Für wirtschaftliche Unternehmungen gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Internet zu nutzen. Dazu zählen:
- die interne Kommunikation
- die Kommunikation mit anderen Unternehmen
- die Kommunikation mit potentiellen und tatsächlichen Kunden
- der Verkauf von Produkten und Dienstleistungen
- der Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen
- die Abwicklung finanzieller Transaktionen
- die Beobachtung der Kommunikation in bestimmten Teilen des Internet
Für die Kommerzialisierung des Internet sind vor allem die Aspekte relevant, die die Kommunikation und Interaktion mit dem (nicht dem Unternehmen angehörenden) Individuum berühren. Deshalb werden die Verbesserung der internen Kommunikation z.B. durch die Nutzung der Internethard- und software in sogenannten Intranets oder auch die Business-to-Business-Kommunikation nicht berührt.
Im folgenden werden die für die kommerzielle Nutzung des Internet relevanten wirtschaftli¬chen Begriffe erläutert und darauf aufbauend die möglichen Systematiken ihrer Anwendung diskutiert.
3.1 Begriffserläuterungen
3.1.1 Die Begriffe Markt und elektronischer Markt
Wenn im folgenden vom Markt die Rede ist, wird darunter die Gesamtheit ökonomischer Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Gruppe gleichberechtigter Wirtschaftssubjekte verstanden, die ohne Zwang institutionalisierte Geschäftstransaktionen vollziehen .
In den letzten Jahren hat sich der spezifizierende Begriff des elektronischen Marktes herausgebildet. In einem elektronischen Markt stehen sich mehrere rechtlich unabhängige Anbieter und Nachfrager gegenüber und tauschen über einen elektronischen Preisbildungs¬mechanismus frei Güter und Dienstleistungen aus . Vorteile elektronischer Märkte sind die Reduktion von Such- und Produktkosten auf Nachfragerseite und Kostenreduktion bei Geschäftstransaktionen sowie schnellere und bessere Informationen über Marktbedürfnisse auf Anbieterseite . Man unterscheidet zwischen zentralen und dezentralen elektronischen Märkten, wobei in den dezentralen im Gegensatz zu den zentralen Märkten keine zentrale preisbildende Institution (wie etwa bei Auktionen) vorhanden ist, sondern Anbieter und Nachfrager direkt miteinander kommunizieren und über eigene elektronische Absatz- bzw. Beschaffungssysteme versuchen, die für sie günstigsten Preise zu ermitteln . Die informations- und kommunikationstechnologische Infrastruktur, die einem elektronischen Markt zugrunde liegt, ist der elektronische Marktplatz .
Ein offener elektronischer Markt ist vor allem durch drei Kriterien definiert :
1. Technologische Offenheit: Benutzer heterogener technischer Einrichtungen haben Zugriff auf das Handelssystem.
2. Benutzeroffenheit: Der Zugang ist einfach, allgemein bekannt und an verschiedenen Stellen gleichartig.
3. Juristische Offenheit: Diese Offenheit ist zum einen dadurch definiert, daß jeder Interes¬sierte das Recht zur Teilnahme und ein Recht auf Anonymität hat, also daß er seinem Geschäftspartner nicht unbedingt bekannt sein muß.
Neben dieser Offenheit der Kommunikationssysteme ist auch eine Offenheit von der Markt¬seite gegeben, nämlich Offenheit für beliebige Nachfrager, Anbieter und Produkte .
An dieser Definition gemessen ist das Internet noch kein dezentraler offener elektronischer Markt, entwickelt sich jedoch dahin. Im Gegensatz zu der Dezentralität ist die Offenheit dem Internet nicht systemimmanent. Die technologische Offenheit wird mit Hilfe übersetzender Sprachen wie TCP/IP und die sich im Internet immer mehr ausbreitende Computersprache Java nahezu erreicht, der Zugang wird durch den steigenden Wettbewerb von Zugangsanbietern erleichtert (wenn er auch aufgrund mangelnder Einwählknoten durch die unterschiedlich hohen Telefonkosten noch nicht als an verschiedenen Stellen gleichartig bezeichnet werden kann). Die juristische Offenheit im Sinne eines anonymen Zugangs ist im Internet nur bei Gastzugang, öffentlichen Mailboxen und einigen Providern vorhanden .
