Zunächst einmal müssen die verschiedenen Interessen der drei Siegermächte berücksichtigt werden. Frankreich war primär auf seine Sicherheit bedacht. Allein schon aus geographischer Sicht schloss Frankreich unmittelbar an die Grenzen des Deutschen Reichs an. Wie Einfach ein deutscher Überfall geschehen konnte, hatte die Geschichte bereits im Jahre 1870 bewiesen. Im Gegensatz zu den anderen beiden Siegermächten war Frankreich also ständig der Gefahr einer deutschen Invasion ausgesetzt. Daher, und aufgrund hegemonialer Ambitionen, wollten die Franzosen die militärische Stärke Deutschlands auf ein Minimum begrenzen, um einen etwaigen weiteren Krieg von vorneherein auszuschließen.
Darauf zielten im Versailler Vertrag die Truppenregelungen und der Verbot einer Luftwaffe ab. Großbritannien hatte dagegen andere Interessen, die auch aus anderen Verhältnissen resultierten. Seit Hastings 1066 hatte es nie mehr eine Invasion auf das britische Festland gegeben. Warum sich also vor dem Deutschen Reich schützen? Höchstens die Kriegsmarine der Deutschen, die allerdings im Vergleich zur britischen Home Fleet weit unterlegen war, hätte eine Bedrohung darstellen können. Daher setzte sich England für eine Beschränkung der deutschen Kriegsmarine ein. Eine Beschränkung war im Klartext, eine Herabsetzung der Streitkräfte zur Sicherung des deutschen Küstenbereichs.
Ansonsten waren die Briten stets darauf bedacht, eine Art Status quo auf dem europäischen Festland zu erhalten. Zum einen sollte das Deutsche Reich keine Weltmacht bleiben und schon gar keine Seemacht mehr werden. Die Amerikaner, die sich noch weit weniger Sorgen, in geographischer Hinsicht machen mussten, konnten daher gar keine militärische Einschränkung wollen. Allein das 14-Punkte-Programm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson hatte dessen "Weltfriedensabsichten" deutlich gemacht. Der leidenschaftliche Demokrat wollte ein befriedetes und vereintes Europa. Vielleicht auch ein befriedetes und vereintes Europa, dass Abnehmer der amerikanischen Exporte ist.
Und das Deutsche Reich war, auch nach dem Versailler Vertrag, kein kleines Land. Wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland hätten sich in der Zukunft sicherlich positiv auf den amerikanischen Handel ausgewirkt. Was allerdings alle Entente-Staaten zunächst vermeiden wollten, war eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen seitens des Deutschen Reichs. Warum aber das "Versailler Schanddiktat"? Von Demokratie konnte Wilson wohl kaum während der Friedensverhandlungen von Paris sprechen. In Deutschland wurde eigens für die Verhandlungen im Auswärtigen Amt ein Referat für die Kriegsschuldfrage gebildet, dass mit Dokumenten und Studien aufwartete, welche die alleinige Kriegsschuld Deutschlands abweisen sollten und wohl auch gekonnt hätten. Doch die Siegermächte waren zu keinen Verhandlungen oder Kompromissen mehr bereit.
Bis 1922 forderten sie sogar die Auslieferung von deutschen "Hauptkriegsverbrechern". Deutschland musste mit dem Artikel 231 die alleinige Kriegsschuld anerkennen und auf sich nehmen. Und die Alliierten zogen ihre Vorteile daraus. Insbesondere in den USA wurden die Soldaten für einen Krieg gegen das Deutsche Reich rekrutiert, welches alleine den Krieg begonnen hatte. Nebenbei konnte man durch die Anerkennung der deutschen Kriegsschuld auch die juristische Grundlage für die immensen Reparationszahlungen schaffen.
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