Das Vertragswerk von Maastricht sieht insgesamt drei Stufen für die Schaffung der WWU vor.
4.1 Die erste Etappe
Der erste Teil des Projekts dauerte vom 1. Juli 1990 bis zum Ende des Jahres 1993 und stand ganz im Zeichen der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes bis zum
1. Januar 1993.
4.2 Die zweite Stufe
Die zweite Stufe begann am 1. Januar 1994 und ist als Vorbereitung zur Endstufe gedacht.
Jene Teilnehmerstaaten, die den Stabilitätsanforderungen noch nicht genügen, haben Konvergenzprogramme aufzustellen, die vor allem einen Weg zur Verbesserung der Preisstabilität und zu stabilen öffentlichen Finanzen aufzeigen sollen. Seit Beginn dieser Stufe ist es den Notenbanken auch verboten, öffentliche Defizite zu finanzieren, und falls sie noch der Regierung unterstehen, muß durch Rechtsnormen ihre politische Unabhängigkeit hergestellt werden. Zugleich ist die bisher übliche Bevorzugung öffentlicher Einrichtungen an den Finanzmärkten nicht mehr gestattet.
Genauso darf die Gemeinschaft oder ein einzelner Teilnehmer nicht mehr für ein anderes Mitglied haften.
Ein wichtiger Grundsatz für diese Phase ist, daß die Geldpolitik noch uneingeschränkt im nationalen Zuständigkeitsbereich bleibt. Das neu gegründete Europäische Währungsinstitut übernimmt eine wichtige Koordinationsfunktion.
4.3 Das Europäische Währungsinstitut ( EWI)
4.3.1 Aufbau und Struktur
Mitglieder dieses Rates sind die nationalen Notenbanken. Der EWI-Rat fungiert als Leitungs- und Verwaltungsorgan und besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und den Gouverneuren der nationalen Notenbanken. Die Mitglieder des Rates sind unabhängig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und dürfen keine Anweisungen von Organen oder Institutionen der Europäischen Gemeinschaft sowie ihrer Mitglieder entgegennehmen.
Der EWI-Rat tagt mindestens zehnmal im Jahr und einmal jährlich wird ein Bericht an den Ministerrat vorgelegt, der die Konvergenzfortschritte aller Teilnehmer beurteilen soll.
4.3.2 Hauptaufgaben des EWI
Das wichtigste Ziel dieser Institution ist es, in " regulatorischer, organisatorischer und logistischer Hinsicht" die 3. Stufe instrumentell und vom Prozedere her vorzubereiten.
Aus diesem Grund ist der Aufgabenbereich sehr vielfältig:
. Überwachung des noch geltenden EWS I
. Entwicklung von Strategien und Instrumenten, die zur Durchführung einer einheitlichen Geld- und Währungspolitik erforderlich sind
. Haltung bzw. Verwaltung von Währungsreserven auf Wunsch nationaler Notenbanken ( als Agent)
. Überwachung der technischen Vorbereitungen für die EURO-Banknoten
. Ausarbeitung der Geschäftsregeln für die nationalen Zentralbanken im Rahmen des ESZB
. Stärkung des Koordinierungsprozesses zwischen den Notenbanken
Bei den Arbeiten des EWI wurde nicht Wert gelegt, eine völlig neue geldpolitische Strategie und ein neuartiges Instrumentarium zu entwickeln. Vielmehr war es wichtig, die bisher bewährten Regeln und Instrumente weiterzuentwickeln und in einem Gesamtkonzept auch die nationalen Finanzpläne zu berücksichtigen.
4.4 Konvergenzkriterien
Um zu gewährleisten, daß nur solche Staaten an der Währungsunion teilnehmen, die bereits im Vorfeld bewiesen haben, stabilitätsorientiert wirtschaften zu können, gibt es ein Auswahlverfahren. Mehrere Konvergenzkriterien sollen nur solchen Staaten den
( irreversiblen) Eintritt in die WWU ermöglichen, die in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung auf etwa dem gleichen Stand sind. Dazu legen die Kommission und das EWI rechtzeitig vor Ende 1996 Berichte über die Konvergenzfortschritte aller Mitgliedsländer vor. Die Kriterien lauten folgendermaßen:
a) die Preissteigerungsrate soll niedrig sein und darf um höchstens 1,5 Prozentpunkte über der Inflationsrate jener - höchstens drei - stabilsten Länder liegen;
b) die langfristigen Zinsen dürfen um nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Satz in jenen - höchstens 3 - Mitgliedsländern liegen, die den niedrigsten Preisanstieg vorzuweisen haben;5
c) die Finanzlage der öffentlichen Hand soll auf Dauer tragbar sein. Das ist dann erfüllt, wenn der Schuldenstand nicht mehr als 60% und die Neuverschuldung nicht mehr als 3% des Bruttoinlandsprodukts betragen;6
d) die Mitgliedschaft im engen EWS-Band soll zwei Jahre ohne größere Spannungen und ohne Abwertung gewesen sein;
4.5 Die 3. Stufe ( Endstufe)
4.5.1 Auswahlinstanzen
Auf der Grundlage der Konvergenzberichte des vorangegangenen Jahres bewertet der ECOFIN-Rat ( Rat der Wirtschafts- und Finanzminister) mit qualifizierter Mehrheit,
. inwiefern die Kriterien von jedem einzelnen Mitgliedsstaat erfüllt werden und
. ob eine Mehrheit sie erfüllt.
