Im Frühmittelalter waren Geld und Edelmetalle selten, die Verkehrsmittel und die Erschließung des Landes durch Verkehrswege dürftig, so dass nennenswerter Handel nicht stattfand. Die Römerstädte waren größtenteils zerstört und geplündert worden und die alten Handelswege durch die Völkerwanderung unterbrochen. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung lebte in kleinen und kleinsten Siedlungen auf dem Land. Die Städte waren seit der Spätantike zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken und hatten ihre Anziehungskraft auf Menschen ebenso verloren wie ihre Bedeutung als Orte gewerblicher Produktion und als Zentren des Handels. In der feudalistischen Gesellschaft stellte der Grundbesitz die einzige Form von Reichtum und die alleinige Erwerbsquelle dar. Als Hauptziel menschlichen Wirtschaftens galt die Deckung der eigenen Bedürfnisse. Diese Form der "Hauswirtschaft" kannte keinen Anreiz zur planmäßigen Überproduktion, da Abnehmer und Märkte fast gänzlich fehlten. Gewinnstreben und Spekulation als Motor wirtschaftlicher Tätigkeit waren jener Zeit ebenso fremd wie der Gedanke der Kalkulation oder Rentabilität. Eine Wende zeichnete sich seit dem 12. Jahrhundert ab, als sich der Handel wiederzubeleben begann. Die Bevölkerung wuchs und an Burgen und Handelsstraßen gründeten sich neue Städte. Durch Geschäfte mit den reichen Arabern , den Slawen im Osten und die Nachfrage nach Luxusgütern durch die Klöster und Landesherren wurde der Fernhandel wiederbelebt.
Vornehmlich im Küstenbereich, aber auch im Binnenland entwickelten sich Wiken (Schleswig, Heilwig). "Wik" bedeutete ursprünglich Dorf. Die frühmittelalterlichen Wiken waren in erster Linie Handelsplätze, die dem Fernhandel dienten und zu deren bestimmendem Merkmal der Hafen wurde. Sie waren aber nicht nur bloße Umschlagplätze, sondern bestanden auch aus festen Siedlungen mit einer seßhaften , nicht ausschließlich kaufmännischen Bevölkerung, die vom König geschützt und mit Privilegien ausgestattet wurden. In den Wiken hatten die umherziehenden Kaufleute ihre Wohnsitze. Fremde Kaufleute konnten sich verproviantieren. Im Westen hießen sie "portus" (Hafen) oder auch "Emporium" . Mit dem Aufstieg der Städte, im 9. und 10. Jahrhundert entstand eine neue Wirtschaftsform, es bildete sich die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land heraus, die für die weitere Entwicklung der europäischen Stadtkultur von größter Bedeutung war. Durch diese Arbeitsteilung wurden die Städte wieder als Produktionsstätte interessant. Die Märkte wurden bald das pulsierende Herz einer Stadt und waren für den Reichtum, sowie die Entwicklung verantwortlich. Die Marktsiedlungen erhielten ein Marktrecht, Zollrechte und Münzstätte. Der König und die großen Grundherren, besonders die vom König dafür privilegierten Stifte und Klöster, richteten immer mehr Märkte ein, so dass das Netz der Marktorte ständig dichter wurde. Märkte waren also die Voraussetzung für eine Stadtgründung. Die Handelsplätze und Marktsiedlungen des frühen Mittelalters im ostfränkisch-deutschen Bereich fügten sich organisch in ihre Umgebung und in das damalige Handelsstraßennetz ein. Da der Zustand der Landwege damals sehr schlecht war, hatte die Schifffahrt für den Handel große Bedeutung. So ist es kein Zufall, dass im Frühmittelalter die großen Ströme, der Rhein, die Donau, die Elbe, die wichtigsten Handelsstraßen waren, und dass aus den Friesen, einem seefahrenden Stamm, auch Händler hervorgingen, die neben den Fernkaufleuten aus der Levante, Italien, Spanien zu den aktivsten Händlern jener Zeit gehörten. Aber nicht nur die großen Ströme, auch Flüsse wie Mosel, Neckar, Weser und Saale wurden als Schiffswege für Handelszwecke genutzt, und da für die Ost-West-Verbindung vom Rhein zur Elbe keine großen Wasserstraßen zur Verfügung standen, dienten auch der Main sowie die Ruhr, Diemel, Oker, und Aller der Schifffahrt. Für den Transport zu Lande standen nur die zu Zeiten Karl des Großen entstandenen Heerstraßen zur Verfügung, deren Zahl den Bedürfnissen des Handels keineswegs ausreichte. Am wichtigsten waren die Handelsstraßen von der alten Römerstadt Köln quer durch Westfalen zu dem Erzbischofssitz Bremen sowie zu dem Handelsplatz Bardowiek im unteren Elbgebiet, ferner