Die Brüder Stockmann sind eigentlich Brüder wie sie im Buche stehen. Der eine ein gebildeter Arzt, der ab und zu gerne populärwissenschaftliche Artikel veröffentlicht, der andere ein erfolgreicher Politiker und Ämtchensammler. Der eine ein Liberaler, der andere ein Konservativer. Diese Gegensätzlichkeit der Charaktere beinhaltet natürlich genügend Zündstoff für heftigste Meinungsverschiedenheiten und andere, auch persönliche, Streitereien.
3.1 Der Badearzt Dr. Tomas Stockmann
Bei aller Bildung und wissenschaftlicher Gründlichkeit ist Dr. Stockmann ein grosses Kind, naiv und unbefangen. Es fehlt ihm an der nötigen Menschenkenntnis. So hält er seinen Bruder für ein gutes Stadtoberhaupt und die freisinnigen Phrasen von Billing und Hovstad nimmt er ihnen für wahre Gesinnung ab. Seinen Schwiegervater hält er für einen harmlosen Sonderling, obwohl dieser in Tat und Wahrheit ein reicher Mann ist.
Dr. Stockmann ist unfähig, sich vorzustellen, wie armselig und erbärmlich seine Mitmenschen sind. Seine Söhne will er zu freien, grosszügigen Menschen erziehen und ihnen ein Beispiel sein. Er gibt sich ihnen gegenüber eher kameradschaftlich und kehrt nicht die Seite der väterlichen Autorität heraus. )
Dr. Stockmann lebt gern behaglich und umgeben von Unruhe. Gastfreundlich öffnet er jedem sein Haus und sucht Kontakte sowie Geselligkeit. Er isst und trinkt ausserordentlich gern und gibt immer etwas mehr aus, als er hat. ) Im Hinblick auf die Zukunft ist er begeistert und optimistisch zugleich. Kommt noch hinzu, dass er ein starkes Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft besitzt .Für das Volk will er Bildung und Fortschritt. Der Badearzt stösst aber in durch seine Verwerfung des Alten so manchen vor den Kopf. )
Er ist ein Individualist, der auch gerne einmal streitet und nicht nur mit Worten angreift. In seiner Wirkung kommt er als undiplomatisch daher. So ist es nicht erstaunlich, dass ihm alles Politische verhasst ist. Er sieht es als doppeldeutiges, doppelzüngiges Schleichertum feiger Opportunisten.
Dass jemand eine Sache anders betrachten könnte als er, setzt ihn in Erstaunen. Sein Selbstbewusstsein ist ausgeprägt, doch würde er aus seinen Erfolgen nie materiellen Nutzen ziehen wollen. Er ist absolut uneigennützig. Dr. Stockmann teilt gerne und gibt im Hinblick auf seinen Bruder auch gern einmal der Sache wegen nach. )
Dabei ist Dr. Stockmann nicht eigentlich weltfremd. Jedoch sind es seine Menschenliebe, sein Idealismus, seine Bereitschaft, von jedem das Beste zu Glauben, die dazu führen, dass er seine Umgebung nicht durchschaut.
Dr. Stockmann ist ein Choleriker, stets aktiv und auf Dauer durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Doch ist er gleichzeitig auch sehr unbesonnen, leicht aufbrausend und neigt zu Übertreibungen. ) Eigentlich möchte er aber nur beliebt sein. So trifft es ihn hart, von Leuten, die ihm als Arzt alle nur Gutes zu verdanken haben, als Volksfeind verfemt zu werden.
3.2 Amtsrat Peter Stockmann
Peter Stockmann ist ein im schlechten Sinne Konservativer, engstirniger Honoratior, der in seiner Eitelkeit jede Kritik an den städtischen Angelegenheiten als ein Angriff auf seine Stellung und Popularität auffasst. Seine Würde ist leicht verletzbar, weil sie nicht echt ist. Für ihn ist es am besten, wenn das Volk ungebildet ist, da man es so besser lenken kann. )
An seinem Bruder kritisiert er stets herum, hält ihn für einen Verschwender und fühlt sich ihm in Weltkenntnis überlegen.
Wenn es darum geht Menschen einzuschätzen, so sind für ihn vor allem Stand und Herkunft entscheidend. Bei der Einschätzung von Dingen ist es vor allem der kommerzielle Nutzen. (Es interessieren ihn auch nicht die Heilerfolge am Badebetrieb, sondern die steigenden Grundstückspreise etc.) So verwundert es nicht, dass ihn die wissenschaftlichen Argumente des Doktors nicht überzeugen. Er sieht nur die finanziellen Aspekte einer Reparatur und eine Kritik an seiner Amtsführung. )
Von Journalisten und dazu noch liberalen hält er nicht viel, so wollte er die örtliche Zeitung, den Volksboten, ruinieren. Um jedoch zu verhindern, dass der Doktor seinen Artikel drucken kann, sind sie ihm nicht zu schlecht, um gemeinsame Sache zu machen und gegen den Doktor vorzugehen. Sein formal eingefädeltes Komplott am Abend der Volksversammlung zerbricht an der Unerschütterlichkeit des Doktors. Zunächst hat sein Appell an die Angst der Bürger Erfolg - sie fürchten, zahlen zu müssen - doch ist er nicht der Sieger des Abends.
Skrupellos überreicht er seinem Bruder am nächsten Tag die Entlassung und macht ihm das Angebot, er dürfe nach Widerruf seiner Aussagen seinen Beruf wieder aufnehmen. Auch typisch ist für ihn die "Hintertür", die feige Art, sich zu drücken, wenn es gilt, Farbe zu bekennen.
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