Der Flick-ProzeßDer Flick-Prozeß war der zweite Prozeß gegen Angeklagte aus der Privatindustrie im Rahmen des Kriegsrechts und der erste, in dem ein rechtskräftiges Urteil gefällt wurde. Friedrich Flick und fünf seiner Hauptmitarbeiter wurden beschuldigt, viele Tausende von ausländischen Staatsangehörigen, und zwar Konzentrationslager-Insassen und Kriegsgefangene, unter unmenschlichen Bedingungen in die Flick-Bergwerke und -Fabriken deportiert zu haben. Der zweite Anklagepunkt beschuldigte alle außer einem Angeklagten der Ausraubung von Fabriken und anderem Eigentum in Frankreich und Rußland. Im dritten Anklagepunkt ging es unter dem Punkt \"Verbrechen gegen die Menschlichkeit\" um die Teilnahme an der Judenverfolgung und zwar durch Fortnahme (Arisierung) von begehrenswertem jüdischen Industriebesitz und von Bergwerken. In Punkt vier wurden Flick und sein Hauptmitarbeiter Otto Steinbrick beschuldigt, an den Verfolgungen und an anderen Greueltaten durch Zahlung umfangreicher Summen an die SS mitgewirkt zu haben. Die Hauptargumente der Verteidigung waren, daß alle Industriellen im \"Dritten Reich\" in Furcht vor der Nazi-Tyrannei lebten und daß sie gezwungen waren, Zwangsarbeiter zu beschäftigen.
Die Beziehungen der Angeklagten zu Himmler und ihre scheinbare Übereinstimmung mit der Rassenideologie wurden als Tarnung hingestellt, von Flick beschrieben als \"mit den Wölfen heulen\" und nur darauf abgestellt, ihre Stellung zu erhalten. Im Flick-Prozeß hörte man zum erstenmal ganz deutlich in den Schlußworten der Verteidigung ein Thema, das immer mehr bei der Verteidung in Nürnberg tonangebend wurde: das deutsche Verhalten während des Zweiten Weltkrieges sei nicht tadelnswerter als das der alliierten Nationen; Zwangsarbeit und wirtschaftlicher Diebstahl sei nicht strafwürdiger als die Bombardierung von deutschen Städten durch die Alliierten; deutsche Übergriffe sowie die Greueltaten gegen die Juden könnten mit denen auf alliierter Seite verglichen werden; als Beispiel wurden die Bombardierungen der letzten Kriegstage angeführt. Das Urteil wurde am 22. Dezember 1947 verkündet und war äußerst milde und versöhnlich. Das Gericht erkannte die Argumente der Verteigung und der Angeklagten an.(62)Der Krupp-ProzeßAlfried Krupp war zusammen mit 11 seiner Beamten angeklagt.
Die Anklageschrift legte u.a. dar, daß die Firma Krupp eine führende Rolle in dem geheimen und illegalen Wiederaufrüstungsprogramm unter der Weimarer Republik gespielt, Hitlers Machtergreifung unterstützt, die deutsche Industrie nach Naziprinzipien organisiert und bewußt und gewollt an der Wiederaufrüstung Deutschlands zum Zwecke ausländischer Eroberungen mitgearbeitet habe; ferner \"als ein integrierender Teil der Angriffshandlungen\", \"Eigentum und Hilfsquellen von besetzten Ländern gestohlen und ausgebeutet sowie Staatsangehörige dieser Gebiete versklavt habe\". (63) ( Siehe dazu das Dokument zu Krupp im Anhang)Der IG-Farben-ProzeßDer IG-Farben-Prozeß war der größte der industriellen Prozesse. Alle Angeklagten wurden wegen der gleichen Verbrechen wie die Krupp-Angeklagten vor Gericht gestellt: Planung und Durchführung von Angriffskriegen, Verschwörung zu diesem Zwecke, wirtschaftliche Ausraubung und Zwangsarbeit und Versklavung von Kriegsgefangenen, Deportierten und Konzentrationslagerhäftlingen. Außerdem wurden drei Angeklagte noch wegen Mitgliedschaft in der SS angeklagt.
Nach Auffassung der Anklagebehörde wog das Beweismaterial gegen die IG-Farben-Angeklagten am schwersten soweit Industrielle auf der Anklagebank saßen. Dies galt besonders für die Anklagepunkte Angriffskrieg und Verschwörung dazu; die Staatsanwaltschaft war überzeugt, ihr Material beweise, daß die Leiter von IG-Farben lange vor Hitlers Machtergreifung eine Diktatur wünschten, die \"handeln konnte, ohne Rücksicht auf die Launen der Massen nehmen zu müssen\" und, daß sie die Beherrschung der gesamten europäischen chemischen Industrie anstrebten, wenn möglich auch außerhalb Europas. Noch bevor Hitler die Macht an sich riß, hatte IG-Farben mit ihm Abmachungen für eine Regierungsunterstützung zur Ausdehnung ihrer Anlagen für synthetisches Gasolin abgeschlossen. IG-Farben unterstützte Hitlers Machtübernahme und die Festigung seiner Gewalt durch weitgehende finanzielle Zuwendungen und durch systematische Propaganda. IG-Farben arbeitete aufs engste mit Hitler und den deutschen militärischen Führern zusammen und nahm bereitwillig an der Planung für den Aufbau einer gigantischen deutschen Armee und Luftwaffe teil. Im Kampf zwischen Hjalmar Schacht, der fürchtete, daß die unbegrenzte Wiederaufrüstung Deutschlands finanzielle Stabilität gefährden könne, und Göring, dem Vorkämpfer einer Wiederaufrüstung, die alle finanziellen Erwägungen beiseite ließ, stellte sich IG-Farben mit dem ganzen Gewicht hinter Göring.
IG-Farbens Hauptangeklagter, Carl Krauch, war Görings direkter Berater und der führende Mann der gesamten chemischen Industrie. Görings Vier-Jahres-Plan war zu 75 Prozent ein Farben-Projekt. Die Leiter der IG-Farben wußten infolge ihrer strategischen Position auf dem Gebiet der Produktion von Gummi, Benzin, Giftgas, daß die Wiederaufrüstung bei weitem jeden vorstellbaren Verteidigungszweck überstieg. IG-Farben entwickelte seine eigenen Pläne für die Aufsaugung der chemischen Industrie in den von Deutschland zu überfallenden Ländern, und zwar gleichzeitig mit den militärischen Plänen, und setzte sie sofort in Aktion, nachdem die einzelnen Eroberungen abgeschlossen waren. IG-Farbens Beratungen mit den militärischen und politischen Führern überstiegen bei weitem das Gebiet der technischen Angelegenheiten und waren äußerst aggressiv und in jeder Beziehung auf Krieg gerichtet. (64) All diese Beweise machten jedoch auf zwei der drei Richter wenig Eindruck.
Das Urteil des Gerichts vom Juli 1948 sprach alle Angeklagten vom Vorwurf der Verschwörung, der Planung und Durchführung von Angriffskriegen frei.
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