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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die zwanziger jahre



Thurneysen: Predigtanfang, Predigtfortgang, Predigtschluß zwanziger Jahre - Aufbruch der Theologie - Gestalt(ung) der dialektischen Theologie "[...] Grundcharakter wahren Predigens [...

    ] die Bezeugung! Predigen heißt nicht von sich her etwas vertreten oder beweisen oder gar anpreisen und beteuern wollen - das wäre Verrat an der Predigt. Predigen heißt: etwas ausrichten, das mir selber übertragen worden ist. Lebendig ausrichten, mit der ganzen Kraft, die in einem lebt, aber ausrichten! Briefträger sein wollen und nichts anderes! Man kann alle Entgleisungen der Predigt der Kirche darauf zurückführen, daß die Lehre der Väter von der Alleinherrschaft Christi in seinem Wort und durch sein Wort nicht mehr aufgerichtet ist in der Kirche. Man hat kein Vertrauen mehr zu diesem Wort allein, und so sucht man ihm nachzuhelfen durch allerlei rhetorische und psychologische (vielleicht auch liturgische!) Künste. So wird die moderne Predigt der protestantischen Kirche zu einer Karikatur der katholischen Predigt, die allerdings darum ruhig glaubt entgleisen zu dürfen in Moralpredigt und Weltanschauungspredigt, weil sie ja das Meßopfer hinter sich hat, durch das Christus und sein Werk schon zur Geltung komme.\" Daraus ergibt sich dann, daß von Thurneysen wenig stilistische und formale Handreichungen zur Predigteröffnung zu erwarten sind, vielmehr gilt es ihm keine Zeit zu verschwenden, keine langen Rampen und ausschweifende Umwege zu bauen, sondern ohne Zaudern und Anlaufnehmen "schon mit dem ersten Satz in den Text hineinzuspringen und von dieser Sache her an den Hörer heranzutreten\".

     Gottes Wort ist "Neues, Ungeahntes, in seiner Substanz an nichts vorhandenes Anzuknüpfendes\", die Situation der Predigt daher geprägt von "Neuheit und Fremdheit\", die nicht von vornherein gemildert werden muß, die nicht gemildert werden darf. Darum sind "alle sonst so häufig in der Homiletik empfohlenen Einleitungen zu verwerfen\". Damit stehen wir aber noch lange nicht mit leeren Händen da, denn "wem diese Sache [dh. die des Textes] groß und drängend vor Augen steht, der wird auch gar nichts anderes im Sinn haben, der wird darauf brennen, sie emporzuheben [...

    ] und zu entfalten und auszubreiten. Der ist der müßigen Sorge enthoben, irgendetwas Interessantes oder Geistreiches auszuhecken, um seine Zuhörer willig zu machen zum Aufmerken. Der wird also so oder so mit dem ersten Satze seiner Predigt schon im Haus des Textes drinstehen, um dann in wohlgeordneter Weise dessen Räume und Stockwerke mit der Gemeinde zu durchschreiten.\" Dabei ergibt sich die Anordnung des Rundgangs allein aus der Struktur des Textes, aus seiner inneren Architektonik, die zu erkennen erster Schritt der Exegese sein soll. Ergibt sich die Einleitung nicht bereits aus dem eigenen Besuch des Predigers im Gebäude des Textes, soll er es verlassen und noch einmal hineingehen, solange und sooft , bis er den Weg durch alle Räume gefunden hat, auf den er dann in der Predigt die Gemeinde mitnimmt. So ist Thurneysen auch sicher, "daß das Schicksal der ganzen Predigt sich schon in den ersten Sätzen entscheidet\", aber nur insofern, als daß "sich schon in den ersten Sätzen kundtut, ob dem Prediger der Text sich wirklich erschlossen hat.

