Quellen:
Schiiten: Die Schiiten ist die kleinere der beiden Hauptgruppen des Islams, die im Unterschied zu den Sunniten Anhänger der Schia sind, das heißt nur Ali Ibn Talib, den Vetter und Schwiegersohn Mohammeds, und seine Nachkommen als die rechtmäßigen Nachfolger des Propheten, als Imame, anerkennen. Mit rund 50 Millionen Anhängern machen die Schiiten etwa 1/10 der Muslime aus. Während sie jedoch im Iran, im Irak, in Indien, Pakistan und in Ostafrika die Mehrheit bilden, sind sie in Bangladesch, in Syrien, Libanon und Jemen nur eine Minderheit.
Die Schiiten sind in mehrere Sekten gespalten, zum Beispiel gibt es die Ismailiten, die Zaiditen oder die "extremistischen Ghulaten". Die stärkste Gruppe stellen die Imamiten dar. Sie anerkennen zwölf Imame, die ihnen als frei von Sünde und mit unmittelbarem Wissen begabt gelten. Der zwölfte Imam befindet sich seit 873 in Verborgenheit, man erwartet seine Wiederkehr als Mahdi. Besondere Verehrung geniest der zweite Imam, Husain, an dessen Märtyrertod in Karbala im Jahre 680 alljährlich mit Trauerspielen erinnert wird.
Sunniten: Sie bilden nach den Schiiten die größte Gruppe im Islam, die über 90% der Muslime umfaßt. Der Begriff Sunna, den die Sunniten auf ihre Gruppe beziehen ("Menschen der Sunna"), bedeutet vermutlich "Mitte des Weges". Er bezieht sich demnach nicht, wie allgemein angenommen, auf Sunna, das "Vorbild" des Propheten Mohammed, da alle islamischen Gruppen und Sekten die Sunna, neben dem Koran, als verbindliche Lehre anerkennen.
Die Lehren der Sunniten bildeten sich gegen Ende des 9. Jahrhunderts heraus, während ihre Theologie als einheitliches System im 10. Jahrhundert entwickelt wurde. Damit reagierten die Sunniten auf frühe Abspaltungsbestrebungen anderer islamischer Gruppen, wie z. B. der Charidschiten, Mutasiliten und der Schiiten. Die Betonung der Bestimmung des menschlichen Schicksals durch den Willen Gottes entstand in der Auseinandersetzung mit der Überzeugung der Mutasiliten von der absoluten Freiheit des menschlichen Willens. Innerhalb der sunnitischen Theologie haben sich vier Gesetzesschulen entwickelt: die Schafiiten, die Hanefiten, die Malikiten und die Hanbaliten.
Heute lebt der Großteil der Sunniten im südlichen Syrien, in Palestina und im Diyarbakïr - Gebiet.
Unterschiede zwischen den Hauptgruppen des Islams (Sunniten - Schiiten):
Autorität: Im Mittelpunkt des imamitischen und ismaelitischen Glaubens steht ihre jeweilige Vorstellung von der Rechtmäßigkeit des Imams, wodurch sie sich von der Autoritätsauffassung der Sunniten und schiitischen Zaiditen grundlegend unterscheiden. Sowohl die Sunniten wie auch die Zaiditen lehnen den Glauben an die absolute Macht der Imame ab, insbesondere die Vorstellung, daß sie sich im Besitz des wissenschaftlichen Gesamtwissens (wie Rechtswissenschaft, Theologie und Exegese) befinden.
Gesetz, Ritus und Theologie: Da im Koran nur wenige Vorschriften, Riten und doktrinäre Stellungnahmen enthalten sind, greifen die meisten Muslime zur Bekräftigung ihrer Riten, Gesetze und Theologie auf den Hadith zurück.
Im Unterschied zu den Sunniten glauben die Imamiten und Ismailiten, daß die Aussprüche und das exemplarische Handeln ihrer Imame gleichfalls das Ergebnis göttlicher Eingebung sind und somit wie jene des Propheten (aufgrund ihrer von Gott verliehenen Erkenntnis, Unfehlbarkeit und Makellosigkeit) auch als Hadith betrachtet werden könne. Obwohl die Sunniten und Zaiditen die imamitischen und ismaelitischen Imame als echte Übermittler des prophetischen Hadith anerkennen, lehnen sie jedoch den Hadith, der nicht auf den Propheten, sondern auf einen Imam zurückgeht, entschieden ab.
Rechtswissenschaft und neu auftretende Fälle: Sowohl die Zaiditen wie auch die traditionellen Imamiten zitieren dieselben Gesetzesquellen wie die Sunniten, und zwar den Koran, den Hadith, den Konsens der Gemeinschaft (Ijma) und die sich auf die menschliche Vernunft gründenden Rechtsgutachten (Ijtihad). Allerdings betrachten die Imamiten den Konsens als gemeinschaftliche Übereinstimmung mit einem Imam.
Das Rechtsgutachten ist eine Gesetzesquelle für neu auftretende Fälle. Diesbezüglich unterscheiden sich die Imamiten von den Sunniten bloß darin, daß sie als Vergleichsmittel zwischen bereits aufgetretenen und neu auftretenden Fällen die deduktive Beweisführung (Akl) anstatt der analogen (Kijas) einsetzen. Sowohl Sunniten wie auch Zaiditen und Imamiten betrachten derartige Rechtsgutachten als zeitlich begrenzt und subjektiv, wobei es zulässig ist, diese offen zu diskutieren. Folglich werden Sunniten, Zaiditen und Imamiten bezüglich der Rechtsgutachten gewisse Freiheiten eingeräumt.
Ritus: Die Riten der Schiiten und der Sunniten weichen in einigen Punkten voneinander ab. Während alle drei schiitischen Gruppen die Ermordung Alis und seines Sohnes, des Imams Husain, betrauern, haben die schiitischen Imamiten verschiedene Riten bezüglich der beiden Märtyrer institutionalisiert und heben sich somit von den anderen Schiiten sowie von den Sunniten ab. Der zweite von den Imamiten eingeführte Ritus ist die jährliche Trauerfeier zu Ehren des Enkels des Propheten und dritten Imams Husain Ibn Ali Ibn Abi Talib, der bei Karbala zu Aschura, im Monat Muharram (Tazija) den Märtyrertod starb.
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