4.1. Grafen und Grafschaften /
Bei den Merowingern war bei weitem noch nicht das gesamte Reichsgebiet verwaltungsmäßig vom Königtum erfaßt. Erst Karl der Große konnte die älteren Lokalgewalten, die Herzöge, beseitigen und das Reich weitgehend in 200 Grafschaften einteilen. Die Grafschaft wurde somit der unterste Verwaltungssprengel, vergleichbar mit einem heutigen politischen Bezirk. Der König hatte in der Bestellung der Grafen völlig freie Hand, er konnte Angehörige jedes Volksstammes, sowohl freie als auch unfreie Personen, berufen.
Der Graf war die Stellvertretung des Königs, zu seinen Aufgaben zählte die Führung militärischer Verbände, Aufsicht über Straßen, Brücken und Märkte und die Einhebung der Zölle und Steuern. Der Lohn des Grafen bestand aus den Erträgnissen eines Grundstückes, das ihm auf Amtsdauer geliehen wurde. Daneben konnte der Graf selbstverständlich auch noch Privateigentum an Grund besitzen. Der Unterschied zwischen Privatland und Amtsgut wurde bald verwischt und das Grafenamt auf Lebenszeit übertragen. Der nächste Schritt war die rechtliche Erblichkeit des Amtsgutes bis schließlich das ganze Amt weitervererbt werden konnte.
In größere Gebieten an den Grenzen des Reiches wurden Markgrafen angestellt. Ihre Aufgabe bestand in der Aufstellung von Gruppen zur Abwehr von Feindeinfällen und in der Eintreibung von besonderen Abgaben.
Doch man stützte sich auch auf Bischöfe und Äbte bei der Verwaltung. Sie konnten keine Erbfolge aufbauen und waren der Gewalt des Königs leichter zugänglich. Deshalb wurden Bischofskirchen gefördert, neue Bistümer und Klöster gegründet und mit Privilegien ausgestattet.
4.2. Recht und Rache
Die Geschichte der Franken ist gekennzeichnet durch zahlreiche Beispiele großer Grausamkeit und Gewaltanwendung. Schuld sind wahrscheinlich das Fehlen fester Lebens- und Rechtsordnungen und die zivilisatorische "Unterentwicklung" der Bevölkerung. Solange etwa die Rechtsvorstellung eines bevorrechtigten Erben fehlte, stellte jeder männliche Merowingersproß, wenn er thronfähig war, eine Gefahr für den Throninhaber dar, was meist mit dem Tod des Konkurrenten endete.
Gregor von Tours berichtet:
Aber auch bei Mord, Ehebruch, Raub und Ehrverletzung wurde es üblich zum Schwert zu greifen und Selbstjustiz zu üben. Dies war auch keineswegs rechtswidrig, es entsprach vielmehr dem "ius talionis", dem Recht der entsprechenden Vergeltung. So war bei einer Tötung gefordert sie wiederum mit einer Gegentötung zu rächen, was allerdings meist eine lange Serie von weiteren Morden nach sich zog, die nicht selten erst nach der Ausrottung ganzer Sippen endete. Es gab zwar sogenanntes Wergeld, das die Sippe eines Getöteten erhielt um sie von der üblichen Rache fernzuhalten, aber solche Zahlungen galten lange als unehrenhaft.
Auch die Skelette zahlreiche Gräberfunde weisen
darauf hin, dass die Toten keines natürlichen Todes gestorben sind: Dieser Mann erlitt eine unheilbare
Schwerthiebverletzung und starb sofort durch Verletzungen lebenswichtiger Hirnteile.
4.3. Die Gesellschaft
4.3.1. Bevölkerung
Die Bevölkerung des fränkischen Reiches setzte sich aus Freien und Unfreien zusammen. An der Spitze stand der König. Freie Bürger waren unterschiedlich begütert. Sie konnten über großen Grundbesitz verfügen oder aber auch landlos sein. Sie alle waren wehrpflichtig. Wegen der Last der häufigen Kriegsdienste aber konnten sie ihr Land nicht mehr bestellen und so unterstellten sich viele freie Bauern dem Schutz eines Grundherrn, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen.
Der Bauer bewirtschaftete dann das Land als eine Art Pächter weiter. So wurden viele Bauern zu Hörigen. Sie hatten dem Grundherrn Abgaben und Frondienste zu leisten. Auch bei denn Unfreien gab es Unterschiede. Sie konnten entweder eine Landwirtschaft betreiben und über Haus und Hof verfügen oder sie arbeiteten als Gesinde beim Grundherrn. Teilweise waren sie sogar kauf- und verkaufbar. Hier kann man also auch durchaus von Sklaven reden.
4.3.2. Der Lebensbereich der Frau
Zum Lebensbereich der Frau gehörten die Organisation des häuslichen Lebens, die Erziehung der Kinder und die Versorgung des Viehs. Der Hausfrau standen in den großen Familien stets weitere Frauen zur Seite, die in der sozialen Stellung deutlich untergeordnet waren. Eine wichtige Rolle spielte die Produktion und Verarbeitung von Textilien, verfügte die Familie über solche bekam die Frau sogar eine Spindel und andere Geräte mit ins Grab. Entscheidend für die Stellung der Frau in der Gesellschaft war ihre Gebärfähigkeit, das lassen sehr deutlich die Wergeldsätze erkennen. Auch dies kommt in den Gräbern zum Ausdruck, Fruchtbarkeitsamulette finden sich nur in Gräbern von Frauen und Mädchen.
4.3.3. Der Lebensbereich der Männer
Männer beschäftigten sich hauptsächlich
mit Ackerbau und Viehzucht. Handwerker
arbeiteten in Manufakturen, Händler betrieben
ihre Geschäfte in den Städten oder zogen
übers Land. Das fränkische Heer war ein Heer
von Berufssoldaten, die hohes Ansehen
genossen. Diesem Kriegerstand gehörten freie
Franken an. Sie wurden vom König mit Land
reichlich bedacht, mußten die Bewirtschaftung
ihrer Güter aber in die Hände von Familienmitgliedern
legen, die keinen Kriegsdienst leisteten.
4.3.4. Die Ehe
Bei den Franken gab es zwei Formen der Ehe: die Muntehe und die Friedelehe. Die erste kam zustande, wenn die Frau aus der Munt (=Rechtshoheit) ihres Sippenhauptes entlassen und in die ihres Mannes übergeben wurde. Die Ehe konnte vom Mann wieder aufgelöst werden, entweder durch eine Übereinkunft mit der Familie der Frau oder durch Verstoßung der Frau, was aber die Rache ihrer Angehörigen heraufbeschwor. Ein besonderer Fall war der Ehebruch, hier konnte die Frau sogar getötet werden während der Mann straffrei blieb.
Bei der Friedelehe hatte die Frau eine selbständigere Stellung, dafür konnten sie meist nur Frauen aus hochstehenden Familien eingehen. Hier konnte auch sie die Ehe auflösen.
Allgemein lag das Heiratsalter der Männer bei 28 Jahren und das der Frauen bei 18.
|