1.5.1. Das Ämterwesen
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Der Formungsprozess der Polis war in wesentlichen Punkten eine schrittweise Ausgestaltung der Organe des Gemeinwesens. Die personengebundene Ausübung von Macht und Herrschaft wurde mehr und mehr überwunden, indem Einrichtungen geschaffen wurden, die eine kontinuierliche, durch bestimmte Normen und Verfahrensweisen geregelten Besetzungen der Ämter ermöglichten.
In den einzelnen Polisstaaten wurden hierfür wiederum sehr unterschiedliche Verfahrensweisen gefunden. Insgesamt gesehen ließen sich aber gewisse gemeinsame Grundzüge feststellen.
Wesentlich war hierbei die Tendenz zu Kompetenzverteilung und Einführung weiterer Oberämter. Die Zahl der höheren Beamten blieb in den kleinen Poleis begrenzt, da der Verwaltungsaufwand niedrig gehalten werden sollte, was in den großen auf Grund der wachsenden öffentlichen Aufgaben schwer möglich war. Aus diesem Grund wurden Magistrate geschaffen, die für bestimmte Aufgabenbereiche zuständig waren.
1.5.2. Der Adelsrat
Das ursprünglich absolute Kontrollorgan einer Polis war in den ersten Jahrhunderten seiner geschichtlichen Entwicklung der aus dem Beirat des Basileus entstandene Adelsrat.
In den Königsjahren wird die Ernennung der Ratsmitglieder im Ermessen des Obersten gelegen haben. Jedoch dürfte sich nach dessen Entmachtung an der Zusammensetzung des Adelsrates kaum etwas geändert haben, da die Ratsfähigkeit weiterhin auf Ansehen und Geltung der Adligen beruhte.
Im Zuge der Institutionalisierung der Organe des öffentlichen Lebens ab dem 6. Jahrhundert ergab sich eine Umstrukturierung der Institutionen, bei der der Adel immer mehr an Macht und Bedeutung verlor.
Obwohl der Adelsrat weiter existierte und seine Mitglieder Entscheidungen trafen, konnten diese ohne Zustimmung der Volksversammlung (siehe 1.5.3.) nicht wirksam werden.
1.5.3. Die Volksversammlung
Die Entstehung der ersten, noch ohne Stimmrecht tagenden Volksversammlungen (Ekklesia) geht auf das 7. Jahrhundert zurück. Sie dienten der Zusammenkunft und Beratung des Demos über Beschlussfassungen des Adelsrates, blieben jedoch vorerst nur sporadisch und formlos.
Etwa ab dem 6. Jahrhundert hatte die Ekklesia in Athen den Charakter einer Institution gewonnen, deren Zustimmung etwa zum Einsetzen der Archonten notwendig war. Der Adelsrat war ab dieser Zeit gezwungen sich das Einverständnis der Vertreter des Demos einzuholen, bevor er die Öffentlichkeit betreffende Entscheidungen durchsetzen konnte.
Die Staatswerdung der Polis vollzog sich unter der Voraussetzung der Institutionalisierung der wichtigsten Organe des öffentlichen Lebens. Zum Einen war die herrschende Schicht selbst bestrebt, die Kompetenzen der Amtsträger zu präzisieren, um damit die Macht der Beamten zu begrenzen. Andererseits erhielt die Volksversammlung bestimmte Befugnisse, wodurch sie eine politische Institution wurde, der Entscheidungen zukamen, die für die Gesamtheit bindend waren. Beide Linien der Machtentwicklung waren für die Entstehung einer politischen Gleichheit von großer Bedeutung. So bildete sich in der Oberschicht eine Gleichheit der Führungskräfte, während die Gleichstellung der Vollbürger einer Gemeinschaft in Wahlen und Abstimmungen der Ekklesia zum Ausdruck kamen.
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