Inflation in einem einfachen Modell />
Auf einer abgelegenen Insel lebten 10 Bauern, die je 20 Brote pro Woche herstellten, sowie 10 Fischer, welche je 20 Fische pro Woche an Land zogen. Einmal pro Woche trafen sie sich auf dem Markt und tauschten ihre Waren untereinander. So hatte danach jeder ein Brot und einen Fisch. Immer wieder kam es aber vor, dass Fischer A das Brot von Bauer C wollte und nicht von Bauer A. So führte man den Inseldollar ein, von welchem man jedem $10 gab. So kamen also jede Woche 10 Bauern mit 10 Broten und 10$ auf den Markt und tauschten ihre Waren mit den 10 Fischern mit 10 Fischen und 10$. Das Ergebnis war das gleiche, doch der Tauschhandel wurde vereinfacht. Betrachten wir einmal die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Insel (Angebot/Nachfrage):
So hätte es jahrzehntelang weiter gehen können. Leider gab es aber öfters Streit auf dem Markt, so dass auch hin und wieder das Marktzelt wieder aufgebaut werden musste. Die Inselbewohner holten einen Häuptling auf die Insel, welcher für die Ordnung und die Infrastruktur zuständig war. Dieser musste aber auch etwas zu essen haben. So zog er am Markttag von jedem 1$ als Steuer ein (insgesamt 20$). Dann wurde zu den alten Preisen gehandelt. Der Häuptling deckte sich mit 10 Fischen und 10 Broten ein, die Bauern gingen mit 9 Broten und 10$, die Fischer mit 9 Fischen und 10$ nach Hause. Natürlich wurde nun auf der Insel gemurrt, der Frieden und Unterhalt, hatte ihren Preis.
Nun kam ein neuer Häuptling der den Inselbewohnern versprach, die Steuern abzuschaffen. Er wurde sogleich gewählt. Am ersten Markttag kam dieser mit 20 neuen Dollars. Nun waren also 220$ auf dem Marktplatz, doch leider immer noch 200$ in Waren. Der Häuptling kaufte sich mit seinem Geld 10 Fische und 10 Brote, um den Rest stritten sich die Bewohner. Waren alle gleich schnell, kam jeder mit 9 Fischen oder Broten und 11$ nach Hause.
Nun hatten die Bewohner an jedem Markttag mehr Geld, aber was taten sie damit? Es gibt drei mögliche Varianten.
. Das Geld wird gehortet, d.h. die Kassahaltung wird vergrössert. So stapelt sich das Geld zu Hause. Sonst bliebe alles beim Alten.
. Die Gesamtnachfrage steigt, ungenutzte Kapazitäten werden aktiviert, das Gesamtangebot steigt ebenfalls. Steigt das Gesamtangebot im gleichen Schritt wie die Gesamtnachfrage, bleiben die Preise stabil.
. Spätestens beim Erreichen der Kapazitätsgrenzen werden die Preise erhöht. Ist die Inflation einmal da, wird die Kassahaltung eher verkleinert, d.h. die Geschwindigkeit, mit dem das Geld wieder ausgegeben wird, die Umlaufgeschwindigkeit, wird sich erhöhen. Dies hat die gleiche Wirkung, wie wenn sich die Geldmenge nochmals erhöhen würde. Die Inflation wird zusätzlich angeheizt.
Welche der drei möglichen Reaktionen tatsächlich eintritt, kann man nicht voraussagen, nicht einmal in diesem einfachen Modell. Es wird irgend eine Mischung entstehen.
Eine Inflation ist also von der Geldmenge direkt abhängig und entsteht dann, wenn die Geldmenge stärker wächst als die gehandelte Gütermenge und wenn die Wirtschaftsteilnehmer mit dem Geldüberschuss ihre Nachfrage vergrössern. Weil hier die Inflation von der zu grossen Gesamtnachfrage verursacht wird, spricht man von einer Nachfrageinflation.
