Die Tuareg werden heute als "stolze Ritter der Wüste" gerne romantisiert, jedoch ist ihre Kultur und ihr jahrhundertealtes Wissen, mit dem sie unter schwierigsten klimatischen Bedingungen überleben konnten, vom Untergang bedroht. Die traditionellen Wanderwege ihrer Herden sind jetzt durch Staatsgrenzen zerschnitten und Zölle behindern den Handel mit den Nachbarsvölkern. Die Kamelkarawanen, die dem Salzhandel dienten, werden immer seltener. Unkontrollierbar wandernde Bürger sind allerdings offenbar überall ein Alptraum für Politker und Bürokraten.
1) Dürrekatastrophen
In den extremen Dürreperioden der 70er und 80er Jahren verendeten zahllose Kamele, Schafe, Ziegen und Rinder der Tuareg. Viele Brunnen versiegten. Die Hilfe der Nichtregierungsorganisationen erreichte jedoch die Opfer der Katastrophe nicht, stattdessen tauchten die Hilfsgüter auf den Märkten des Südens auf, wo sie zu horrenden Preisen verkauft wurden.
Notgedrungen gaben viele ihr Nomadenleben auf und flohen vor der Trockenheit in die Städte und ins Exil nach Algerien und Libyen. Dort versprach ihnen Präsident Gaddhafi eine Ausbildung in seiner Armee und eine "Tuaregrepublik". Diese jungen Männer, die ishomar, sollten in dem darauffolgenden Bürgerkrieg eine bedeutende Rolle spielen. Die traditionelle Gesellschaftsform der Tuareg zerfiel in drei Teile: die verarmten Nomaden, die ishomar in der Fremde, und die in den Städte lebenden Tuareg.
Der Präsident Nigers, General Saibou, plante in den 80ern eine Reise nach Libyen, um sich mit den Führern der ishomar zu treffen und sie zu einer Rückkehr in den Niger zu bewegen. Gaddhafis Versprechungen waren leere Worte geblieben, stattdessen kämpften die ishomar in Kriegen, die ausschließlich Libyens Zwecken dienten. So kehrten viele zurück.
2) Die Tuaregrebellion
Die bittere Armut infolge der großen Sahel-Dürren, der daraus folgende Verlust des eigenen Lebensraums, die kollektive Perspektivlosigkeit, die Militärherrschaft und die mangelnde Teilhabe an der Politik entladen sich in bewaffneten Überfällen der zurückkehrenden ishomar auf die Symbole des Staates (die Verwaltungsbüros, Gendarmerieposten, Gerichte und Finanzkassen).
Am 7. Mai 1990 protestierte eine kleine Gruppe unbewaffneter, junger Tuareg gegen die Inhaftierung einiger Kameraden. Im Verlaufe eines Handgemenges wird ein Polizist von seiner eigenen Waffe getötet, die Tuareg fliehen in Panik. Innerhalb kurzer Zeit belegt das Militär das Lager mit stundenlangem Trommelfeuer. Im Umkreis von Tchin-Tabaraden werden die Nomadenzelte dem Erdboden gleichgemacht und die Brunnen besetzt, um ankommende Tuareg zu ermorden. Die Tuareg werden aufs Grausamste hingerichtet - dabei spielte es keine Rolle, ob die Opfer an dem Vorfall beteiligt waren.
Im Nachbarland Mali setzte die Übergangsregierung unter einem Militärgeneral setzte zu Vergeltungsschlägen der Armee gegen die zivile Tuaregevölkerung an. So wurden auf der Suche nach mutmaßlichen Angreifern wahllos Tuareg verhaftet, gefoltert, vergewaltigt und erschossen Hinzu kam noch, dass die Tuareg in Mali ihren größten Feind in ihren ehemaligen schwarzen Sklaven fanden, die nun wirtschaftliche und politische Macht besaßen und an ihren früheren hellhäutigeren Herren Rache übten.. Als Tuaregrebellen bei einem Überfall Waffen erbeuteten, verwüsteten Soldaten in der Stadt Timbuktu in Mali am 11. Mai 1991 systematisch die Geschäfte von Tuareg und verhafteten zahllose Zivilisten. Nur wenige Tage später wurden in der Stadt Léré 50 führende Persönlichkeiten der Tuareg von der Armee standrechtlich erschossen. Bei den Übergriffen der Militärs starben mindestens 2.000 Tuareg. Zehntausende flüchteten. So suchte rund die Hälfte der Tuaregbevölkerung Malis Schutz in den Nachbarländern.
1991 kam es zu Friedensvereinbarungen, die jedoch nur wenige Monate hielten. In Niger gründete sich am 20. Oktober 1991 die Befreiungsfront Aïr und Azwagh (FLAA). Diese Tuaregorganisation forderte vor allem die Autonomie der nördlichen Landesteile Nigers.
