Eduard Bernstein ist deshalb fr unseren Zweck interessant, da er die beiden Grotheo¬rien, um die es hier geht, explizit zusammenbringt: Sozialismus hlt er fr organisierten Liberalismus. Ausgangspunkt dabei ist das Ziel nach gleicher Freiheit fr alle Menschen, welche nur erreicht werden kann, wenn sie durch Organisation in Wirtschaft und Gesell¬schaft gesichert ist. Individuelle Freiheit ist das unberbietbare Ziel des Sozialismus. Die¬ses ist nicht mit Laisser-faire zu erreichen, sondern mittels bewuter Organisation, gemein¬schaftlicher Entscheidung und mit sozialer Verantwortung.(Vgl. Meyer, 1991a, S.213 und Meyer, 1991b, S.56f.) Dabei geht es Bernstein nicht darum, die gesamte Wirtschaft zu verstaatlichen. Ziel ist ihm die Selbstbestimmung der Arbeiter.(Vgl. Meyer, 1991a, S.210) Es bedarf der gleichberechtigten Teilhabe an allen Entscheidungen. Sie stellt eine Voraus¬setzung fr eine Freiheit aller da. Fr Bernstein ist Demokratie der hchstmgliche Grad von Freiheit fr alle; er sieht in der Demokratisierung eine Form der Verwirklichung des Sozialismus.(Siehe Kleger, 1994, S.113) Bernstein steht fr eine soziale Emanzipation der Arbeiterschaft ein.(Ebd. S.114) Die Arbeiter brauchen eine \"Schule der Selbsterfahrung\" (zu Erlangen durch parittische Mitbestimmung in den wirtschaftlichen und sozialen Be¬reichen sowie selbstorganisierten Genossenschaftswesen), um die dem Kapital entrissenen Hoheitsrechte auch wirklich ausben zu knnen.(Vgl. Meyer, 1991a, S.214)
Kennzeichend fr Bernstein ist, da er nicht mehr wie Marx davon ausgeht, da der Kapitalismus zusammenbricht und an seiner statt der Sozialismus sofort zur Entfaltung kommt. Nachzuweisen war dagegen eine wachsende Marktkontrolle und ein wachsendes Einkommen der Arbeiter, was mithin die Verelendungstheorie negierte. Er erkannte, da eine Revolution ungeeigenet ist, politische Demokratie zu installieren.(Vgl. Meyer, 1991a, S.209f.) \"An die Stelle dieser Zuspitzungen, Automatismen und Vereinfachungen tritt die Leitidee eines gradualistischen Reformprozesses\"(Kleger, 1994, S.118). Dabei stellt der Sozialdemokrat auf die Lernfhigkeit der Menschen ab. Im Gegensatz zu Engels und Marx ist bei ihm nicht der Weg wissenschaftlich \"fundiert\" und begrndet vorgegeben. Es geht nicht um Umsturz, sondern um schrittweise reflektierte Transformation. Dabei sind Menschenrechtsgarantie und Pluralismus \"zugleich Ziel des Sozialismus und unabdingba¬rer Rahmen fr den Fortgang der gesellschaftlichen Reform.\"(Meyer, 1991b, S.58)
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