Kultur
Die pädagogischen Ziele der kommunistischen Regierung Chinas beschränkten sich jedoch nicht auf die schulische Erziehung. Während der sechziger und siebziger Jahre wurden auch didaktische Theaterstücke, Opern, Literatur und Musik gefördert.
Ausländische Kunst und Literatur, seit den sechziger Jahren verboten, durfte in China im Rahmen eines verstärkten Kulturaustauschs seit Mitte der siebziger Jahre wieder veröffentlicht werden. 1978 und 1979 wurden im Verlag der Volksliteratur etwa 200 ausländische Werke übersetzt, darunter auch Romane aus dem Westen.
Im Bereich der Musik kam es Anfang der achtziger Jahre zu Lockerungen, so dass nicht nur politische Lieder Verbreitung fanden. Auch die Volksmusik erfuhr so wieder eine Würdigung. Die Kinos waren meist ausverkauft, und die reisenden Akrobaten, Zirkusartisten und Jongleure standen in der Gunst der Zuschauer ebenso hoch wie das Ballett und die Oper. In den Kleinstädten und Gemeinden fanden die Aufführungen in voll besetzten Häusern statt. In den achtziger Jahren öffneten sich die chinesischen Bühnen auch für klassische Stücke oder Popmusiker aus dem Westen.
1957, während der Hundert-Blumen-Bewegung, ermutigte man Schriftsteller und Intellektuelle, sich zu Wort zu melden und Perspektiven für die Regierungspolitik und die Bedürfnisse des Volkes zu entwickeln. Die dadurch herausgeforderte Kritik war so vehement, dass die Regierung sich zu einer sofortigen Kehrtwende entschloss. Viele Intellektuelle wurden wegen ihrer vorgetragenen Meinungen verfolgt. Die Angst vor ähnlichen Aktionen von Seiten der Regierung führte Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre dazu, dass die chinesischen Künstler, Autoren, Komponisten und Filmemacher eher zurückhaltend auf den offiziellen Wunsch reagierten, sich freier und unabhängiger künstlerischer Gestaltung hinzugeben.
4.3 Kultureinrichtungen
Peking, Shanghai und Kanton spielen in China eine führende kulturelle Rolle. Hier befinden sich die meisten bekannten Museen und Theater, und hier werden die meisten kulturellen Darbietungen aufgeführt.
Peking ist auch kulturelle Hauptstadt. In der Nähe des berühmten Platzes des Himmlischen Friedens liegt die Verbotene Stadt, ehemals kaiserliche Residenz und heute Museum, sowie die Gedächtnishalle für Mao Tse-tung und das Museum der chinesischen Revolution. In Peking befanden sich auch die berühmte "Wand der Demokratie" und die Plakate mit den großen Zeichen, auf denen die öffentliche Meinung über die Regierungspolitik nach Maos Tod 1976 wiedergegeben werden durfte. Ende der siebziger Jahre wurde die Wand verboten. Der Sommerpalast, der Tempel des Himmels, die Gräber der Ming-Dynastie und die Chinesische Mauer befinden sich in der Nähe von Peking. Diese großen Denkmäler der Ming- und Ching-Dynastie bilden ein kulturelles Zentrum für die zunehmend mobile Bevölkerung Chinas.
In Shanghai befinden sich das Museum für Kunst und Geschichte, in dem eine der wertvollsten Kunstsammlungen Chinas untergebracht ist, sowie das Museum der Naturwissenschaften. Auch der Garten des Mandarin Yu liegt hier. Nach 1949 öffnete die kommunistische Regierung viele ehemalige Privathäuser, Gärten und Parks der Öffentlichkeit; heute dienen sie als Treffpunkte zum Teetrinken oder Spazierengehen.
In Kanton (Guangzhou) liegen einer der größten Zoos Chinas, das Guangzhou-Museum, die Sun-Yatsen-Gedächtnishalle, der Yuexiu-Park mit der Zhenhai-Pagode aus der Ming-Dynastie, der Tempel der Sechs Banyan-Bäume und die Huaisheng-Moschee aus dem Jahr 627. In der Nähe von Xi'an (Sian) wurde eines der eindrucksvollsten Werke der chinesischen Antike entdeckt: Eine Terrakotta-Armee mit mehr als 6 000 lebensgroßen Figuren im Grab des Kaisers Shi Huangdi (gestorben 210 v. Chr.) aus der Qin-Dynastie.
Das seit der Revolution von 1949 geförderte nationale Bewusstsein hat dazu geführt, dass in fast jeder Stadt eine Art kulturelles Denkmal errichtet wurde. In jenen Städten, in denen keine offiziellen Museen existieren, wurden ehemalige Gutsbesitzungen in einen öffentlichen Garten oder ein Teehaus umgewandelt. Hierdurch erhielten die Städte einen zunehmend urbanen Charakter.
Kulturrevolution, politisch-ideologische Kampagne in China während der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Das Grundkonzept der Kulturrevolution wurde von Lenin entworfen. Durch Mao Tse-tung wurde die Große Proletarische Kulturrevolution 1966 eingeleitet. Angriffsziele waren die "Vier Alten": alte Bräuche, alte Gewohnheiten, alte Kultur und alte Denkmuster.