Geldmenge und Inflation in der komplexen Wirklichkeit
Geldmengenwachstum und Inflationsrate
Wie sieht es nun in der komplexen Wirklichkeit aus, funktioniert das Inselmodell? In der nächsten Tabelle sind Geldmengenwachstum und Inflationsrate über mehrere Jahrzehnte aufgelistet:
Land Noten Preise Land Noten Preise Land Noten Preise
Brasilien (1963-90) 77% 78% Griechenland (1953-87) 15% 10% Niger (1963-89) 10% 6%
Argentinien (1952-90) 73% 76% Madagaskar (1964-86) 9% 10% Marokko (1958-89) 11% 6%
Bolivien (1950-89) 49% 48% Spanien (1954-90) 13% 9% Guatemala (1950-89) 9% 5%
Peru (1960-89) 50% 48% Senegal (1967-86) 12% 9% Japan (1953-90) 11% 5%
Uruguay (1960-89) 42% 43% Ägypten (1955-89) 12% 8% Irak (1965-75) 14% 5%
Chile (1960-90) 47% 42% Philippinen (1950-90) 11% 8% Kanada (1950-90) 8% 5%
Jugoslavien (1961-89) 39% 32% Neuseeland (1954-89) 6% 8% Österreich (1950-90) 7% 5%
Israel (1950-90) 31% 29% Cote d`lvoire (1962-86) 12% 7% USA (1950-90) 6% 4%
Türkei (1955-88) 23% 20% Italien (1950-90) 10% 7% Singapur (1963-89) 11% 4%
Island (1950-90) 18% 19% Indien (1960-89) 11% 7% Belgien (1950-89) 4% 4%
Mexiko (1950-89) 23% 19% Syrien (1957-87) 15% 7% Schweiz (1950-90) 5% 3%
Kolumbien (1950-88) 19% 14% Grossbritannien (1951-90) 6% 7% BRD (1953-90) 7% 3%
Südkorea (1953-90) 22% 13% Austarlien (1950-90) 9% 6%
Nigeria (1955-89) 14% 11% Frankreich (1950-90) 7% 6%
Quelle: International Financial Statistics
. Man betrachte den Zusammenhang zwischen Geldmengen - Zunahme und Inflationsrate. Bei Brasilien nahm die Geldmenge um 77% zu, die Inflation um 78%, in der Schweiz hingegen nur 3% Inflation bei 5% höherer Geldmenge.
Fazit: Je grösser die Geldmengen Zunahme, desto grösser die Inflation.
. Auf den zweiten Blick sieht man, dass die Geldmenge meist stärker wuchs als die Inflation. In diesen Ländern steigerte sich zuerst die Produktion, es wurden mehr Waren produziert und natürlich auch gehandelt. Nimmt das Handelsvolumen aber zu, braucht es automatisch auch mehr Geld.
Fazit: Ein Teil des Geldmengenwachstums wir durch höhere Produktion, also höheres Handelsvolumen absorbiert.
. Untersucht man die Länder mit sehr hoher Inflationsrate (Brasilien, Argentinien), bemerkt man, dass die Inflation höher ist als die Geldmengenzunahme. Es gibt eine einfache Erklärung dazu. Die Leute sind nicht mehr gewillt zu Sparen, so bringen diese ihr Geld schneller wieder in den Umlauf, es könnte Morgen schon weniger Wert sein. Leider hat diese Steigerung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes den Nachteil, dass es die Inflation noch mehr antreibt. Es wirkt wie eine zusätzliche Erhöhung der Geldmenge.
Fazit: Schneller zirkulierendes Geld heizt die Inflation zusätzlich an.
. Bei der Erklärung von gemässigteren Inflationsrate (Neuseeland, Schweiz, BRD) kommt man an die Grenzen der einfachen Theorie. In der unteren Grafik sieht man einen vergrösserten Ausschnitt der Tabelle. Unter 15% gibt es eine starke Streuung zwischen Geldzunahme und Inflation.
Quelle: International Financial Statistics
Die Analyse der Statistik zeigt einen klaren Zusammenhang von Geldmenge und Inflation. Allerdings gibt es bei kleineren Inflationsraten nur einen lockeren Zusammenhang.
Finanzierung von Staatsdefiziten mit neuem Geld
Aufgrund der oben aufgestellten Theorien kann man nun auch vermuten, wie einer Inflation entgegengewirkt wird. Man steuert die Geldmenge. Gelingt es der Notenbank, die Geldmenge im Gleichlauf mit der Entwicklung des Güterstroms zu halten, dürfte es keine Inflation geben.
Wird aber neues Geld in den Umlauf gebracht, zum Beispiel um einen Krieg zu finanzieren, passiert dasselbe wie es der Häuptling auf der Insel vorgemacht hat. Er hat jede Woche die Staatsausgaben erhöht. Es entsteht ein Inflation. Will sich ein Staat nicht verschulden, in dem er Obligationen herausgibt, muss er neues Geld drucken um sein Defizit zu decken.
Heute werden in modernen Industrieländern die Staatsdefizite nicht mehr in so einfacher Weise mit neuem Geld bezahlt. Die Notenbanken sind vom Staat unabhängiger geworden. Eine wichtige Inflationsursache ist so also eliminiert worden. Offenbar können Notenbanken mit einer Kontrolle der Geldmenge sehr hohe Inflationsraten verhindern - schwierig scheint es aber, die Geldmenge so fein zu steuern, dass eine Inflation ganz ausgeschaltet wird.
