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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Ein theologisch verantworteter weg der mitte



Selbst in der katholischen Moraltheologie betont man, daß nicht die maximale Verlängerung des Lebens im biologischen Sinn der letzte Bewertungsmaßstab sein muß, sondern die Verwirklichung der humanen Werte, denen das biologische Leben untergeordnet ist. So hat schon 1980 der katholische Tübinger Theologe Alfons Auer erklärt, die traditionelle theologische Begründung für die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens sei letztlich nicht überzeugend. Nicht jede Selbsttötung des Menschen (und damit auch nicht die aktive Euthanasie) sei deshalb von vornherein absolut und als unsittlich auszuschließen. Jeder Mensch hat nach Auer ein Recht darauf, seine Gewissensentscheidung von anderen respektiert zu sehen. Der ethischen Reflexion steht es nicht zu, persönliche sittliche Entscheidungen zu bewerten. Ihr obliegt die Aufgabe, in den verschiedenen Bereichen menschlichen Lebens Verbindlichkeiten sichtbar zu machen. Schon Karl Barth hatte als Grenzfall bejaht, daß nicht jede Selbsttötung an sich und als solche auch Selbstmord sei:
"Selbsttötung muß ja nicht notwendig ein Nehmen des eigenen Lebens sein. Ihr Sinn und ihre Absicht könnte ja auch eine bestimmte, allerdings extremste Form der dem Menschen befohlenen Hingabe seines Lebens sein."
Deswegen treten die meisten Christen und Theologen für einen theologisch und christlich verantworteten Weg der Mitte einzutreten: zwischen einem anti-religiösen Libertinismus ohne Verantwortung ("unbeschränktes Recht auf Freitod") und einem reaktionären Rigorismus ohne Mitleid ("Auch Unerträgliches ist als gottgegeben gottergeben zu ertragen.") Sie sind der Meinung, daß Gott dem sterbenden Menschen die Verantwortung und Gewissensentscheidung für Art und Zeitpunkt seines Todes überlassen hat.
Diese Selbstbestimmung ist kein Akt des Trotzes gegen Gott, sondern eine Abgrenzung gegenüber anderen Menschen: Wie kein Mensch einen anderen zum Sterben drängen, nötigen oder zwingen darf, so auch keiner zum Weiterleben. Und gibt es denn eine persönlichere Entscheidung als die des Todkranken über die Beendigung oder Nicht-Beendigung seines Leidens? Wenn das ganze Leben von Gott in die Verantwortung des Menschen gestellt ist, dann gilt diese Verantwortung auch für die letzte Phase seines Lebens.

 
 

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