Mit dem Roman Der Glöckner von Notre Dame von Victor Hugo wurde diese Kathedrale mit einer Fassade mit drei Portalen, den stumpfen Türmen und drei herrlichen Rosettenfenstern weltberühmt. Ihr Ursprung geht ins Jahr 1163 zurück. Die Bauzeit der Kathedrale beträgt fast 150 Jahre und vereint in sich alle Stile der Gotik. Frühgotische Kennzeichen tragen der Chor und das Langhaus, die in den Jahren 1163-1200 errichtet wurden.
Der Übergang von der Früh- zur Hochgotik spiegelt sich in der Westfassade (der Hauptfassade) wider. Das Langhaus wurde in den Jahren 1230-1250 der Hochgotik angeglichen. Die Querhäuser lassen den Stil der reinen Hochgotik erkennen, sie wurden 1250-1260 erbaut, der Chor wurde 1265-1320 an den Stil der Hochgotik angeglichen. Die damals schwer beschädigte Notre Dame wurde von 1841 bis 1864 von einem der berühmtesten Restauratoren des 19. Jahrhunderts, Viollet-le-Duc wiederhergestellt.
Die Kathedrale ist reich verziert und stellt ein schönes Beispiel gotischen Baustils dar. Die Kirche hat in der Geschichte Frankreichs oft eine besondere Rolle gespielt; z.B.: 1430 Krönung Heinrichs VI., 1804 setzt sich Napoleon hier selbst die Kaiserkrone auf, 1944 feiert de Gaulle die Befreiung von Paris.
Betritt man die Notre Dame so gelangt man zuerst in das Seitenschiffräume, die zusammen mit dem Chorumgang zu den eindrucksvollsten Raumschöpfungen der französischen Frühgotik gehören.
Die stämmigen Rundpfeiler wirken wie ein Nachklang des Romanischen.
Von Pfeilpaar zu Peilpaar bilden sich >Joche< die vom Aufbau einem Bildachin ähneln. Das Gebäude ruht jeweils auf vier Eckstützen auf, wird durch seitliche >Gurtbögen< begrenzt und in seiner Gesamtfläche von Diagonalrippen überzogen, deren Schnittpunkt die Mitte einer solchen Raumzelle bezeichnet. Dagegen gelingt es noch nicht, die Gewölberippen unmittelbar mit dem Pfeiler zu verbinden Jeder zweit Pfeiler ist, um seine Tragkraft zu erhöhen, von einer stabilen Stütze umgeben. Doch es kommt dabei zu keinem wirklichen Gleichklang mit den Gewölberippen.
Selbst in den Kapitellen zeigt sich noch eine gewisse Unsicherheit. Die Kapittelformen wechseln von Pfeiler zu Pfeiler und prunken mit dem Reichtum frühgotischer Knospen- und Blattbildungen. Es sind plastische Gebilde deren Eigengewicht der gotischen Struktur widerspricht - ein Konflikt, den erst das 13.Jh. löste, indem es die Kapitelle maßstäblich zur ornamentalen Schmuckzone reduziert.
Notre Dame, Grundriß
Das Mittelschiff
das Mittelschiff
Der Aufriss ist dreiteilig in der Abfolge von Pfeilerarkade, Emporengeschoß und Lichtgaden. Diese Dreiteilung kannte die frühgotische Kathedrale noch nicht. Ihr ursprünglich vierteiliges System hat Viollet-le-Duc im ersten Langhausjoch wiederhergestellt. Man sieht dort, wie der frühgotische Baumeister in dem Bestreben, die Höhenentwicklung anschaulich zu machen, vier Motive übereinander gestellt
Der Wunsch, den frühgotischen Wandaufriss zu ändern, entstand unter dem Eindruck der Kathedrale von Chatres, deren dreiteiliges System künftig als Vorbild galt. Diesem Chartreser System sollte Notre Dame angeglichen werden. Zwar konnte man die Emporen nicht mehr beseitigen, doch wurden die darüber gelegene
Hochwand grundlegend verändert und nach Chartreser Muster große Gruppenfenster geschaffen, die nur noch wenige Mauerflächen stehen lassen und damit dem Ideal gotischer Raumdurchlichtung sehr viel näher kommen als das frühgotische Bauwerk.
Das von Chartres übernommene Gruppenfenster erfährt in Notre Dame insofern eine Weiterentwicklung, als nun auch die verbleibenden Zwickelflächen durchbrochen und verglast werden. Chatres und Notre Dame stehen damit am Anfang des gotischen Maßwerks, das sich aus diesen einfachen Rahmenformen entwickelt hat.
