Mit der Einrichtung der Provinzen Achaia/Macedonica 146 und Asia 129 erweiterte Rom seinen direkten Macht- und Einflußbereich im hellenistischen Osten beträchtlich. Dabei besaß die römische Provinzialpolitik in Kleinasien eine zentrale Bedeutung für das immense Anwachsen der Piraterie, die in diesem Teil des Mittelmeeres schon seit langer Zeit verhaftet war (vgl. Thuk.). Das in diesen Provinzen praktizierte dualistische Administrationsprinzip brachte für die Oberschicht eine starke finanzielle Belastung mit sich, gerade das sehr reiche Asia war neben den ansässigen politisch-militärischen Funktionsträgern auch den römischen publicani als wichtige Repräsentanten eines ausschließlich auf ökonomischen Interessen aufgebauten Systems der Gewinnmaximierung ausgeliefert. Folge davon war eine unangemessene Ausplünderung weiter Landstriche und eine u.a. daraus resultierende, tief verwurzelte anti-römische Einstellung der Provinzialen, mit dem Ergebnis, daß die Zuwendung zur Piraterie als naheliegende Möglichkeit des Lebensunterhaltes prosperierender Schichten gesehen wurde, und zwar nicht nur aus Motiven eines unmittelbaren Existenzerhaltes, sondern wahrscheinlich auch als Ausdruck politisch-militärischen Widerstandes gegen die römische Okkupation und politische Einflußnahme.
Obwohl speziell zu diesem Aspekt in den Quellen keine direkten Aussagen zu finden sind, kann man doch anhand einiger Indizien Rückschlüsse auf eine politisch motivierte Seeräuberei gegen die römische Herrschaft gerade im 1. Jh. ziehen. Zunächst gilt es festzuhalten, daß sich die Piraten über eine rein individuelle Existenzsicherung hinaus als eine größere, relativ eng verbundene Solidargemeinschaft verstanden haben. So schreibt Appian (App. Mithr. 419ff), daß die Bezeichnung ´Kilik´ im Laufe der Zeit immer mehr zu einer Sammelbezeichnung für, obwohl unterschiedlicher ethnischer Herkunft, in Kilikien ansässige Menschen wurde. Kilikien war aufgrund seiner geostrategisch sehr günstigen Lage zu dieser Zeit ein großer Piratenstützpunkt und diente als Basis für prinzipiell gleichgesinnte Menschen aus aller Herren Länder, besonders auch für Flüchtlinge des 1. Mithridatischen Krieges (Cass. Dio 36, 22, 4). Ein solches Solidargefühl bestätigt auch Cassius Dio (Cass. Dio 36, 20, 4), indem er schreibt, daß sich die kilikischen Seeräuber, ohne sich persönlich zu kennen, bei Bedarf mit Material und Mannschaften unterstützt hätten und sogar eine informelle Symmachie zwischen ihnen bestanden habe. Das kann man auch daran erkennen, daß sich die Kilikier nach außen hin weniger als Seeräuber denn als militärisch strukturierter, staatsähnlicher Verband gesehen haben, dessen innerer Zusammenhalt nicht unerheblich aus einer spezifisch anti-römischen Grundhaltung entsprang. Widersacher Roms, wie etwa Mithridates VI., Sertorius oder Spartacus, wandten sich dementsprechend auf der Suche nach natürlichen Bundesgenossen auch an die Kilikier. Desweiteren galt Italien - vor allem natürlich wegen der dort vorhandenen Reichtümer - als vorrangiges Ziel der kilikischen Attacken. In der Piraterie an sich und den organisierten und entschlossenen kilikischen Piraten insbesondere besaß das Rom des 1. Jh. also einen Feind, auf den es früher oder später reagieren mußte.
Nun befand sich die römische Führung aber aufgrund der immer bedrohlichere Ausmaße annehmenden Piraterie in einer schwierigen Lage, denn mit der bestehenden aristokratisch-republikanischen Verfassung war dem nach einer Lösung verlangenden Problem nicht beizukommen. Nach Pohl zeigt das die Tatsache, daß sich theoretisch gerade durch eine veränderte Verwaltung der entscheidenden Provinz Asia die sozioökonomische Grundlage des Seeraubs hätte wesentlich beschneiden lassen, dieser Schritt allerdings aufgrund des großen politischen wie sozialen Drucks einflußreicher, ausschließlich wirtschaftlich orientierter Gruppen - allen voran die publicani - nicht gewagt werden wollte. Diese Erklärung ist etwas zu einfach und läßt außer Acht, daß die Piratenanführer gerade nicht aus den armen Schichten der Bevölkerung stammten, eine Veränderung der sozioökonomischen Verhältnisse also nicht ausschlaggebend für die Eindämmung der Piraterie gewesen wäre, sondern eher eine Neuordnung und Stabilisierung der östlichen Herrschaftsverhältnisse und somit der staatlichen Ordnungsmacht Roms, was ja erst 67 geschehen ist. Nicht zu verleugnen sind darüber hinaus auch die eigenen, engen Verstrickungen der Senatsoligarchen in wirtschaftliche und politische Umtriebe in den Provinzen und mit den Piraten (Sklavenhandel), sodaß die politischen Entscheidungsträger im Grunde genommen keinerlei ernsthafte Motivationen zu einer Änderung der Provinzialadministration besaßen oder zu entwickeln wußten.
Und doch mußten Entscheidungen getroffen werden, denn den Dingen weiterhin ihren Lauf zu lassen, hätte einen erheblichen Prestigeverlust der aristokratischen Führungsschicht in den Augen der gesamten Reichsbevölkerung bedeutet, die durch die Blockade der maritimen Verkehrs- und Handelswege stark eingeschränkt wurde. Weit bedrohlicher war bei dieser Konstellation die Stimmung der von Importen abhängigen plebs urbana, die ja zugleich auch in den contiones den aktiven Teil unter den cives Romani bildete und durch fehlende Getreideversorgung nicht mehr in der urbs bleiben und damit einhergehend an den Volksversammlungen teilnehmen konnte.
Dieses Dilemma bot dem Senat nahezu keinen befriedigenden Ausweg, und es ist für die Situation der späten Republik bezeichnend, daß die Fäden zu den wesentlichen Entscheidungen des Jahres 67 hinter dessen Rücken gezogen wurden.
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