Alle Maya-Städte waren Stadtstaaten, die ihre eigenen Herrscher hatten. Ihre Größe entsprach in etwa der einer griechischen Polis, also einer Stadt mit ihrem Umland. Untereinander führten diese Stadtstaaten zahlreiche Kriege, durch die die Herrscher gerne ihre Macht demonstrierten.
3.2.1 Palenque
Palenque war die westlichste der großen Maya-Städte und erstreckte sich 2km in ost-westlicher Richtung auf den ersten Hügeln der Sierra Madre. Das Stadtbild zeichnete sich durch besonders feine, helle Architektur aus - anders als bei den meisten Siedlungen. Die Mauern waren mit reichen, zum Großteil farbigen, Reliefs bedeckt, die die Herrscher und ihre Familien darstellten. Heute sind nur noch wenige dieser Reliefs erhalten. Im Zentrum von Palenque stand der große Palast mit einem für die Region einzigartigen, quadratischen Turm.
Über die ersten Herrscher Palenques ist wenig bekannt. Sie glaubten von sich, daß eine Trinität Götter ihre Vorfahren waren. Am 28.März 397 n. Chr. taucht in den hieroglyphischen Chroniken ein Mann namens Bahläm-K'uk' auf. Er kam mit 34 Jahren auf den Thron. Sein Nachfolger war Kaspar (ein Name, der ihm von Forschern gegeben wurde); ihm folgten acht weitere Staatsoberhäupter.
Der berühmteste Herrscher von Palenque war Pacal, genannt Pacal der Große. Außer-gewöhnlich ist, daß nicht sein Vater, von dem man nur wenig weiß, sondern seine Mutter vor ihm geherrscht hat. Pacal selbst begann seine Regentschaft mit 13 Jahren, obwohl seine Mutter noch lebte (sie starb erst 20 Jahre später). Bis zu diesem Zeitpunkt war Palenque eine eher unbedeutende Stadt. Unter Pacal erlebte die einstmals kleine Siedlung einen wirtschaft-lichen und vor allem architektonischen Aufschwung. Er und später seine Söhne ließen Tempel und Häuser bauen und entwickelten die Stadt zu einer Maya-Metropole.
Unter Pacals Söhnen entstand auch der quadratische Turm des Palastes. Bis zu seinem Lebensende wickelte Pacal alle Staatsgeschäfte Palenques ab - mit 80 Jahren starb er verhältnismäßig alt (das Durchschnittsalter betrug damals zwischen 40 und 50 Jahren!). Pacal wurde in einem eigens für ihn erbauten Tempel, dem Tempel der Inschriften, begraben. Archäologen fanden reiche Grabbeigaben - eine Jademaske und viele Jadefiguren an seiner Seite - und einen kunstvoll verzierten Sargdeckel (Abbildungen 3.2.1a und 3.2.1b). Sein Tempel enthielt, wie alle, ein pib-na, ein sogenanntes Untergrund-Haus (ein heiliges Haus, das unterirdisch in einer Kammer stand). Die Steinplatten dieser Häuser erzählen die Geschichten der ersten Götter und des Herrschers, dem das pib-na gewidmet ist. Auf einer von Pacals Platten sah man die - aus Sicht der Maya - wichtigsten Eigenschaften eines Königs, symbolisch dargestellt:
-) der Weltenbaum : er steht für die Fähigkeit, sich in die Unterwelt zu begeben und mit den
Göttern Kontakt aufnehmen zu können
-) die Maisstaude : sie steht für gute Ernte, sowohl für den König, als auch für sein Volk
-) Schild und Speere : sie stehen für die Kühnheit und Tapferkeit des Königs im Krieg
Pacals Sohn Bahlum-Chan übernahm die Nachfolge seines Vaters. Er ließ drei Pyramiden-tempel erbauen, die die Bäume des Urwalds um mehrere Meter überragen - sie sind heute noch relativ gut erhalten. Nachdem auch Pacals zweiter Sohn ein Zeitlang Palenque beherrscht hatte, begann der Niedergang der Dynastie. Um 800 trat der letzte Herrscher seine Regierung an, von ihm sind aber weder Grab noch Steinschriften gefunden worden.