3.1.2 Die Begriffe Marketing und Electronic Marketing
Der Begriff Marketing hat mehrere Dimensionen; man kann ihn als Maxime, Mittel und Methode verstehen. Eine Maxime ist Marketing für die Verantwortlichen eines Unterneh¬mens, die ihre den Markt berührenden Entscheidungen an den Erfordernissen und Bedürf¬nissen der Verbraucher orientieren. Als Mittel versteht man Marketing als die Gesamtheit der Maßnahmen, die zum Erreichen dieser Maxime ergriffen werden. Wenn diese Mittel auf der Basis einer systematischen Entscheidungsfindung ergriffen werden, spricht man schlie߬lich von Marketing im Sinne einer Methode .
Es gibt vier sogenannte Managementfunktionen, die für den Marketingbereich von Bedeu¬tung sind und seine Werkzeuge ausmachen:
- Zum einen ist dies die Sammlung von Informationen über die Umwelt, über vorhandene Instrumente und Möglichkeiten zur Marktbeeinflussung, über innerbetriebliche Restriktio¬nen sowie über die Wirkungen, die die Instrumente unter verschiedenen Umweltsituationen haben .
- Eine zweite Managementfunktion ist die Planung, die auf der Kenntnis der Marktgegeben¬heiten basiert. Ihre absatzpolitischen Aktionsparameter sind Produktpolitik, Entgeldpolitik, Distributionspolitik und Kommunikationspolitik, die jeweils eine Fülle von Handlungsmög¬lichkeiten und Strategien beinhalten . Aufgrund ihrer englischsprachigen Bezeichnungen (product, price, place, promotion) werden diese vier Begriffsobergruppen auch als die vier \"Ps\" bezeichnet. Das Ergebnis des Abwägens, welche dieser Instrumente wie stark gewich¬tet werden, wird mit dem Begriff \"Marketing-Mix\" beschrieben.
Das Marketing beinhaltet somit alle Phasen des Verkaufsprozesses, nämlich Verkaufsvorbe¬reitung, die Verkaufsdurchführung und die Verkaufsnachbereitung . Während die Verkaufsvorbereitung hauptsächlich aus Werbung, Absatzförderung und Promotion/Public Relation (den drei Kernbereichen der Kommunikationspolitik) besteht, umfaßt die Verkaufsdurchführung mit Zahlung und Distribution Instrumente der Entgeld- und Distributionspolitik und die Verkaufsnachbereitung mit dem Kundendienst und der Kontaktpflege Instrumente der Produkt- und Kommunikationspolitik.
- Die Durchsetzung dieser Planung wird durch eine entsprechende marktorientierte Organi¬sation gewährleistet .
- Die Marketing-Produktivitätskontrolle erforscht letztlich, inwieweit die angewandten Strategien erfolgreich waren. Die Beurteilung von Erfolg bzw. Mißerfolg ist dabei eine äußerst komplexe Angelegenheit, da die \"Quellen des Unternehmenserfolges [...] indessen so vielfältiger Art [sind], daß sie sich einer auch nur annähernd vollständigen Erfassung und Durchleuchtung entziehen.\" So ist z.B. zu berücksichtigen, daß sich der Erfolg nicht ímmer sofort und auch nicht immer in monetären Kategorien messen läßt .
Electronic Marketing ist ein Sammelbegriff für alle marketingrelevanten Bereiche, in denen elektronische Komponenten und Systeme der Informations- und Kommunikationstechnolo¬gien zur Anwendung kommen . Herrmanns und Flegel grenzen die folgenden Marketing¬teilbereiche voneinander ab, in denen Electronic Marketing zum Einsatz kommen kann :
- Der Bereich Markt- und Marketingforschung umfaßt das Instrumentarium, das Entschei¬dungskriterien für Erarbeitung, Einsatz und Kontrolle von Marketingkonzeptionen erstellt. Es umfaßt sowohl die Marketingfunktionen Sammlung von Informationen und Kontrolle aus der für das Marketing dargestellten Systematik.
