Elfter bis fünfzehnter Auftritt - Das zweite Zimmer des vierten Aufzugs
Das Schicksal der Maria ist nun besiegelt, und in ihr vollzieht sich nun, was
typisch für die Klassik ist. Sie erlangt angesichts des bevorstehenden Todes die
Erhabenheit über die geschichtliche und physische Welt und triumphiert am
dritten Tage der Handlung nun also über das Schicksal. Die Begegnung mit ihrem
Hofmeister und den Dienerinnen geben uns ein Bild von der Verfassung Marias, die
nicht um ihr eigenes Schicksal weint, sondern um Mortimers und Paulets. Sie ist
sogar zu einem Schlaf vor ihrer Hinrichtung fähig. Sie stirbt als Heldin im
Schillerschen Sinne. Diese Wandlung ins Erhabene geschieht plötzlich, wie
Schiller es in seinem Aufsatz \\\"Über das Erhabene\\\" auch darstellt.
Diese Erhebung in die Freiheit der Geister ist eine idealistisch-metaphysische
Kernstelle des Dramas. Die Wandlung Marias wird nicht dargestellt, jedoch ist
der Unterschied im Innern Marias im Verhältnis zum letzten Auftritt deutlich
herausgestellt. Verbunden mit der Verklärung Marias ist immer der christliche
Glaube, ohne den diese Erhabenheit der katholischen Maria bei Schiller nicht
möglich wäre. Hier steht er im Gegensatz zu Goethe. Das heißt aber keineswegs,
daß Schiller unbedingt auf der Grundlage des katholischen Glaubens steht,
sondern vielmehr, daß er der Wendung einen moralischen Anstrich geben wollte.
Elisabeth wähnt sich nun endlich nach der Hinrichtung, die Leicester schildert,
sicher und wälzt die Schuld für das vollstreckte Urteile auf Davison und
Burleigh ab; sie werden eingekerkert bzw. verbannt. Shrewsbury verläßt
freiwillig das Land, so daß Elisabeth noch einsamer, noch unsicherer als zu
Anfang dasteht.
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