    \" Wenn das geschehen ist, kommt der Prediger auch nicht mehr in die Versuchung, nur gewisse Gedanken, die er im Text gefunden hat, schmackhaft und interessant einzuführen und darzulegen, sondern er bringt "locker und in einer gewissen Freiheit\" "den Text selber möglichst fließend und in der ihm eigenen Bewegung der Gedanken zum Reden und zwar zu uns hin\". Den Predigtanfang setzt also der Text selbst, dies kann sein erster Vers sein oder auch jeder andere, ganz wie es seine Architektur vorgibt, es kann das Zitat sein oder auch bereits das Durchschreiten seines Raumes. Predigtanfang Predigtgeschehen Josuttis: Über den Predigtanfang 1964 - erster Aufsatz zur Homiletik (als praktizierender Pfarrer) Wie muß eine Rede gestaltet sein, die die befreiende Kraft von Gotteserfahrung ermöglichen soll ? * Aller Anfang ist schwer und entscheidend, er determiniert das Folgende. * Der Anfang beschränkt die Fülle auf das erste Wort, das die anderen wie selbstverständlich nach sich zieht. * Treue gegenüber dem Text & Aufmerksamkeit des Hörers stehen auf dem Spiel. * Die Predigt steht in der Liturgie.

     * Die Einsicht in die Vorläufigkeit unseres Tuns schenkt uns Freiheit. * enge Verbindung zwischen Predigtgehalt und Predigtgestalt. Tip: Der erste Satz soll auf jeden Fall kurz sein. Tip: Der erste Satz sollte nach Möglichkeit inhaltlich offen sein. (zum Weiterhören anregen, aufmerken lassen) Tip: Kunstgriffe verbrauchen sich durch Wiederholung. 1.

     textbezogener Predigtanfang textgerecht, der Zugang zum Text wird nicht durch die Person des Predigers oder die Verhältnisse der Gemeinde verstellt. Nie ganz falsch und immer zu rechtfertigen. * 1.1 Charakterisierung des Textes "Dis ist ein schon reich Euangelium, davon viel zu predigen were, aber es ist zuviel auff einen bissen\" "Das ist wirklich einmal eine Geschichte. Eine Geschichte - 'wie sie im Buche steht!' \" (1Sam 17) "Was wir eben verlesen haben, ist die Geschichte der Berufung des größten Propheten im Alten Testament, des Propheten Jesaja.\" (Jes 6) "Was für ein bestürmender Ton klingt in diesem Prophetenwort auf!\" "Immer wieder, liebe Brüder und Schwestern, wenn ich diesen Text höre oder lese, ist meine erste, gleichsam besinnungslose Empfindung: Wie schön! Wie über alle Maßen schön!\" * 1.

    2 Einführung in seine historische Situation (Vorliebe jüngerer Theologen) "Es ist Landtag in Sichem. Der jahrhundertelang dauernde Prozeß der Seßhaftmachung Israels ist abgeschlossen.\" (Jos 24) "Liebe Gemeinde, diese Worte sind einmal an Leute geschrieben worden, die aus dem Judentum stammten. Deswegen wird darin auf eine Einrichtung Bezug genommen, die es in dieser Form bei uns nicht mehr gibt, nämlich auf das Amt des Hohenpriesters.\" (Hebr 2,17) "Sie waren in der Römergemeinde miteinander in Streit geraten, so, wie wir auch manchmal in Streit geraten in der Gemeinde, in einem Kreis, in einer Synode.\" (Röm 14,7-13) 1.

    1 und 1.2 führen den Text in seiner Distanz zum Hörer ein, das Zusammenführen der beiden erfordert nun aber einiges Geschick. Zwar ist das intellektuelle Verstehen des Textes und seiner Situation Vorgeschehen zur eigenen und existentiellen Annahme, es besteht aber die Gefahr eines Bruches in der Predigt zwischen Auslegung und Anwendung. * 1.3 direkte Texterklärung (Wiederholung, Neuformulierung, Erläuterung) "Unser Psalm beginnt mit einer Entdeckung, mit einem Ausruf der Freude und Überraschung: 'Wohl dem Mann'!\" (Ps 1) \"Jesus gratuliert den Trauernden, denen, die da Leid tragen, buchstäblich denen, 'deren Schmerz sich in seufzenden Worten oder lautem Schreien äußert'. Da sagt Jesus: sie sind glücklich.

