1852: Der Physiker Johann Philipp Reis ( 1834-1874 ) macht sich Gedanken, wie man Sprache in die Ferne "mitteilt\". Er hat sich gründlich mit der Mechanik des menschlichen Ohres beschäftigt und sich ein Modell gemacht, an dem er die Vorgänge im Ohr genau studierte. Dem entsprechend baute er einen \"Geber\", der die Schallwellen aufnehmen sollte. Ein Kästchen mit Einsprache stellte das Ohr dar, eine darüber gespannte Membran aus tierischem Darm ist das Trommelfell und ein auf ihr liegendes Metallblatt, auf dem federnd eine Metallspitze liegt, mag er mit dem Gehörknöchelchen verglichen haben. Heute würden wir diese Konstruktion als einfachstes Mikrofon bezeichnen. Reis kam nicht auf die Idee, die Wirkungsweise des Trommelfells umzukehren und die Membran elektrisch zum Schwingen anzuregen, was mit dem damals bereits bekannten Elektromagneten möglich gewesen wäre. Vielmehr bediente er sich einer mit Draht umwickelten Stricknadel auf einem als Schwingboden dienenden Holzkästchen, dem so genannten \"Stricknadelempfänger\".
26.Oktober 1861: Im Physikalischen Verein zu Frankfurt am Main hält Philipp Reis einen Vortrag über seine Erfindung, die er "Telefon\" nennt, da es eine Definition für den Begriff "Sprachübertragungseinrichtung\" ist.
Bis 1865: Reis entwickelt 10 verschiedene Geber und 4 Empfänger, ohne den letzten Schritt zur unmittelbar angeregten Membran zu gehen. Er bemüht sich, seine Erfindung, selbst bis Russland, bekannt zu machen. Aber das Echo bleibt aus und mit ihm Anerkennung und Erfolg. Er war aus zwei Gründen zu früh. Reis hat seine Erfindung vorgeführt, ehe sie reif dafür war. Er erkannte nicht, dass der Strom im Geberkreis durch das Mikrofon nicht unterbrochen, sondern nur geändert werden darf. Trotzdem gebührt ihm Ruhm und Anerkennung, als erster menschliche Sprache auf elektrischem Wege übertragen zu haben.
14. Februar 1876: Im Patentamt in Washington gehen an diesem Tag 2 Patentschriften zum gleichen Thema ein.
Elisha Gray aus Chicago bezeichnete seine Anmeldung mit \"Übertragung der Töne der menschlichen Stimme durch einen telegraphischen Draht und Wiederhervorrufen derselben am Ende der Linie, so dass von Personen ein Gespräch auf große Entfernung geführt werden kann\".
Kaum hat der Beamte angefangen, sich in die ausführliche Beschreibung hineinzudenken, wird ihm eine neue Anmeldung, auf den Tisch gelegt. Sie stammt von Alexander Graham Bell aus Salem, Massachusetts.
Der Anspruch 5 beschreibt: \"Das Verfahren und die Geräte zur telegraphischen Übermittlung von Sprache und Tönen, wie beschrieben, unter Hervorrufung elektrischer Wellenströme, die in ihrer Form den Schwingungen der Luft ähnlich sind, wie sie von der Stimme und anderen Lautgebern hervorgerufen werden.\" Zwei Männer sind fast den gleichen Weg gegangen. Worin unterscheiden sich ihre Gedanken, wessen Idee ist lebensfähiger? Grays Anordnung ähnelte im ganzen der von Reis. Er benutzt wie dieser eine Batterie. Der Geber ist verbessert und kann nicht mehr durch völlige Unterbrechung stören. Allerdings ist er, weil er mit einer Flüssigkeit arbeitet, sehr umständlich. Beim Empfänger überschreitet Gray die Schwelle, vor der Reis halt gemacht hat. Der Magnet steht unmittelbar vor der Membran. Bell ist bei seinem Empfänger den gleichen Schritt gegangen. Sein Geber dagegen unterscheidet sich grundsätzlich. Da ist überhaupt keine Kontaktstelle mehr. Vor einem Elektromagneten schwingt, durch die Membran angeregt, ein Anker. Bells Telefon arbeitet mit Induktion.
Als dann in rascher Arbeit die klassische Form des Fernsprechers entsteht, ist Bells Vorsprung gesichert. Geber und Empfänger sind gleich. Man braucht auf jeder Seite nur ein \"Telefon\", das man abwechselnd ans Ohr und vor den Mund hält. Dazwischen nur zwei Drähte, sonst nichts. Einfacher geht es nicht mehr. Dass das Telefon damals seinen Siegeszug antreten konnte, ist gerade auf diese geniale Einfachheit der Form zurückzuführen, die Bell im Sommer 1877 auf den Markt brachte. Dies ist das eigentliche Geburtsjahr des Telefons.
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