Die führenden ideologischen Köpfe der RAF waren über die Theorie und Pragmatismus nicht in allen Belangen einig. Grundlegender Streitpunkt war die Frage des revolutionären Subjekts, das heißt, wem die Aktionen der avantgardistischen Bewegung dienen sollten. Horst Mahler vertrat hierbei die Meinung, daß das westliche Industrieproletariat als "interessiert unterstellter Dritter" entfallen müsse, vielmehr hätten sich die Aktionen der Gruppe an den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt zu orientieren. Im Gegensatz dazu hoffte und vertraute Ulrike Meinhoff auf das wachsende revolutionäre Bewußtsein der Massen in den kapitalistisch orientierten, westlichen Industrieländern. Tatsächlich ist die Suche nach dem revolutionären Subjekt ein ständiger zentrales Anliegen in der Geschichte der RAF gewesen. Und er hat sicherlich auch mit zur Auflösung der Vereinigung geführt, da sie es nicht vermochte, dieses greifbar zu machen, beziehungsweise es dieses Subjekt gar nicht gab. So ist es auch nicht verwunderlich, daß sich die Gruppe mehr und mehr selbst thematisierte. War zu Beginn noch der Kampf im Auftrag des Volkes geführt worden, so richtete sich im weiteren Verlauf die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf die Freipressung inhaftierter Genossinnen und Genossen. Während zu Beginn noch hauptsächlich Bombenanschläge auf strategische Stützpunkte der US-Armee und NATO im Mittelpunkt der Aktionen standen, so wandelte sich dies mit der Zeit in Form von Entführungen und gezielten Mordanschlägen auf einzelne Personen mit dem Höhepunkt 1977, dem Deutschen Herbst.
Es muss trotz der Vielzahl der Papiere, die die RAF im Laufe ihrer blutigen Geschichte veröffentlicht hat, festgestellt werden, dass sie keine konkreten Gesellschaftsentwürfe vorstellte und somit in einer rein destruktiven Opposition zu den bestehenden Gesellschafts- und Machtverhältnissen der BRD stand. Dieser Umstand mag sowohl auf den Primat der Praxis zurückzuführen sein als auch auf die Uneinigkeit der Gruppe bezüglich ihrer Theorien.
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