Palenque wurde Anfang des 9. Jhdt. n. Chr. verlassen. Gegen Ende des 18. Jhdt entdeckten die Europäer die Stadt wieder, im 19. Jhdt. unternahmen Stephen & Catherwood eine Expedition zu den Ruinen der mächtigen Stadt. Heute ist sie "Welt-Kulturerbe".
3.2.2 Copán
Copán ist das Gegenstück zu Palenque - die östlichste Stadt des Maya-Reiches. Ihre Lage ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Zunächst liegt Copán an einem Fluß, eine für die Maya merkwürdigerweise untypische Lokalisation (die meisten Städte befanden sich mitten im Urwald). Weiters liegt sie relativ tief, 600m über dem Meeresspiegel in einem Talkessel, was zu einem gemäßigt-tropischen Klima führt, das heißt, die regenreichen Luftströmungen erreichen die Stadt nicht, da sie von den umliegenden Bergen abgefangen werden.
Die Stadt war insofern bedeutend, als daß sie den größten und bekanntesten Ballspielplatz besaß, eine für die Maya wichtige Eigenschaft... (siehe auch Alltagsleben)
Copán wurde von 16 Herrschern nacheinander regiert. Quelle für diese Information bildet der Altar Q, auf dem die Reliefs von 16 Männern gefunden wurden. Anfangs glaubte man, es handle sich um die Abbildung eines Astronomenkongresses, doch seit 1976 gehen die For-scher davon aus, daß es sich um die Darstellung der Herrscherfolge handelt.
Der offiziell erste König war Yäx-K'uk'-Mo. Er gründete die Dynastie in einem damals noch kleinen und armseligen Dorf Copán, genaue Angaben sind jedoch unbekannt. Von den fol-genden Herrschern ist nicht viel mehr bekannt als der Name, der ist aber umso imposanter, man nehme zum Beispiel Gespaltener-Mond Blatt-Jaguar, Rauchender Himmel oder Rauch-Jaguar Imix-Ungeheuer (dies sind freilich nur Übersetzungen).
Einer der wenigen, über die Forscher mehr wissen, ist 18-Kaninchen, er ist zugleich auch der berühmteste Regent von Copán. Nach seiner Thronbesteigung begann eine Zeit besonders prunkvoller Ausgestaltung des Hauptplatzes und des wichtigen Ballspielplatzes.
18-Kaninchen starb einen grauenvollen Tod: Er wurde in Quiriguá gefangengenommen und rituell geköpft. Die Bewohner Quiriguás waren natürlich stolz auf diese Tat und errichteten dem feindlichen Monarchen eine riesige Stele, die man noch heute bewundern kann. Als Hinterlassenschaft an sein Volk ließ 18-Kaninchen sich und seine Frau in Stein meißeln; mit einem langen Text daneben, der Palenque, Copán, Tikal und ein bisher unbekanntes Chan (über dessen Lage seit 30 Jahren gestritten wird) als die Hauptstädte des Maya-Reiches bezeichnet.
Die nächsten Könige fallen wieder nur durch ihre Namen auf: Drei-Tod und Rauch-Hörnchen (die häufige Erwähnung des Rauches in den Namen läßt auf eine große Bedeutung ebendieses schließen).
Bevor der rasche Verfall in Copán einsetzt, tritt Sonnenaufgang seine Regierung an. Sein Leben ist gut dokumentiert. Seine Mutter kam aus dem Herrscherhaus in Palenque; auf diese Art und Weise haben sich das östlichste und westlichste Königreich verbunden.
