Der 1.1.1991 stellt ein wichtiges Datum für die norwegische Elektrizitätswirtschaft dar.
An diesem Tag trat ein neues Energiegesetz (norweg.: Energiloven) in Kraft.
Primärziel diese Gesetzes war es, die großen regionalen Preisunterschiede zu beseitigen und eine effizientere Nutzung der Produktionskapazitäten zu erreichen.
Die Elektrizitätsunternehmen waren von nun an dem Staat entzogen und den Marktkräften von Angebot und Nachfrage ausgesetzt.
. Rahmenbedingungen der norwegischen Elektrizitätsproduktion
Der Einfluß der naturräumlichen Gegebenheiten Norwegens auf das Stromerzeugungssystem spielt eine entscheidende Rolle, da Elektrizität zu 96 % aus Wasserkraft gewonnen wird.
Topographisch gesehen bietet Norwegen ideale Voraussetzungen zur Wasserstauung, da es dünnbesiedelte Hochgebirge beherbergt, in denen kein anderes wirtschaftliches Interesse besteht.
Vor allem aber die großen Niederschlagsmengen sowie deren räumliche Verteilung bieten gute Voraussetzungen für eine effiziente Wassernutzung.
Die Westküste Norwegens ist das niederschlagsreichste Areal Skandinaviens, hier werden durchschnittlich bis zu 4000 mm Niederschlag pro Jahr gemessen.
Jedoch verlangen die jährlichen Schwankungen geeignete Wasserspeicherplätze, die oftmals ökologische Folgewirkungen nach sich ziehen.
. Das norwegische Erdgaspotential
Angesichts der eigenen Erdgasvorräte wird selbst im eigentlichen Wasserkraftland Norwegen der Bau von Gaskraftwerken geplant, um die Abhängigkeit von schwankenden Niederschlagswerten zu verringern.
Jedoch dürfen nach den Regelungen des Energiegesetzes von 1991 die hierfür entstehenden immensen Kosten nicht mehr auf den Stromendverbraucher übertragen werden, weil sonst die EVUs Gefahr laufen, ihre Kundschaft an die Konkurrenz zu verlieren.
. Folgewirkungen der Elektrizitätsreform
Die niedrigen Preise üben einen Anreiz zu übermäßigem Energieverbrauch aus und wirken somit den Bemühungen des Energiesparens und des Naturschutzes entgegen.
Aufgrund der stagnierenden Strompreise auf dem freien Markt sinkt die Bereitschaft der EVUs zu Neuinvestitionen natürlich, was Norwegens Rolle als Nettoexporteur schwächen könnte; vor allem in niederschlagsarmen Jahren würde sich dadurch die Importabhängigkeit erhöhen.
Vom nun herrschenden EnG hat bislang nur die norwegische Wirtschaft profitiert; die privaten Stromverbraucher haben von den neuen Möglichkeiten bislang erstaunlicherweise wenig Gebrauch gemacht.
Die fallenden Strompreise sind zwar positiv für die Wirtschaft zu betrachten, die Natur aber wird darunter leiden müssen.
Umweltschützer argumentieren, daß der steigende Export den Druck auf einen Ausbau erhöht und die Natur letztendlich Schaden nehmen könnte.
. Ökologische Folgewirkungen und Naturschutz
Als ökologische Folgewirkungen treten auf:
. Das Anstauen der Flüsse und Seen führt oftmals zur Überflutung ökologisch bedeutsamer Gebiete
. Schwankender Wasserstand der Reservoire je nach Elektrizitätsproduktion
. Versandungsprozesse nach Staudammfertigstellungen
. Veränderung von Wassertemperatur und Luftfeuchtigkeit
Diese Effekte wirken sich auf die Tier- und Pflanzenwelt der betroffenen Gebiete aus und können sie nachhaltig negativ beeinflussen.
Auch aufgrund eines massiven Protestes von Umweltschützern begann man vor wenigen Jahren mit Schutzmaßnahmen und Lenkmechanismen, die zu einer möglichst hohen Effizienz zwischen Ökonomie und Ökologie beitragen sollen.
. Rahmenbedingungen des internationalen Stromaustauschs
Die mitteleuropäischen Systeme basieren auf thermischer Elektrizitätserzeugung. Wenn man das mitteleuropäische mit dem norwegischen System verbindet, so besteht die Möglichkeit eines effizienteren Energieeinsatzes.
Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile:
. Die Wasserkraftwerke sind schnell und kostengünstig zu steuern, die Stromerzeugung ist aber durch die Menge des Wasserzuflusses begrenzt.
. Wärmekraftwerke arbeiten unter entgegengesetzten Voraussetzungen (hohe Kosten durch langsame Steuerung, dafür nahezu unendliche Reserven)
Aus einer Kombination können beide Seiten Nutzen ziehen, ohne daß Norwegen Nettoexporte durchführen muss.
Diese Ausgleichsstrategie, die bislang nur in den nationalen Territorien Norwegens angewandt wird, bekäme dann einen zukunftsweisenden europäischen Charakter.
. Die norwegische Elektrizitätsreform: Vorbild für ganz Skandinavien ?
Die norwegische Außenhandelspolitik konzentriert sich seit der Marktliberalisierung auf die Schaffung eines gemeinsamen skandinavischen Marktes.
Der 1.1.1996 spielt dabei eine eminente Rolle, denn mit diesem Tag trat die Verschmelzung des norwegischen mit den schwedischen Elektrizitätsmarkt in Kraft.
Über die gemeinsame Grenze darf Elektrizität frei gehandelt und geliefert werden.
Dänemark und Finnland, vorher an einem Erhalt ihrer autonomen Märkte interessiert, scheinen sich nun dem neuen Wagnis ,Gemeinsamer skandinavischer Markt‛ zu öffnen !
Abschließend kann gesagt werden, dass Skandinavien dem von der EU ausgehandelten Liberalisierungskonzept weit vorauseilt. Sollte dieses Konzept sich nur schleppend fortentwickeln, so besteht die Gefahr einer Versperrung des gemeinsamen Marktes in Nord-Süd-Richtung.
Ein aktuelles Beispiel ist Deutschland, wo die Strompreise vom Staat künstlich hochgehalten werden, um die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes zu blockieren.
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