- Marketing-Entscheidungsunterstützung bezeichnet die Umsetzung der Ergebnisse des Forschungsbereiches in Informationen für strategische und operative Planung. Dieser Bereich stellt ein Bindeglied zwischen den Marketingfunktionen Sammlung von Informatio¬nen und Planung dar.
- Strategisches Marketing \"kennzeichnet allgemein die langfristige Dimension des Marketing als Führungskonzeption.\" Dadurch ist es mit der Marketingfunktion Durchsetzung und Organisation vergleichbar.
- Das operative Marketing umfaßt die im Rahmen des strategischen Marketings zu konkre¬tisierenden und zu realisierenden Marketingziele und die Marketinginstrumente Produkt-, Kommunikations-, Kontrahierungs- (Entgeld-, Preis-) und Distributionspolitik. Es ist somit weitestgehend mit der Marketingfunktion Planung identisch.
- Branchenorientierte Anwendungsformen: Verschiedene Branchen wie u.a. der Konsumgü¬ter-, Dienstleistungs-, Banken-, Handels- oder der Tourismussektor benötigen individuelle Informations- und Kommunikationstechnologie-Systeme.
Für die Systematisierung der Geschäftsaktivitäten auf dem und mittels des Internet schlage ich Nutzung der vier Aktionsparameter Kommunikations-, Produkt-, Entgeld- und Distri¬butionspolitik vor, die durch den als Datenlieferanten und Erfolgskontrollinstanz firmieren¬den Bereich Markt- und Marketingforschung ergänzt werden sollen.
Diese Unterscheidung ist nicht unproblematisch, da neue, sich z.T. durch das Internet erst im vollen Umfang entfaltende Marketingkonzepte auf der übergreifenden Zusammenarbeit und damit dem teilweisen Zusammenhang dieser Bereiche basieren. Andererseits existiert noch keine andere Systematik, die eine strukturierte Beobachtung einzelner Marketingak¬tivitäten erlauben würde. Ohne eine diesbezügliche Struktur wäre zwar eine zwischen den einzelnen Bereichen und operativen und strategischen Marketingteilbereichen übergreifende Analyse möglich, es bestünde allerdings auch die Gefahr der Beliebigkeit.
Um sowohl dem Bedürfnis nach Strukturierung als auch dem nach einer ganzheitlichen Sicht Rechnung zu tragen, werde ich vorhandene Bezüge zwischen den einzelnen Teilberei¬chen durch Verweise deutlich machen und - wenn es der Bezug zum Internet nötig macht - auch auf strategische, also der eigentlichen Tätigkeit übergeordnete Überlegungen eingehen.
Nach der Darstellung der Motivation für eine Internetpräsenz im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Internetaktivitäten der dargelegten Systematik gemäß untersucht und eingeordnet. Dabei werden diese einzelnen Aktivitäten nur dann ausführlich behandelt, wenn ihre Anwendung im Internet eine neue Qualität besitzt. Aufgrund der (verglichen mit anderen Medien) neuen Kommunikationsformen, die verschiedene Dienste des Internet ermöglichen bzw. erfordern, wird der Schwerpunkt auf der Kommunikationspolitik liegen, welche in allen ihren Bereichen für das Internet neue Konzepte entwickelt hat.