Nach dem Fehlschlag des Großen Sprunges nach vorn hatten die mehr pragmatisch orientierten Liu Shaoqi und Deng Xiaoping die Partei- und Staatsführung übernommen. Mao versuchte mit seiner politisch-ideologischen Kampagne wieder an die Macht zu gelangen. Dabei wurde er von seiner dritten Frau Jiang Qing und von Lin Biao unterstützt. Die Kampagne fand in Shanghai ihren Anfang und breitete sich weiter nach Peking aus. Im August 1966 leitete Mao die erste Massendemonstration der "Roten Garden", die sich aus unzufriedenen Schülern und Studenten rekrutierten, auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Peking). Der Unterricht in Schulen und Hochschulen kam durch die Roten Garden zum Erliegen. Intellektuelle wurden Opfer von Säuberungsaktionen. Die Organisation der Kommunistischen Partei Chinas löste sich auf. "Revolutionskomitees" schossen aus dem Boden. Im Januar 1967 weitete sich die Bewegung auf weitere städtische Gebiete aus.
Die Kulturrevolution geriet außer Kontrolle. Gegner Maos bildeten eigene Rote Garden. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den verschiedenen Gruppierungen. Mit Billigung Maos wurde die Armee eingesetzt, um einen drohenden Bürgerkrieg zu verhindern. Die Militärbefehlshaber waren oftmals nicht in der Lage, zwischen den verschiedenen Parteien zu unterscheiden, da sich alle als wahre "Maoisten" ausgaben. Im Juli kam es in der Stadt Wuhan zu einem Fall schwerer Gehorsamsverweigerung, der erst durch das persönliche Einschreiten von Zhou Enlai beigelegt werden konnte. Im Frühling 1968 starben Tausende während Auseinandersetzungen in Guangdong und Guangxi. Die ländlichen Regionen blieb weitestgehend von schweren Kämpfen verschont. Viele chinesische Kulturschätze wurden während der Revolution zerstört. Traditionelle Opernaufführungen wurden verboten, nur vier von Jiang Qing genehmigte "revolutionäre Opern" erhielten Aufführungserlaubnis. 1969 war die Situation außer Kontrolle geraten. Im März 1969 brachen im Norden Kämpfe an der Grenze zur Sowjetunion aus. Im Süden war zudem der Vietnamkrieg im Gange. Die Volkrepublik China sah sich an zwei Fronten von zwei Supermächten bedroht. Im April 1969 hielt die Kommunistische Partei Chinas ihren 9. Parteikongress ab. Die Kulturrevolution wurde offiziell beendet, aber auch im Nachhinein legalisiert.
Definitionen:
Kulturgeschichte, historische Forschungsrichtung, die sich auf die Erfassung, Untersuchung und Darstellung des kulturellen Lebens konzentriert und die zunächst vor allem als Gegensatz zur politischen Geschichtsschreibung definiert wurde.
Kulturgeschichte ist einer der ältesten Ausprägungen der Geschichtswissenschaft. Das Bemühen, nicht nur politische Geschichte zu erfassen, sondern die Gesamtheit menschlicher Aktivität einschließlich Literatur, Kunst, Musik, intellektueller Errungenschaften usw., geht im Wesentlichen auf die deutsche Aufklärung des 18. Jahrhunderts zurück, ist aber vereinzelt auch schon früher nachweisbar (vor allem bei dem arabischen Historiker Ibn Chaldun). Zu den klassischen Werken der Kulturgeschichte zählen u. a. Jakob Burckhardts Cultur der Renaissance in Italien (1860) und Johan Huizingas Herbst des Mittelalters (1919). Beide Werke versuchen, Zeitabschnitte der Menschheitsgeschichte in der Totalität des historischen Geschehens zu erfassen, d. h. unter Einbeziehung aller historisch relevanten Aspekte des menschlichen Lebens.
Sittengeschichte, Geistesgeschichte und Kulturgeschichte mit sich überschneidenden Fragestellungen standen im 19. Jahrhundert in scharfer Antithese zur politischen Geschichtsschreibung, polemisch zugespitzt im Streit um Karl Lamprechts Geschichtsphilosophie ("Methodenstreit", um 1898): Lamprechts kausal-genetische Arbeitsweise und sein kulturgeschichtlicher Ansatz provozierten den Protest nahezu der gesamten deutschen Historikerzunft. Der Grund für den krassen Gegensatz zwischen Kulturgeschichte einerseits und politischer Geschichte andererseits lag nicht zuletzt in dem ausgesprochen engen Kulturbegriff des 19. Jahrhunderts: Die ausschließliche Orientierung an der Elitenkultur kennzeichnete die traditionelle Kultur- und Sittengeschichte. Demgegenüber erweiterte sich seit 1900 unter dem Einfluss der Kultursoziologie, später auch der Kulturanthropologie der Kulturbegriff. Durch Einbeziehung der "inoffiziellen" Kultur von Unterschichten sowie der von der französischen Annales-Schule betriebenen Mentalitätsgeschichte bietet sich die Kulturgeschichte nunmehr als Synthese einzelner Teilbereiche der Geschichtswissenschaft (Religions-, Literatur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte) an. Sie wird heute als Ergänzung der traditionellen, auf Politik und Diplomatie hin orientierten Geschichtsforschung angesehen.
Kulturwissenschaften, eine die (geistes-)geschichtlichen, kunst- und literaturwissenschaftlichen, philosophischen, psychologischen und soziologischen Fragen der Kultur integrierende, multidisziplinäre Forschungsrichtung. Besonderes Augenmerk legt die kulturwissenschaftliche Forschung auf die Anthropologie des Kulturschaffens im Bezugsrahmen der jeweiligen gesellschaftlichen, historisch-politischen, literarisch-künstlerischen, ökonomischen und rechtlichen Bedingungen. Auch die so genannten Gender-Studies, Untersuchungen zum Verhältnis zwischen den Geschlechtern und zur Chancengleichheit von Männern und Frauen in der Gesellschaft, haben seit einigen Jahren einen festen Platz innerhalb der Kulturwissenschaften. Zu den Kulturwissenschaften können neben den genannten Disziplinen weiterhin die Politische Ökologie und die Kulturökologie gerechnet werden.
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