von Köln nach Mainz, u.a. die Klöster Corvey und Gandersheim, bzw. Fulda berührend, nach dem Harzgebiet und den Umschlag- und Stapelplätzen für die Slawengebiete, vor allem Magdeburg und Erfurt. Die neuen Siedlungen oder Marktorte lagen in erster Linie an den Knotenpunkten von Handelsstraßen und an günstigen See- und Flußhäfen. Fast sämtliche Wiken und Emporien lehnten sich an befestigte Plätze, Burgen, Klöster und ehemaligen Römerstädte an. Der Grund hierfür war sicherlich auch das Schutzbedürfnis der Kaufmannssiedlungen, in erster Linie jedoch die Tatsache, dass viele Feudalsitze Sammelpunkt größerer Überschüsse und deshalb lohnender Anziehungspunkt für den Handel waren. Besondere Bedeutung kam den Sitzen geistlicher Feudalherren zu. Höhepunkte im Handelsverkehr waren die Jahrmärkte, die meist an allgemeinen (Ostern, Pfingsten) oder lokalen (St. Gallus, St. Michaelis, St. Hubertus, u.ä.) kirchlichen Feiertagen lagen und gewöhnlich mehrere Tage andauerten. Sie waren Hauptanziehungspunkte für Händler von nah und fern.
Als die Städte größer wurden, bauten die Ratsherren neben dem Hauptmarkt, Fachmärkte (Gänsemarkt (Geflügel), Pferdemarkt (Weidevieh) Hopfenmarkt, Großneumarkt, Zeughausmarkt, Alter Fischmarkt), an denen die Spezialitäten und der tägliche Bedarf der Region und des ansässigem Handwerks feilgeboten wurden, sowie die Rohprodukte (Hopfen für Hamburger Bier). An den Fachmärkten bauten die Gilden auch ihre Lager- und Kontorhäuser. Die Fachmärkte waren anders als der Hauptmarkt meistens täglich geöffnet, statt nur wöchentlich. Östlich der Elbe wurden die späten Stadtgründungen planmäßig vorangetrieben und die Märkte als "Stadtteilzentren" angelegt. Mit voranschreitendem Wachstum der Städte wurde auch die Arbeitsteilung immer stärker, so dass auch die Bedeutung der Märkte als kommunikatives Zentrum, aber auch um die täglich benötigten Lebensmittel zu besorgen, wuchs und lebensnotwendig wurde.
Die meisten Marktsiedlungen des frühen Mittelalters sind später Städte, im mittelalterlichen Sinn, geworden. Ausnahmen waren lediglich einige Küstenhandelsplätze, z.B. Dorestad (Westfriesland), das im 9. Jahrhundert sehr große Bedeutung besaß und sie später gänzlich verlor. Die Hauptursache hierfür liegt darin, dass bei diesen Küstenhandelsplätzen die arbeitsteilige Verbindung mit dem Hinterland fehlte. Durchgangshandel und Jahrmärkte allein genügten nicht, um die Existenz einer größeren Bevölkerung zu sichern und so beständige Ansiedlungen entstehen zu lassen. Entscheidend für die dauerhafte Bedeutung eines Ortes und seine Entwicklung zur Stadt waren ein tiefes Hinterland und ein entsprechender Nahmarktverkehr, also die gesellschaftliche Arbeitsteilung und der einfachen Warenproduktion.
Wirtschaft
Die wichtigste Handelsstätte für den Fernhandel waren die sog. Messen. Die mittelalterlichen Messen wiesen ein umfassendes Angebot von Waren auf und zugleich ein erhebliches Geldgeschäft. Englische Messen, die von französischen, niederländischen und norddeutschen Fernhandelskaufleuten besucht wurden, sorgten für den Absatz der englischen Wolle und des feinen Tuches nach dem europäischen Festland und die Versorgung der Oberschicht mit den Erzeugnissen des Orients und Westeuropas.
In der Champange, eine sehr bedeutende Region für den Messenhandel, gab es vier Messestädte. Dort ließen sechs mehrere Wochen dauernde Messen einen fast ununterbrochenen Markt entstehen, auf dem die Güter des Mittelmeerbereichs, bzw. des Orients mit denen Nordwesteuropas umgeschlagen wurden. Die Messen begannen im Januar in Lagny s. Marne, an Mittfasten kam Bar s. Aube, im Mai die Oberstadt Provins an die Reihe, im Juli bis August Troyes, im September die Unterstadt Provins, im Oktober fand die "kalte Messe" in Troyes statt. Der Verkauf erfolgte in bestimmter Reihenfolge der Handelsgüter: Stoffmesse, Leder- und Pelzmesse, Messe der nach Gewicht verkauften Waren, wie z.B. Gewürze, dann Regelung der geschäftlichen Transaktionen. Die Bezahlung wurde in Geld vorgenommen oder auf die nächste Messe verschoben oder durch den Wechsel. Zu dem Warengeschäft kam so die Funktion der Messen als Abrechnungs- und Zahlungsplatz dazu, zum ersten mal ein wesentliches internationales Geldgeschäft, das hauptsächlich die Italiener betrieben.