3.2 Motivationen für eine Internetpräsenz von Unternehmen
3.2.1 Arten der Internetnutzung
Ein entscheidender Faktor für die Entscheidung für oder wider eine Internetpräsenz ist die Häufigkeit, mit der die Internetnutzer auf bestimmte Angebote zurückgreifen bzw. zurückgreifen wollen. Eine Umfrage unter deutschen Online-Nutzern ergab unter den Nutzungsarten folgende Präferenzen:
Tabelle 4: Nutzung des Internet (Quelle: MC Informationssysteme/Target Group (Hrsg.): MC Online-Monitor I/96, Executive Edition, Bad Homburg, 1996 (hier: Umfrage unter 1.063 Online-Nutzern), rezitiert nach: Zimmer, S.490)
Nutzungsart Nutzungshäufigkeit in % (Mehrfachnennungen möglich)
Informieren 74,1%
Downloads (Herunterladen von Software) 55,6%
Foren 37%
Anbieterdialog 23,3%
Spiele 17,8%
Shoppen 13%
Zahlungsverkehr 11,1%
Eine WWW-interne gemeinsame Studie des SWF, des Fraunhofer Instituts und der Universität Karlsruhe kommt auf einzelne Angebote bezogen auf folgende Verteilung der Nutzungspräferenzen deutscher User:
Tabelle 5: Nutzungsarten des Internet (Quelle: Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Südwestfunk, Telecooperation Office an der Universität Karlsruhe: IST-Online-Umfrage I; Baden Baden, Karlsruhe, 1996 (vom November 1995 bis Januar 1996 durchgeführte Umfrage unter 3.064 selbstausgewählten WWW-Nutzern), rezitiert nach: Zimmer, S.490)
Angebot Nutzung sehr oft Nutzung oft
Suchprogramme 30% 35%
Updates/Hotlines 28% 31%
Produktinformationen 12% 33%
Freizeitinformationen 10% 33%
Datenbanken/Lexika/Archive 14% 10%
Einkaufen 0,2% 2%
Reisebuchungen 0,2% 1%
Auch durch weitere Studien ist Zimmer zufolge belegt, daß deutsche Internetnutzer derzeit überwiegend nach nutzen- und informationsorientierten Angeboten verlangen, unterhal¬tungsorientierte Nutzung ebenso wie der Einkauf dagegen eher untergeordnetes Interesse wecken . Dabei ist die geringe Nutzung von Einkaufsangeboten keine deutsche Besonder¬heit. Die internationale, vor allem amerikanisch dominierte GVU-Umfrage fand in ihrer vierten Umfrage (Oktober/November 1995) heraus, daß 11,1 % der befragten WWW-Nutzer das Internet zum Einkaufen nutzen .
Im Widerspruch dazu steht die WWW-interne Umfrage von Fittkau/Maaß unter deutschen WWW-Nutzern, die ergab, daß 42% finden, daß sich das WWW zum Einkaufen/Shopping gut bzw. sehr gut eigne . Die ebenfalls im WWW erhobene IDC/IAO-Umfrage fand gar heraus, daß bei 61% der befragten Internetnutzer ein Interesse am Online-Shopping besteht. Tatsächlich zum Warenkauf genutzt hatten das WWW bis dahin jedoch nur 25% .
3.2.2 Im Internet vertretene Branchen und die Motivationen ihrer Präsenz
Während die ersten Firmen, die ihre Produkte im Internet anboten, wissenschaftliche Verlage und Computerhersteller waren, die die ursprüngliche wissenschaftliche Klientel des Internet als potentielle Kunden umwarben , so hat sich die Anzahl der sich im Internet engagierenden Branchen ebenso wie die Nutzeranzahl und -struktur deutlich erweitert. Einen Beleg dafür liefert der Anteil der \".com\"-Sites an den gesamten Web-Sites, der von Juni 1993 bis Juni 1996 von 1,5% auf 68% anstieg. Da bei diesem Anteil die unter nationa¬len Top-Level-Domains benannten kommerziellen Sites nicht erfaßt sind, wird vermutet, daß der tatsächliche Anteil kommerzieller Sites über 80% liegt .
Neben internetinternen Diensten wie Suchmaschinen, Netzines (Internetmagazine) oder Datenbanken sind vor allem die Hersteller komplexer, erklärungsbedürftiger Produkte (vor allem aus der Computerbranche), die Hersteller von Produkten, die starkem Wettbewerb unterliegen, verstärkt auch Hersteller einfacher Produkte sowie die Anbieter von Dienst¬leistungen (Buchungen, Finanzdienstleistungen usw.) im Internet präsent. Diese Verteilung spiegelt sich beispielsweise - abgesehen von einer werbespezifischen Überrepräsentierung des Mediensektors - in der Verteilung der Werbetreibenden im WWW (vergleiche Abschnitt 3.3.1.1). Dabei eignen sich unabhängig von der Branche besonders Produkte, die ein großes Verbreitungsgebiet haben, selten zu findende Produkte, sowie Produkte, die starkem Wett¬bewerb ausgesetzt sind, für die Präsentation und gegebenenfalls auch für den Verkauf durch das Internet .