Der August 1992 bedeutete einen weiteren Höhepunkt an Grausamkeiten an den Tuareg, mehrere hundert Menschen wurden Opfer einer Regierung, die erst durch Nichtbeachtung, Verweigerung lebenswichtiger Hilfe und schließlich durch staatlichen Mord ("Endlösung") das "Tuaregproblem" zu lösen. Mit Hilfe von Claude Silberzahn, Generaldirektor des französischen Geheimdienstes, willigte Frankreich schließlich ein, in dem Konflikt die Vermittlerrolle zu übernehmen. Im Februar erlebte der Niger die ersten freien Parlamentswahlen, Präsident wurde Mahamane Ousmane.
Wenige Monate später schloss die malesische Regierung mit den Rebellenbewegungen den Nationalen Friedenspakt Mali. Darin waren unter anderem festgelegt:
. Dezentralisierung der Verwaltung im Norden zugunsten der dort lebenden etwa 300.000 Tuareg
. Größeres allgemeines Mitspracherecht
. Gefangenenaustausch
. Rückführung der Flüchtlinge, 50.000 in mauretanischen Lagern, 70.000 in Algerien
. Integration der Tuaregkämpfer in die reguläre Armee
. Maßnahmen zur ökonomischen Entwicklung
Schon 1993 stellte sich allerdings heraus, dass die Armee in Mali an einer militärischen Fortsetzung des Konflikts interessiert war und daher den Waffenstillstand immer wieder brach. Im selben Jahr kamen in Niger drei Waffenstillstände von jeweils dreimonatiger Dauer und ein Gefangenenaustausch durch Vorverhandlungen zustande.
Im Februar 1994 fand dann die erste Runde der Verhandlungen zwischen der nigrischen Regierung und den Rebellen in Burkina Faso unter Vermittlung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und der Beteiligung Algeriens, Malis und Burkina Fasos statt.
Erst am 15. April 1995 wurde der entgültige Friedensvertrag in Ouagadou paragraphiert und dam 24. April in Niamey feierlich unterzeichnet, allerdings verliehen nicht alle Widerstandsgruppen dem Abkommen ihre Unterschrift. Er enthält folgende wesentliche Punkte:
. selbstständige Verwaltung der Regionen
. Demilitarisierung und Rückgabe allen Kriegsmaterials
. Generalamnestie aller Rebellen
. Eingliederung der Rebellen in die Regierungstruppen
. Hilfe zur Rückführung der Flüchtlinge
. Wiederaufbau der Infrastruktur in den betroffenen Gebieten
. Entwicklung der Landwirtschaft
. Förderung des Bergbaus
. Entwicklung des Gesundheitswesens
. Entwicklung und Aufbau von Schulen
. Verbesserung des Transport- und Kommunikationswesens
. Ausbau des Tourismus
Mit der Unterzeichnung war ein erster Schritt in Richtung Frieden getan. Im demokratisch regierten Mali ist der politische Wille zur "Entwicklung" der Tuareggebiete erkennbar. Trotzdem gibt es zahlreiche Probleme. So werden zwar Krankenhäuser gebaut, doch es fehlt an Straßen, um Medikamente herbeizuschaffen. Im Nachbarland Niger gefährden Militärputsche immer wieder den Frieden. Und bis heute warten die Tuareg auf die ihnen zugesicherte Autonomie und finanzielle Förderung.
3) Mano Dayak
Mano Dayak wurde zur wichtigsten politischen Figur der Tuareg.
Er wurde um 1950 in Tidène (Aïr) geboren und wuchs in der Sahara auf. Französische Kolonialherren schickten ihn zur Schule und in ein Gymnasium in Agadez. Er studierte in den USA und in Paris. In seiner Heimat zurückgekehrt, eröffnete er ein Reisebüro, um die Wirtschaft in seinem Heimatland anzukurbeln und den Bewohnern der Region ein Einkommen zu sichern. Aus diesem Grund setzte er sich auch dafür ein, dass die Rallye Paris-Dakar über Agadez führte. Er versuchte mit allen Kräften, das Tuaregproblem einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen und die immer wieder drohenden blutigen Auseinandersetzungen abzuwenden. Durch seine Öffentlichkeitsarbeit und seine Popularität in Frankreich (ehemalige Kolonialmacht Nigers) gelang es ihm, mittels der französischen Medien Druck auf die nigrische Regierung auszuüben.
Er gründete 1991 die U.D.P.S. (Union für Demokratie und sozialen Fortschritt), mit der er sich um eine politische Lösung der Konflikte bemühte. Die U.D.P.S. fand schnell großen Zulauf in der Bevölkerung des Niger. Die Partei organisierte Informationsreisen, Konferenzen und Meetings. Sie trat für die Schaffung eines föderativen Systems ein, in dem sich alle nationalen Gemeinschaften im Rahmen ihrer kulturellen Besonderheiten entwickeln könnten. Die Regierung in Niamey (Hauptstadt des Niger) war jedoch zu diesem Zeitpunkt zu keinen Verhandlungen bereit. Trotz der gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Tchin-Tabaraden von Seiten des Militärs und der F.L.A.A., suchte Mano Dayak weiterhin nach einer politischen Lösung.
Mano Dayak starb am 15. Dezember 1995 auf dem Weg zu Verhandlungen wegen dem bis jetzt noch nicht eingehaltenen Friedensvertrag mit dem nigerischen Premierminister. Mano Dayaks Flugzeug explodierte beim Start.
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