Im Laufe Sonnenaufgangs Herrschaft wandelt sich das politische System. Seine Brüder treten als große Herren auf und sorgen für ihr Prestige und ihren Reichtum. Doch trotz allem mußte jeder dem Herrscher Hochachtung zeigen; Sonnenaufgang führte ein strenges Regiment.
Das Ende Copáns kommt abrupt. Steinskulpturen werden unvollendet zurückgelassen, Gräber restlos ausgeraubt. Ein Zeichen für fremde Eindringlinge? Forscher sind anderer Meinung, denn ansonsten gibt keinerlei Hinweise auf eine gewaltsame Machtübernahme oder massive Zerstörungen. Fest steht, daß die Stadt gegen 820 n. Chr. verlassen wurde.
3.2.3 Tikal
Tikal liegt im Herzen des Maya-Reiches, umgeben von dichten Urwäldern und heute nahezu unerreichbar. Auch damals war die "Anreise" mühsam - kein befahrbarer Fluß und nur schmale Wege führten dorthin. Doch die Anstrengungen lohnen sich. In Tikal stehen die berühmtesten Ruinen; sechs dicht nebeneinander liegende Pyramiden. Sie erheben sich hoch über den Dschungel (Abb. 1b), der Tempel IV mißt 64 m.
In der Geschichte Tikals tritt eines der merkwürdigsten Mysterien dieser Zeit auf. Eine Epoche der völligen Armut, genannt "Der Hiatus". Aus dieser Zeit sind keinerlei chronolo-gische Aufzeichnungen, dafür aber Hinweise auf Zerstörung und Beseitigung früherer Stelen und Tempel, gefunden worden, Skelettfunde weisen auf starke Unterernährung hin. Der Hiatus dauerte ca. 100 Jahre, so lange zumindest fehlen den Forschern Informationen. Was genau geschah, liegt im Dunkeln.
Bevor der Hiatus einsetzt, gründet Yäx-Moch-Xok um 200 n. Chr. die Herrscherdynastie Tikals. Ihm folgen 4 Regenten; wegen des Namens erwähnenswert Mond-Null-Vogel.
In der Spätklassik steht Tikal wieder in voller Pracht da; die Stadt wurde in jahrzehntelanger Arbeit renoviert. Bei der Namengebung der Herrscher dieser Epoche haben es sich die For-scher leicht gemacht. Sie nannten sie einfach Herrscher A, B, und C. Dazwischen fand man noch einen anderen, Herrscher Z.
"A" hieß eigentlich Ah-Käkäw und nach seinem erfolgreichen Sieg über Chan Ah-Käkäw Chan-Toh. Er trug maßgeblich zur Erbauung der sechs Pyramiden bei und ist in Tempel I begraben, der von allen der größte ist. Das deutet darauf hin, daß Ah-Käkäw der bedeutendste Herrscher der Spätklassik war.
Der richtigen Namen des Herrschers B ist leider nicht bekannt. Aus Hieroglyphentexten geht aber hervor, daß er ein hervorragender Krieger gewesen sein muß. Seine Mutter kam aus dem Königshaus in Chan, ein Hinweis, daß zuerst Krieg geführt wurde und danach (zur Friedens-sicherung?) geheiratet. Sein Vater ist, wie es die Dynastiefolge vorschrieb, Ah-Käkäw gewesen.
Nach A und B bestand Tikal noch etwa 100 Jahre. In dieser Zeit erbrachten Z und C, wahr-scheinlich zwei Brüder, ihre architektonischen Leistungen; Tempel IV wurde von ihnen errichtet. Er ist mit der größten Stuckinschrift ausgestattet, die jemals geschaffen wurde. Die einzelnen Zeichen sind über einen Meter (!) hoch, jedoch durch die starken Regenfälle nicht mehr erhalten. Aus diesem Grund sind Z und C nur schlecht dokumentiert.
Um 850 hören die hieroglyphischen und bildlichen Denkmäler auf, die Prachtbauten verfallen und die Besiedlung nimmt ab. Wenig später ist Tikal vollends verlassen.
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