    \" "Mit Recht sagt man, das Füßewaschen sei damals ein so niedriger Dienst gewesen, daß er nur von Sklaven verrichtet werden durfte.\" (Joh 13,1-17) "So still hielt Er also, - so unendlich still. So still hält Gott, in dieser seiner Welt - so unfaßbar still. Eigentlich möchte man kein Wort darüber reden, sondern nur hören, im reinen Hören nur dahin blicken, wo Er so still hält.\" (Jes 53,7) "Liebe Gemeinde. 'Tröstet einander, erbaut einer den anderen.

    '\" (1Thess 5,9-15) * 1.4 direkter Bezug zum Hörer "Das eben verlesene Evangelium setzt mit der Schilderung einer Situation ein, die uns aus eigener bitterer und schwerer Erfahrung zur Genüge bekannt ist: Maria Magdalena steht am Grabe Jesu und weint.\" (Joh 20,11ff) 2. Gemeindebezogener Anfang * 2.1 Kennzeichnung der gegenwärtigen Situation der Gemeinde. Beliebt aber gefährlich: das Kirchenjahr.

     Heiligabend: "Dies ist der Abend der enthüllten Geheimnisse! Welch ein unvergeßlicher Augenblick, wenn das Glöcklein erklingt und die verschlossene Weihnachtsstube sich endlich auftut, von Vater und Mutter liebevoll geschmückt, daß man unversehens eingetaucht ist in Wärme und Licht und einen unbeschreiblichen Duft! Welche Seligkeit, wenn dann der Gabentisch aufgedeckt wird, daß sich die bunte Fülle der schönen und nützlichen Geschenke dem Auge darbietet, das gar nicht alles fassen kann! Oder wenn die großen und kleinen Päckchen ihrer Hüllen entledigt werden dürfen!\" Kitsch trägt das falsche Vorverständnis heran. Ebenso zu verwerfen wäre die Kritik am profanen Weihnachtstreiben, die zunächst zu einer Entfremdung führt. Positiv ist dagegen: "Jetzt wird die Tür zur Freude geöffnet, jetzt wird uns nicht mehr erlaubt Trübsal zu blasen, sondern wir werden am Arm gefaßt und hereingezogen in diesen Stall, und es wird uns gesagt: Kinder, freut euch doch! Es ist etwas zum freuen da!\" (Lk 2,1ff) Beliebt und zum Scheitern verurteilt: die Verlegenheit des Predigers: "Bei einem Gottesdienst am Landesbußtag ist die Gefahr wohl besonders groß, daß der Mann auf der Kanzel, wie man zu sagen pflegt, eine Predigt zum Fenster hinaus hält.\" "Ein Wort von der Kirche her soll ich sagen zum 1. Mai. Ist das recht? Drängen wir uns damit nicht in eine Sache hinein, die uns nichts angeht?\" Hier wird die Redelast des Predigers auch der Gemeinde aufgelastet.

     * 2.2 Verhältnis der Gemeinde zum Text altbekannte Texte wie z.B. das Gleichnis vom Säemann oder vom verlorenen Sohn "Liebe Brüder und Schwestern, so bekannt wohl den meisten unter uns diese Pfingstgeschichte sein dürfte - so wenig 'verstehen' wir sie, wenn wir ehrlich sind, so schwer ist uns doch im Grunde genommen der Zugang zu ihr.\" Ebenso unzumutbar ist die Aufforderung, das altbekannte neu zu hören, es aufzunehmen, als habe man es nie zuvor gehört. Das ist und bleibt die Aufgabe des Predigers.