Die städtische Wirtschaft unterschied sich von der mehr oder weniger autarken Hauswirtschaft durch mehr als nur die Abhängigkeit vom agrarischen Umland im Hinblick auf die Nahrungsmittelproduktion. In der Stadt konzentrierten sich die Gewerbe, und hier wiederum nach einzelnen Sparten auf bestimmte Stadtteile oder sogar Gewerbegassen, deren Namen noch heute an ihre Ursprünge erinnern ( Reeperbahn, Große Bäckerstr., Rademachergang,.). Der Handwerker in der Stadt produzierte regelmäßig und geplant für den Markt, den er entweder selbst beobachtete, oder für den Händler, für den er im Verlagssystem arbeitete. Gewinne aus handwerklicher Tätigkeit, vor allem aber aus dem Handel, traten neben dem Grundbesitz als neue bewegliche Formen von Besitz und Reichtum. Die frei verfügbare Form des Kapitals ließ sich gewinnbringend einsetzen; es entstand ein Erwerbsdenken und mit ihm die neue Form der städtischen Gesellschaft, die auf Gewinn und Erwerb angelegt war.
Zu wahrhaft großem Reichtum konnte allein der Kaufmann, insbesondere der Großhändler und Fernhändler gelangen, sofern er Mut zum Risiko besaß, sich durch geistige Beweglichkeit und ein Gespür für Märkte auszeichnete. Der Handwerksmeister als selbständiger Unternehmer mochte sich ein auskömmliches Vermögen schaffen, wobei Goldschmiede und Kürschner wohlhabender werden konnten als Weber und Schuster. Reich konnte kein Handwerker werden, da das Mittelalter eine fabrikmäßige Großproduktion mit einer Vielzahl von Beschäftigten nicht kannte. Die Betriebsgröße von Handwerksbetrieben und ihre Zahl regelten die Zünfte und der Rat der Stadt, welche versuchten die Nachfragen nicht ganz zu befriedigen, um den Preis nicht zu verderben. Der Monopolcharakter der Zünfte nützte zwar den Herstellern, ging aber zu Lasten des Verbrauchers. Es fehlte ein freier Markt und innerstädtische Konkurrenz.
Im 13. Jahrhundert war die Handelsstadt längst autonom geworden, sie wurde teilweise sogar schon Gläubiger für den Landesfürsten, der sie früher schützte. Der soziale Abstand zwischen Kaufmann und Handwerker wuchs. An die Stelle strenger Dienstordnungen trat das freie Spiel der Risiken, das durch die Handelsgesellschaften abgefangen wurde. Die Schwankungen von Politik und Wirtschaft trafen zuerst den hochempfindlichen Fernhandel. So kam es um 1300 zu einem Rückgang der Bedeutung der Champagne-Messen, weil die Champagne an die französische Krone fiel und König Philipp IV mit seinen Kriegen zu Unterbrechungen des Verkehrs von Flandern in die Champagne führte. Aber auch neue Formen des Handels konnten ein altes, einst erfolgreiches System zur Bedeutungslosigkeit herabsinken lassen, mitsamt den Händlern und der Region, die mit dem alten System ihre Gewinne erzielten. In der Zeit um 1300 hielten die Kaufleute auf, selbst die Messen zu bereisen, man überließ die Angelegenheit den Spediteuren und regelte alles schriftlich vom Heimatort aus. Die Italiener bestellten ihre Vertreter in die großen Textilstädte Flanderns und Brabants selbst und benutzten den Seeweg nach Westeuropa, so dass Ostfrankreich seine Stellung als Durchgangsland verlor. Eine wirtschaftliche Katastrophe für die Region, die dann auch das Handwerk und die Bauern empfindlich traf.
Dürreperioden, Kriege und Seuchen sorgten in den jeweiligen Regionen für das Erliegen der Wirtschaft und zu einem Steigen der Preise. Doch es reichte oft schon der Umstand aus, dass ein neuer Zoll erhoben wurde oder anderswo eine bessere Handelsstraße zur Verfügung stand, der einen Markt mitsamt seiner Stadt und den umliegenden Gebieten ins Elend und die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit werfen konnte.
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