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Die Situation nach dem Mauerbau
Die Errichtung der Absperrmaßnahmen kam für Bundesregierung, Berliner Senat und Westalliierte überraschend. Obwohl Bundeskanzler Adenauer am Abend des 13. August im Fernsehen zu Ruhe und Besonnenheit aufrief, blieb die Situation unübersichtlich. Die Westalliierten zeigten demonstrative Gelassenheit und fanden sich nicht bereit, mehr als eine Beobachtung der Aktivitäten an der Grenze einzuleiten. Diese viel kritisierte Zurückhaltung der Westmächte, aber auch der Bundesregierung nach der Abriegelung der Grenze, resultierte daraus, dass man mit noch sehr viel weitergehende Maßnahmen rechnete. Gefürchtet wurde nicht nur ein Aufstand in der Ostzone mit unkalkulierbaren Auswirkungen, sondern auch ein unmittelbares Vorgehen der DDR gegen die Verbindungswege nach West-Berlin. Bis dahin hatte die DDR nur zu Mitteln gegriffen, welche die Rechte der Westmächte in Berlin nicht verletzten. Auf westalliierter Seite ging man davon aus, dass ein zu brüskes Vorgehen gegen die Absperrmaßnahmen der Sowjetunion nur einen willkommenen Anlass für Blockademaßnahmen oder für die Einnahme Berlins gegeben hätte. Noch 1948 war die atomare Unverwundbarkeit der USA eine entscheidende Trumpfkarte gewesen, doch die Aufrüstung beider Seiten mit Interkontinentalakten, hatte ein atomares Patt der Supermächte ergeben.
Die Stimmung der Bürger in Berlin brach indessen vollends zusammen. Empörung, Enttäuschung über die Untätigkeit des Westens und die Furcht vor einer ungewissen Zukunft führten zu großen Protestkundgebungen. Schließlich sandte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, einen Brief an Präsident Kennedy, dessen Inhalt und Diktion deutliche Schritte unausweichlich machten. Aber erst als diese auch für den auf Hochtouren laufenden Bundestagswahlkampf bedeutsame negative Entwicklung schon offenbar war, ergriff man in Bonn und Washington psychologische Gegenmaßnahmen. Der Deutsche Bundestag wurde zu einer Sondersitzung einberufen, um eine Erklärung des Bundeskanzlers entgegenzunehmen, in der er die DDR scharf verurteilte. Präsident Kennedy ordnete eine demonstrative Verstärkung der amerikanischen Truppen in Berlin an und sandte Vizepräsident Lyndon B. Johnson und General Lucius D. Clay zu einem Blitzbesuch nach Bonn und Berlin. Johnson, Clay und die Soldaten wurden von der Berliner Bevölkerung stürmisch begrüßt. Die Depression wich einer neuen Zuversicht in die Entschlossenheit des Westens, in Berlin zu bleiben und direkter Aggression zu begegnen.
Die Reaktionen in der DDR waren gegenüber der Erwartungen außerordentlich vielfältig. Manche DDR-Bürger hofften auf das Versprechen der SED-Propaganda, dass es sich um vorläufige Maßnahmen bis zum Abschluss des Friedensvertrages handele, andere fühlten sich erleichtert, weil nun die DDR nicht weiter ausbluten konnte. Sie gingen davon aus, dass bei hohen Wachstumsraten die BRD in einigen Jahren doch noch in der Arbeitsproduktivität überholt werden könnte.
Doch die Errichtung der Mauer bedeutete noch nicht das Ende der zweiten Berlinkrise, da Chruschtschow weiterhin versuchte, seine Ziele durchzusetzen. Ab 23.8.1961 spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen Ost und West weiter zu. Die Sowjetunion bestritt in einer Note an die Westmächte das Recht der Alliierten auf freie Benutzung der Luftkorridore nach West-Berlin. Auf beiden Seiten erfolgte die Verstärkung der Streitkräfte in Europa. Doch erst nachdem der sowjetische Versuch der Stationierung von Mittelstreckenraketen in Kuba gescheitert war, lenkte Chruschtschow ein und erklärte, dass die Sowjetunion nicht weiter auf dem 31.12.1961 als Termin für die Unterzeichnung des Friedensvertrages bestünden. Das Ende der Kuba-Krise am 28. Oktober bedeutete daher zugleich das Ende der Berlin-Krise. Die konzeptionelle Perpetie bestand darin, dass die Existenz West-Berlins einerseits und die Existenz der Mauer andererseits stillschweigend als vorerst unveränderbare Bestandteile des Status quo anerkannt wurden. In der Phase nach der Kuba-Krise ging es nun darum, den Berlin-Konflikt auch vertraglich \"einzukapseln\" und die beiden deutschen Staaten mit ihren spezifischen Sonderkonflikten in den internationalen Prozess einzubeziehen.
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