     * 2.3 direkte Konfrontation des Hörers mit dem Text "Hast du in einer kalten Herbstnacht im Walde das durchdringende Schreien eines Hirsches gehört?\" (Ps 42) "Laßt uns, Brüder, die Gnade Gottes preisen! Denn dazu sind wir heute zusammengekommen.(...) Wir wollen Gott preisen, weil er einen großen Wandel mit uns vorgenommen hat.

    \" (Tit 3,3ff) 3. Anfang von außen her * 3.1 Inhalt des Textes und Interessen der Gemeinde treffen sich in einer dritten Größe, meist einem Leitgedanken in abstrakter Begrifflichkeit. "Die Geschichte von dem Propheten Elia und dem König Ahab sowie der Königin Isebel ist eine Station in der langen Reihe der Spannungen zwischen Glaube und politischer Macht.\" (1Kön 19,1ff) * 3.2 Darlegung eines allgemeinen, aber konkretisierten Sachverhalts, 'Es-gibt-Beginn', Spruch oder Zitat.

     "Es gibt ein bestimmtes Lebensalter, in dem alle Diskussionen über Gott, die Welt und das Leben immer wieder bei der Rätselfrage enden: Was ist der Sinn des Lebens?\" (Gal 4,1ff) "Der Eskimo Rasmussen in Grönland geht mir nicht auf die Nerven, vielleicht aber der Mitteleuropäer, mit dem ich täglich zusammen bin, der mich in meinen Kreisen stört.\" (Mt 11,6) * 3.3 Beispielgeschichte meist mit Zeitangabe, sehr oft in der Person des Predigers. "Neulich hingen an allen Plakattafeln öffentliche Bekanntmachungen. Sie riefen zum erstenmal Angehörige des Jahrgangs 1937 zur Musterung. Man kann wohl einige Male so tun, als ob man eine solche öffentliche Bekanntmachung nicht gelesen hätte.

     Aber keiner kann sich den Folgen des Gesetzes entziehen, das dahintersteht. - 'Höret des Herrn Wort!' - so ruft der Prophet Hosea in einer öffentlichen Proklamation aus.\" (Hos 4,1ff) Die Geschichte kann dem Text auch entgegenstehen, ihm als Gesprächspartner und Vergleich dienen. * 3.4 Modell allgemeine Wahrheit, im ganz Konkreten vollkommen transparent. "Schlesien, 1946, Dritter Juni: Gerhart Hauptmann, vierundachtzigjährig.

     Rückfall nach dreimaliger Lungenentzündung. Aus einem Dämmaerzustand erwachend, letzte Worte: ; Bin - ich - noch - in - meinem - Haus -?' - Ein Haus zu leben, ein Haus zu sterben, auf Erden ein Haus zu bewohnen, das gehört offenbar zum Menschsein.\" (Ps 84,5) Oder als Gegenpol zum Text: "Wie wird es sein am Ende der Welt? - Wird am Ende ein großer Atompilz stehen, wo heute die Erde ist?\" (Offb 1,9ff) PS. Es sollte jetzt nicht der Eindruck erweckt werden, Josuttis stehe Thurneysen gegenüber. Ganz im Gegenteil heißt es nämlich zum Schluß des Aufsatzes: \"Das Wort Gottes geschieht. Daß es geschieht, wird durch keine Form, durch keine Kunst garantiert.

     Das wird garantiert allein durch die Verheißung, daß Gott auch zu uns reden will. Bei aller Mühe und Schwierigkeit, die uns der Predigtanfang bereiten mag, ist der bittende Gedanke an diese Verheißung das einzig Notwendige am Beginn unserer Predigt.\" PPS. katholische Predigt: Das ist ein mir wirklich ungenehmes Zitat, das aber nunmal leider so im Original steht. Ich bedaure diesen Seitenhieb und sehe ihn als sehr subjektive Beurteilung, die ich nicht teilen kann.

 
 

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