Fensterrose von Notre Dame
Die Fensterrose des nördliche Querhauses
Die Nordrose, deren Teilungsverhältnis auf der Zahl acht beruhen, rückt Maria in den Mittelpunkt eines himmlischen Sphärenkreises: Maria als Thron für den Gottessohn, umgeben von acht kleineren Kreisen, deren Weiß inmitten der rotgeränderten Scheiben diamanten aufleuchten. Vor einer großen Dunkelfläche stehend , gleicht diese Figur einem Gestein im Weltall, wobei die Zahl acht die Erde mit den sieben Planeten versinnbildlicht. Aus geheimnisvoller Nacht ins irdische Licht tretend, so erscheint hier der Gottessohn auf dem Schoß der Mutter. Ein 16teiliger Kranz trapezförmiger Flächen von azurblauer Grundfarbe umgibt dieses Geschehen mit einer himmlischen Aura.
Dann aber folgt ein überraschender Farbwechsel. In einem schmalen Streifen dominieren grün und gelb. Sie bezeichnen offensichtlich eine Grenze, denn alle außerhalb dieses Ringes liegenden Darstellungen beziehen sich auf das Alte Testament. 80 Medaillons gruppieren sich in drei konzentrischen Kreisen um die marianische Mitte. Im innersten Kreis handelt es sich um Propheten; im mittleren sind es Richter und Könige aus Israel und Juda; im äußeren Kreis Könige und Hohepriester.
Im Sinne des Mittelalters muß diese Anordnung von außen nach innen gelesen werden. Je höher die Dargestellten dem marianischen Zentrum sind, desto gewichtiger ist ihre Stellung im göttlichen Heilsplan: die Figuren der Randzone verkörpern das allgemeine Priestertum; die der mittleren Zone bezeugen Christi Abstammung aus dem Volke Israel; am nächsten sind dem göttlichen Geheimnis die Propheten, da sie das Erscheinen des Gottessohnes weissagten.
Die Fensterrose des südlichen Querhauses
Kompositorisch auf der Zwölfzahl beruhend, bezieht sich die Südrose auf Christus und das jüngste Gericht. Ihr Grundton ist im Vergleich zur farbenfroheren Nordrose um einen deutlicheren Grad ernster. Zwar findet man auch in ihr das helle blau, doch wird es überstrahlt von einem sehr viel strengeren violett. Grün scheidet fast vollständig aus.
Die Apostel in den zwölf Medaillons des ersten Kreises rücken nahe an Christus heran. Zusammengefasst durch das dunkle rot der angrenzenden Bogenzwickel bilden sie den inneren Kern einer beim Jüngsten Gericht um Christus versammelten Thronschar. Diese erweitert sich durch die 24 Märtyrer des zweiten Kreises, der über violette Zwischenfelder mit dem ersten Kreis verbunden ist. Zwei weitere Medaillonreihen mit Engeln schließen sich an.
Die Gesamtkomposition trägt deutlich visionäre Züge. Das Schweben im All, mit dem sich im Zentrum der Nordrose das Kommen Christi ankündigt, wird hier zu Thema der ganzen Rose. Sie wird zum Bild einer göttliche geordneten, kosmischen Unendlichkeit.
Chor und Chorumgang
Vom alten Baubestand (1163-1182) sind vor allem die Kapitelle der Chorpfeiler von Interesse, da sie einen formgeschichtlich bedeutsamen Wandel innerhalb der mittelalterlichen Bauornamentik erkennen lassen. Das antike Akanthusblatt, das noch die Romantik verwendete, wird von breitlappig-abstrakten Blattbildungen abgelöst, aus denen sich im weiteren Verlauf ( bei Notre Dame schon im Langhaus) die Gotischen Knospen- und Laubkapitelle bilden.
Notre Dame
Die nördliche Querhausfassade
nördliche Querfassade
Die Veränderung der gotischen Fassadenbildung um 1250-1260 zeigt die Front des nördlichen Querhauses. Generell kann man sagen, dass die Hochgotik bestrebt ist, das Bauwerk auch in seiner Außenerscheinung zu entmaterialisieren. Das konstruktive Gerüst, das selbstverständlich immer vorhanden ist, verschwindet allmählich hinter vorgeblendeten Formen, die sich über die tatsächliche Geschossgliederung hinwegsetzen und vertikal von einer Zone auf die nächste höhere >übergreifen |