Leider hat diese Geldmengentheorie Schwächen. Auf unserer kleinen Insel war klar wie die Geldmenge definiert ist. In der Wirklichkeit haben wir aber auch noch elektronische Zahlungsmittel, Buchgeld, Spareinlagen und so weiter. Welche Geldmenge muss nun im gleichen Verhältnis mit dem Gütervolumen steigen?
Zinsniveau und Inflation
Die Notenbanken regeln die Geldmenge über die Zinssätze, die sie von den Banken für ihr Geld verlangt, das sogenannte Zinsniveau. Senkt die Notenbank ihre Zinssätze (Diskont- und Lombardsätze), beziehen die Banken mehr Geld, so dass die Geldmenge steigt - erhöht die Notenbank ihre Zinssätze, verlangen die Banken weniger Geld, womit die Geldmenge weniger stark ansteigt oder sogar zurückgeht. Tiefere Zinssätze der Bank führen zu einer grösseren Geldmenge (und umgekehrt). Die Beobachtung des Zinsniveaus bringt etwas mehr Licht in den Inflationsmechanismus:
Lockere = expansive Geldpolitik (Grafik links)
. Die Notenbank senkt ihre Zinssätze, erhöht somit die Geldmenge Zinsniveau sinkt
. Niedrige Zinsen können zu höheren Investitionen führen. Im privaten Bereich, steigt die Nachfrage wie zum Beispiel nach Autos. Niedrige Zinsen lassen die Gesamtnachfrage steigen.
. Die Firmen nutzen ihre Chance und versuchen das Angebot auszuweiten. Sie stellen neue Arbeitskräfte ein. Die Arbeitslosigkeit sinkt.
. Können die Firmen die grosse Nachfrage nicht mehr decken, ist die Produktionskapazität erreicht, erhöht sich nun das allgemeine Preisniveau. Wächst also die Gesamtnachfrage über das Gesamtangebot, steigt das allgemeine Preisniveau (Teuerung).
Restriktive Geldpolitik (Grafik rechts)
. Die Notenbank hebt die Zinssätze an, verringert dadurch die Geldmenge das Zinsniveau steigt
. Hohe Zinsen bremsen die Investitionen und fördern das Sparen auf Kosten des Konsums. Hohe Zinsen verringern die Gesamtnachfrage.
. Dies führt zu unausgelasteter Produktion. Höhere Arbeitslosigkeit droht.
. Die Lagerhallen füllen sich, der Absatz wurde kleiner. Der Wettbewerb wird härter. Die Kunden werden mit tieferen Preisen angelockt. Härterer Wettbewerb bewirkt sinkende Preise.
In einem Marktsystem mit Preiswettbewerb könnte eine restriktive Geldpolitik eine Inflation schnell niederschlagen. In grossen Teilen unserer Wirtschaft werden aber die Preise und Löhne durch marktbeherrschende Grossunternehmen, Kartelle und Gewerkschaften bestimmt. Dadurch setzt sich eine Inflation eigenständig fort. Man spricht von einer Preis-Lohn-Spirale.
Preis-Lohn-Spirale
Die Preis-Lohn-Spirale braucht in der Regel einen Anstoss. Dieser kann von dem Angebot her kommen (z.B. Ölpreiserhöhung) - meist aber von der Nachfrageseite. Eine zu lockere Geldpolitik lässt die Gesamtnachfrage steigen, dass die Kapazitätsgrenzen überschritten werden. Das Preisniveau steigt. Bis jetzt ist der Mechanismus bekannt, nun werden aber höhere Löhne von den Gewerkschaften ausgehandelt. Die Firmen müssen in folge dessen ihre Produktpreise dementsprechend anpassen. Das Preisniveau steigt weiter. Ein Teufelskreis in Form eines Schwungrades. Man bedenkt, dass nicht nur die Löhne angepasst werden müssen. Die Post- , SBB- und Krankenkassenprämien werden erhöht.
So kann eine einmal in Gang gekommene Inflation eine lange Lebensdauer haben. Die Inflationsbekämpfung wird immer komplexer, denn bei einer Bekämpfung, muss immer mit hoher Arbeitslosigkeit gerechnet werden. Das Produktionsvolumen nimmt stark ab. Leider muss die Notenbank immer einen Kompromiss eingehen zwischen optimaler Geldpolitik des Schulbuches und dem menschlichen Schicksal der Arbeitslosigkeit.
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