Auf der Basis dieser Empfehlungen entscheidet der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs spätestens bis zum 31.12.1996 ebenfalls mit qualifizierter Mehrheit,
. ob der Großteil der Mitgliedsländer die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt
( Grundlagen sind die Empfehlungen des ECOFIN-Rates) und
. ob es für die Gemeinschaft sinnvoll ist, in die Endstufe einzutreten.
4.5.2 Zeitlicher Beginn der 3. Stufe
Beantwortet der Europäische Rat beide Fragen positiv, so hat er den Zeitpunkt für den Beginn der Endstufe festzulegen.
Geschieht dies nicht bis Ende 1997, so fängt sie am 1. Januar 1999 an. Bei dieser Möglichkeit wiederholt sich der oben genannte Prüfprozeß. Es ist aber nun nicht mehr erforderlich, daß eine Mehrheit die Konvergenzbedingungen erfüllt und der Rat die Einführung der Endstufe für zweckmäßig hält.
4.5.3 Das Zusatzprotokoll
Für diejenigen Mitgliedsstaaten, welche die Konvergenzkriterien nicht erfüllen, gilt eine Ausnahmeregelung und bestimmte Vertragsvorschriften dürfen auf sie nicht angewandt werden.
In diesem Zusatzprotokoll wird Großbritannien eingeräumt, seinen Eintritt in die letzte Stufe von einem positiven Votum des britischen Parlaments und der britischen Regierung abhängig zu machen.
Dänemark läßt durch eine Volksabstimmung diese Entscheidung treffen.
4.6 Das Europäische System der Zentralbanken ( ESZB)
4.6.1 Aufbau und Struktur
Das ESZB ist dem Modell der Deutschen Bundesbank nachgebildet. Es setzt sich aus der Europäischen Zentralbank ( EZB) und den Zentralbanken der Mitgliedsstaaten zusammen. Das führende Entscheidungsorgan ist der Rat der EZB, der auch die Entscheidungen über die Geldpolitik trifft. Bestandteile davon sind die Präsidenten der nationalen Zentralbanken sowie das EZB-Direktorium ( Präsident, Vizepräsident und vier weitere Mitglieder, die von den Regierungschefs der Teilnehmerstaaten ernannt werden).
Notenbankpräsidenten von Ländern, für die eine Ausnahmeregelung gilt, sind nicht Mitglieder des EZB-Rates. Solange nicht alle EU-Staaten die Konvergenzkriterien erfüllt haben, gibt es deswegen einen erweiterten Rat, in dem die Präsidenten aller nationalen Notenbanken ein Sitz- und Stimmrecht haben. Er ist das Bindeglied zwischen Teilnehmern und Ländern mit Sonderstatus.
4.6.2 Hauptaufgaben des ESZB
Mit Beginn der 3. Stufe geht die Verantwortung für die gemeinsame Geldpolitik der teilnehmenden Staaten auf das ESZB über. Aus diesem Grund ist sein vorrangiges Ziel die Sicherung der Preisstabilität ( Art. 105). Im geldpolitischen Bereich lassen sich vier wichtige Aufgabenbereiche einteilen:
. Bestimmung und Ausführung der Geldpolitik
. Durchführung von Transaktionen am Devisenmarkt
. Verwaltung von Währungsreserven
. Unterstützung eines fehlerfreien Ablaufs des Zahlungsverkehrs
Für diese Tätigkeiten stehen dem ESZB alle in einer Marktwirtschaft gebräuchlichen Notenbankinstrumente zur Verfügung.
Einschließlich der Mindestreserve und des Notenemissionsrechts. Die quantitative Kreditkontrolle ist aber ebenso ausgeschlossen wie die Kreditlenkung und Zinsreglementierung.
Außerdem entstehen einige Zusatzarbeiten für den EZB-Rat:
. Erstellung von monetären Statistiken
. Beratung des Ministerrats, der Kommission und der zuständigen Behörden sowie der Gemeinschaft oder einzelner Teilnehmerstaaten, falls der Kompetenzbereich der EZB tangiert wird
. Design, Produktion und Ausgabe der Banknoten bzw. Münzen
4.6.3 Unabhängigkeit des ESZB
Um zu verhindern, daß die Geldpolitik als Instrument der Konjunktur- und Beschäftigungspolitik eingesetzt wird, ist das Europäische Zentralbanksystem politisch unabhängig. Daher ist es verboten, die Notenbank zur Finanzierung der Staatsverschuldung einzusetzen ( Art. 104). Der Vertrag über die Europäische Union
( Art. 107) verbietet dem EZB und den nationalen Notenbanken zum Schutz ihrer Unabhängigkeit, Weisungen von externen Personen oder Institutionen entgegenzunehmen.8
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