erzogen werden, die dem Schüler Einsichten in Kommunikationssperren und Kommunikationshilfen geben soll. Dies gipfelt in einer Erziehung zur Autonomie.
Gleichzeitig mit den Ansätzen Robinsohns kam es zur pragmatischen Wende, d.h. einer Verschiebung des Interesses zum Sprechen in Situationen. Als argumentativer Ausgangspunkt diente die generative Transformationsgrammatik von Chomsky. Dabei handelt es sich um ein hochformalisiertes Modell für die Generierung von Sätzen. Die Grundfragen lauten: Wie läßt sich das, was der ideale Sprecher beim Sprechen tut, nachkonstruieren? Wie läßt sich die unendliche Kreativität muttersprachlicher Sprecher als Aktivierung eines begrenzten Regelsets fassen?
Hier wird also das Sprechen als Handeln in sozialen Zusammenhängen thematisiert.
Später kam zur Pragmalinguistik noch die Soziolinguistik. Sie bediente sich der Feststellung, daß keine Gesellschaft als homogenes Gebilde existiere, sondern daß sich die Gesellschaften in verschiedene Teilbereiche gliedern lassen. Die Subsysteme der Gesellschaft interagieren aber miteinander, wobei die Kommunikation den Informationsbedarf innerhalb des Systems befriedigen soll. Aber je nach Zugehörigkeit zu einem Subsystem ist die Sprache verschieden.
Hier kam es dann zum Bruch: Wenn es die Aufgabe der Schule sei, die Schüler zum "richtigen" Sprachverhalten anzuleiten, würde eine Gruppe der Schüler ihre Sprache konsequent weiterentwickel, die andere Schülergruppe (wohl die größere Gruppe) käme dann in den Zwang, neue Formen der Sprache zu erlernen. Es kam somit zur Diskussion um die Legitimation des Grammatikunterrichts, die noch heute anhält.
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