\"Maximilian von Habsburg, der sich Kaiser von Mexiko genannt hat\" - so apostrophierte ihn im Mai 1867 die Anklageschrift eines mexikanischen Kriegsgerichts. Das Tribunal der republikanischen Sieger, das im Theater von Querétaro tagte, verurteilte den nicht vorgeführten, weil an Ruhr erkrankten Angeklagten, als Werkzeug der französischen Intervention in Mexiko zum Tod. Vergeblich argumentierten seine Verteidiger, dass die republikanische Verfassung die Todesstrafe für politische Delikte abgeschafft hatte. Doch der Präsident Benito Juárez, der im Fall der Freilassung eine Rückkehr Maximilians befürchtete, gewährte keine Gnade. So erfüllte sich am 19. Juni 1867 auf tragische Weise jener Wunsch des jugendlichen Erzherzogs, den er selbst in einem Gedicht zum Ausdruck gebracht hatte: \"Auf einem Berge will ich sterben\". Sechs Schüsse beendeten auf dem \"Glockenhügel\" (Cerro de las Campanas) das Leben des 35jährigen Habsburgers.
Das erwachsene Leben des 1832 zu Schönbrunn geborenen Erzherzogs Ferdinand Max beginnt erfolgreich: Fern(gehalten) vom autoritär regierenden kaiserlichen Bruder Franz Joseph schuf der begeisterte Seefahrer in Triest eine kleine, aber schlagkräftige Kriegsmarine, deren Konteradmiral er wurde. Er führt technische Innovationen, wie den Dampfantrieb und die Panzerung der Schiffe ein, was 1866 die Seeschlacht bei Lissa entscheiden wird.
Bei Triest beginnt er 1856 mit dem Bau des Schlosses Miramar, das auch Selbstinszenierung seiner Persönlichkeit sein soll. Was außen einer normannischen Burg am Meeresgestade gleicht, spiegelt innen die verschiedenartigen Ambientes, die Max schon kennengelernt hat oder noch kennenlernen will: England, China, Japan, später Mexiko.
1856 lernt er seinen späteren Protektor Louis Napoleon III. in Paris kennen. Der Habsburger beurteilt ihn zuerst als \"Parvenü\", doch er erkennt bald das unleugbare Genie des pragmatischen Kaisers der Franzosen, der selbst wissenschaftliche Werke schreibt, Kunstsammlungen organisiert und Frankreich zu wirtschaftlichem Wohlstand gebracht hat. Napoleon III. aber bezieht Max in seine politischen Kombinationen ein.
In Brüssel lernt der 24jährige Ferdinand Max die 16jährige Charlotte, Tochter des belgischen Königs Leopold I. von Sachsen-Coburg, kennen. Sie ist hübsch, willensstark, gebildet, sprachenkundig und politisch interessiert. Beide sind Ideenmenschen, harmonieren sofort und wollen heiraten. Erzherzogin Sophie ist von der wohlerzogenen Charlotte sofort begeistert, \"Sisi\" kann dagegen die \"kleine Coburg\" nicht ausstehen.
Damit der Erzherzog eine Königstochter ehelichen kann, muss sein Status aufgewertet werden. So ernennt Franz Joseph ihn zum Generalgouverneur des von Österreich beherrschten lombardo-venetischen Königreiches. Nach der Hochzeit in Brüssel residieren die beiden in Mailand. Die liberalen Ideen von Ferdinand Max - vor allem die der Selbstverwaltung für Lombardo-Venetien scheitern an der Haltung des Wiener Hofes. Als 1859 der Krieg mit Sardinien-Piemont und Frankreich ausbricht, wird Ferdinand Max von
Franz Joseph sang- und klanglos seines Postens enthoben. Die Lombardei geht an Sardinien verloren.
Der enttäuschte Erzherzog flüchtet in sein Bauprojekt Miramar. Er schickt die Segelfregatte \"Novara\" zu einer wissenschaftlichen Expedition um die Welt. Eine Seereise führt ihn selbst nach Brasilien, das ihn durch seine sozialen Verhältnisse deprimiert. Er ist von nun an überzeugt, dass Lateinamerika eine Reform benötigt. Diese Aufgabe nimmt für den Idealisten Ferdinand Max überraschend konkrete Gestalt an. 1862 erhält er das unerwartete Angebot aus Mexiko, den Thron des Moctezuma zu besteigen.
In dem seit 1821 von Spanien unabhängig gewordenen Land hat jahrzehntelang Bürgerkrieg zwischen Liberalen und Konservativ-Klerikalen geherrscht. 186o gelangen die Liberalen nach dreijährigem Kampf an die Macht. Ihr Präsident Benito Juárez führt seine \"Reforma\" durch: Die Kirche soll entmachtet, ihr gewaltiger Besitz beschlagnahmt und eine säkularisierte, zivile Gesellschaft eingeführt werden. Da das Land finanziell ausgeblutet ist, will Juárez die Schuldenrückzahlungen an das Ausland auf zwei Jahre einstellen.
Zu den Gläubigerländern zählt auch Frankreich.
