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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Der angliederungsprozeß



4. 1. Der Friedensvertrag von Saint Germain
Bei den Verhandlungen von Saint Germain im Jahr 1919 verlor Österreich einige Gebiete, unter anderem Südtirol und den deutschsprachigen Teil Böhmens und Mäh¬rens.
Allerdings wurden Österreich auch drei der vier westungarischen Komitate zugespro¬chen, nämlich Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg. Folgende Gründe sprachen dafür:
. Westungarn war überwiegend deutschsprachig.
. Die großen westungarischen Landwirtschaftsflächen waren vor allem für die notlei¬dende Bevölkerung Wiens lebenswichtig.
. Man glaubte, mit Westungarn eine Sicherheitszone gegen die Kommunisten im Osten Europas schaffen zu können.

Erst 1920 nahmen die Sieger des Krieges die Verhandlungen mit Ungarn auf. Ungarn erging es noch schlechter als Österreich: Es wurde auf ein Drittel der ursprünglichen Fläche verkleinert. Doch da auch Österreich genau wie Ungarn als Kriegsverlierer dastand, sah man es in Ungarn nicht ein, warum man auch an Österreich Gebiete abtreten sollte. Zumal Österreich nach Ansicht der Ungarn schuld war am Zusam¬menbruch der Donaumonarchie.
4. 2. Die Angliederung wird vollzogen
Die Ungarn glaubten, den Umstand, daß in Österreich so etwas wie eine Hungersnot ausgebrochen war, nützen zu können. Lebensmittellieferungen aus Ungarn sollten die Österreicher dazu bewegen, das nunmehrige "Burgenland" wieder herzugeben. Als Österreich darauf nicht einging, hetzte die ungarische Regierung die wenigen Ungarn-Freunde im Burgenland zu Demonstrationen auf. Die Burgenländer wurden auch mit Plakaten und Flugzetteln vor den "roten Teufeln", also den Kommunisten, in Österreich gewarnt. Doch all das nützte nichts. Im August 1921 marschierte die öster¬reichische Gendarmerie und Zollwache im Burgenland ein, um das Land offiziell zu übernehmen. Man stieß allerdings auf den Widerstand ungarischer Freischärler.
Ihr Führer war Paul von Pronay, dem man die Hinrichtung von 500 Burgenländern, die den Ungarn feindlich gesinnt waren, zuschreibt. Im Oktober rief er in Oberwart den "unabhängigen Staat Lajta Bansag" aus, der aber international nie anerkannt wird. Pronay jedoch wird von der ungarischen Regierung nie vor ein Gericht gestellt.
Als im November 1921 das österreichische Bundesheer im Burgenland einmarschiert, wurde das Burgenland offiziell zu österreichischen Bundesland.
4. 3. Der Streit um Ödenburg
Nun erst gaben die Ungarn den Widerstand auf. Allerdings unter einer Bedingung: Die Einwohner von Ödenburg und der umliegenden Orte sollten in einer Volksab¬stimmung darüber entscheiden, ob sie nun lieber zu Österreich gehören wollten oder doch zu Ungarn. Mit italienischer Vermittlung stimmt Österreich schließlich im "Venediger Kompromiß" einer Volksabstimmung zu. In dem Glauben bei dieser Abstimmung einen haushohen Sieg davonzutragen.
In Ungarn jedoch betrieb man einen regelrechten "Wahlschwindel": Personen, die mit dem Ödenburger Gebiet überhaupt nichts zu tun hatten, waren genau so in die Wählerlisten eingetragen wie tote Personen.
Den internationalen Wahlbeobachtern konnten diese Geschehnisse eigentlich gar nicht entgehen. Aber was waren schon neun Gemeinden irgendwo am Südufer des Neusiedlersees im Vergleich zu dieser großen, weiten Welt?
So kam es dann zu folgendem "offiziellen" Ergebnis der Abstimmung:

Ödenburg umliegende Orte Gesamt

Stimmen für Ungarn 15.343 3.199 18.542
Stimmen für Österreich 8.277 3.505 11.782

Am 1. Jänner 1922 übernahm Ungarn damit das Gebiet um Ödenburg.

4. 4. Die endgültige Grenzziehung
Die endgültige Grenzziehung erfolgte mit internationalen Vertretern. Mit einer speziel¬len Bescheinigung durften die Bewohner grenznaher Gebiete aber weiterhin die Grenze überqueren, z. B. um zu ihren Äckern und Weingärten zu gelangen. Diese Regelung wurde beibehalten bis 1948, als der Eiserne Vorhang errichtet wurde.
4. 5. Die Frage nach der Landeshauptstadt
Mit Ödenburg hatte das Burgenland jene Stadt verloren, die man eigentlich zur Landeshauptstadt machen wollte.
Es kam zu langwierigen Diskussionen, bei denen man sich aber auf keine "Ersatz-Hauptstadt" einigen konnte und die deshalb immer wieder vertagt wurden. Als vorläu¬fige Hauptstadt wählte man einen kleinen Ort namens Sauerbrunn.
Im April 1925 einigte man sich schließlich auf eine Stadt aus den drei Bewerbern Mattersburg, Pinkafeld und Eisenstadt. Aus der darauffolgenden Abstimmung ging Eisenstadt als Sieger hervor. 1929 wurde das Landhaus in Eisenstadt fertiggestellt, sodaß man endlich von Sauerbrunn nach Eisenstadt übersiedeln konnte.
Trotzdem dauerte es noch lange, bis eine einheitliche Verwaltung aufgebaut werden konnte.

 
 

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