Neben dem Urteil im Schattendorfer Prozeß gab es auch noch eine Reihe von gesellschaftlichen, politischen und ideologischen Widersprüchen:
1. Da schon öfter bei ähnlichen Vorfällen Menschen, meist Arbeiter, getötet wurden, und ihre Mörder meist freigesprochen, bzw. eine recht mild aussehende Bestrafung erfahren durften, wurde nun durch die offensichtliche Einsehbarkeit der Verschuldensfrage das elementare Gerechtigkeitsgefühl der Arbeiter herausgefordert.
2. Während das wohlhabende Bürgertum und die Bauern durch den wirtschaftlichen Aufschwung profitierten, sank die Arbeitslosenrate kaum unter die 10%-Marke.
3. Die politische Vertretung der Arbeiterschaft befand sich weiterhin auf dem Rückzug, obwohl die SDAP bei den Frühjahrswahlen 1927 sowohl an Stimmen als auch an Mandaten dazu gewonnen hatte (Enttäuschung bei der Arbeiterschaft war groß darüber, daß die bürgerlichen Parteien mit den Sozialdemokraten keine Koalitionsregierung eingehen wollten.).
4. Durch die unintelligente Haltung der sozialdemokratischen Partei bezüglich Gewalt in der Politik, unterblieb im politischen Bewußtsein ihrer Anhänger die Bildung einer klaren Vorstellung vom Wesen der Demokratie.
5. Die Sozialdemokratische Führung äußerte sich nicht zu dem Freispruch im Schattendorf-Prozeß, und somit war ihren Anhängern zunächst auch unklar wie sie sich zu verhalten hatten.
6. Die Exekutive war, wie die sozialdemokratische Parteiführung, nicht auf Massenproteste dieses Ausmaßes gefaßt und griff somit zu untragbaren Mitteln um diese zu beenden.
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