Das gibt Napoleon III. den Vorwand, militärisch in Mexiko zu intervenieren. England und Spanien beteiligen sich zunächst, ziehen sich aber bald zurück. Die \"Französische Intervention\" rollt Ende 1861 an. Am 25.1.1862 erlässt der zunächst militärisch unterlegene Juárez ein Gesetz, das alle Helfer der Franzosen mit der Todesstrafe bedroht. Es wird zu Maximilians Verhängnis werden.
Zwar wird die Hauptstadt im Juni 1863 besetzt, doch Juárez verteidigt seine Republik durch Guerrillakämpfe. Napoleon sucht jetzt einen europäischen Prinzen als Platzhalter: Seine Wahl fällt auf Erzherzog Ferdinand Max. Der phantasievolle Erzherzog ist durchaus bereit, als kaiserlicher Zivilisationsbringer in Mexiko zu wirken. Dass er dort nur Napoleons Schatten wäre, ist ihm bewusst. Er zieht jedoch ein Schattenkaisertum einem zukunftslosen Dasein auf abgeschobenem Posten in Österreich vor. Außerdem hofft er, Benito Juárez für sich zu gewinnen - wohl seine schwerwiegendste politische Fehlkalkulation.
Die Franzosen berufen eine Notablenversammlung von Konservativen ein, die ein Thronangebot an den ihr von Napoleon suggerierten Erzherzog richtet. In den von den Franzosen beherrschten Städten unterschreiben die Gemeinderäte Erklärungen zugunsten der Monarchie. An Ferdinand Max wird dies als Plebiszit verkauft, und er nimmt das Thronangebot an. Bevor er mit Charlotte auf der \"Novara\" am 14. April 1864 nach Mexiko abreist, zwingt ihn Franz Joseph, auf sämtliche Nachfolgerechte in Österreich zu verzichten, ein Schlag, den Ferdinand Max nie verwindet, da er den mexikanischen Thron insgeheim als Sprungbrett für einen europäischen, nicht zuletzt den österreichischen, ansieht.
Kaiser Maximilian, wie er sich jetzt nennt, und Kaiserin \"Carlota\" beginnen in Mexiko ein ambitioniertes Reformprogramm. Der \"Emperador\" regiert jedoch vorwiegend mit liberalen Ministern und europäischen Beratern, was ihm die Konservativen, die ihn gerufen hatten, verübeln. Die Kirche lässt er vergeblich auf eine Rückgabe der von Juárez enteigneten Güter warten, was Papst Pius IX. gegen ihn aufbringt. Die demokratischen Ideen seiner Jugend hat er vergessen. Er erlässt eine autoritäre Verfassung. \"Revolution von oben\" nach dem Vorbild Josefs II. ist sein Ideal. Das liberale Gesetzeswerk Maximilians gilt heutigen mexikanischen Historikern durchaus als Fortsetzung des Juárez\'schen Weges zu einer modernen Gesellschaft.
1866 beginnen die Franzosen unter dem Druck der USA und ihrer eigenen Finanznöte ihre Truppen abzuziehen. Das Kaiserreich bricht militärisch zusammen. Charlotte reist zu Napoleon III. Als ihr Drängen um weitere militärische Hilfe umsonst ist und ihr auch eine Audienz bei Papst Pius IX.
keine Hoffnung gibt, verfällt sie dem Verfolgungswahn, lebt aber noch bis 1927.
Die Berater des durch die Schreckensnachricht gebrochenen Kaisers entscheiden, dass er nicht abdanken, sondern als Galionsfigur für die wieder zur Macht gelangten Klerikal-Konservativen bleiben soll. Nach 72-tägiger Belagerung in Querétaro fällt die Stadt kampflos durch \"Verrat\" des kaiserlichen Obersten López, der später behauptet, im Auftrag des Kaisers gehandelt zu haben. Maximilian wird gefangen genommen und kriegsgerichtlich zum Tode verurteilt. Zwei Fluchtversuche, welche der Mitgefangene Fürst Felix zu Salm und seine zwielichtige Gattin Agnes spektakulär inszenieren, sind Spekulationen auf den Dank des Hauses Habsburg, scheitern jedoch. Die Erschießung wird für 16. Juni angesetzt, dann aber zum Entsetzen Maximilians drei Tage aufgeschoben, nur damit der preußische Diplomat Magnus, der in San Luis Potosí bei Juárez vergebens interveniert hat, nach Querétaro reisen und an Bismarck berichten kann. Der einbalsamierte Leichnam wird von Admiral Tegetthoff auf der \"Novara\" nach Triest überführt und am 18. Jänner 1868 in Wien in der Kapuzinergruft beigesetzt.
Eine von dem Diktator Porfirio Díaz genehmigte Maximilian-Gedächtniskapelle in Querétaro wurde 1901 eingeweiht; die seit 1867 unterbrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Mexiko wurden kurz darauf wiederaufgenommen. Mexikos Völkerbund-Protestnote vom 19. März 1938 gegen die \"Unterdrückung Österreichs als unabhängiger Staat infolge einer bewaffneten ausländischen Intervention\" wirkt wie ein Nachhall des mexikanischen Kampfes gegen die französische Intervention, deren Opfer letztlich auch Maximilian wurde. Nicht umsonst tragen in Manets berühmtem Gemälde \"Die Erschießung Kaiser Maximilians\" die Schützen französische Uniformen ...
|