Einer Studie des deutschen Internetmarktes zufolge werden von den deutschen Internetnut¬zern vor allem Software (44.7%), Elektronik (28,8%), Textilien (21,3%) und Papierwaren (11,9%) mittels des Internet gekauft .
Die Präsenz im Internet dient jedoch nicht immer dem Verkauf, sondern hat unterschied¬lichste Motive. Die wichtigsten sind :
1. Stärkung des Unternehmensimages: Im Internet präsente Unternehmen werden als fort¬schrittlich und zukunftsorientiert angesehen .
2. Aufbau von Know-how: Viele Unternehmen glauben an den Durchbruch des Internet als Massenmedium und präsentieren sich dort bereits frühzeitig, auch wenn die Refinanzierung ihres Engagements bei den heutigen Nutzerzahlen noch nicht sicher ist. Sie nutzen das Internet als Lernmedium. Sie versuchen, aus ihren positiven wie negativen Erfahrungen Schlüsse zu ziehen und so gegenüber nachziehenden Konkurrenzen einen Wettbewerbsvor¬teil zu erreichen. Diese Learning-by-Doing-Strategie wird beispielsweise in bezug auf multimediale Anwendungen von dem Marketingberater Robert Weiss folgendermaßen empfohlen:
\"Heute geht es darum, die Möglichkeiten und Grenzen der kommenden Technik zu verstehen und aus dieser Kenntnis intern entsprechende Kompetenzen aufzubauen, um als künftiger Benutzer die entstehenden Applikationen mitzugestalten.\"
Allerdings empfehlen Experten auch, dem frühzeitigen Internetengagement eine präzise Planung voranzustellen statt Trial-and-Error, also das Lernen aus Fehlern zu praktizieren, da dies zu unausgereiften und unfertigen Angeboten führen könne, die deren Nutzer verprellten .
3. Sicherung der Kundenbindung: Die Beantwortung von Kundenanfragen per E-Mail kann die Beziehung zu den Kunden ebenso pflegen wie die Einrichtung einer privaten Homepage des Kunden auf dem eigenen Server .
4. Verbesserung des Kundendienstes: Gebrauchsanweisungen, Informationen über neue Produkte sowie verschiedenste Serviceleistungen können z.B. im WWW bereitgestellt werden, was die Kosten für Telefonhotlines, gedruckte Prospekte und Wartungspersonal senkt.
5. Erschließung eines neuen Vertriebskanals: Herstellern ist es durch das Internet möglich, ihre Produkte selbst zu vermarkten und somit in Konkurrenz zu Handelsunternehmen zu treten.
6. Des weiteren gibt es für die Präsenz im Internet niedrige Eintritts- und Austrittsbarrieren. Joachim Lüninck bezifferte beispielsweise den Jahrespreis für eine grafisch aufbereitete Homepage mit Responsefunktion auf 4530 DM .
7. Auch die Durchbrechung der zeitlichen und örtlichen Limitierungen \"realer\" Handelsum¬welten ist ein Motiv für den sogenannten Internetauftritt. Die potentiellen Adressaten beispielsweise von WWW-Seiten sind alle Internetnutzer (vorausgesetzt, das Unternehmen stellt mehrsprachige Angebote zur Verfügung). Außerdem ist das Angebot nicht an Öffnungszeiten gebunden, sondern rund um die Uhr erreichbar.
3.2.3 Internetgeschäftsmodelle
Verschiedene Branchen kommen mit verschiedenen Motivationen in das Geschäftsfeld Internet und verfolgen verschiedene Ziele. Zum gegebenen Zeitpunkt haben sich deshalb auch unterschiedliche Geschäftsmodelle herausgebildet, die sich mittels verschiedener Systematiken fassen lassen. Hoffman et al. unterscheiden zwischen folgenden Typen kommerzieller WWW-Sites:
- Destination Sites - Online-Geschäft (Online Storefront)
- Internetpräsenz (Internet Presence)
- Bloße Anzeige (Flat Ad)
- Unterhaltende Site (Image)
- Informative Site (Information)
- Inhalt (Content)
- Kostenpflichtig (Fee-Based)
- Werbefinanziert (Sponsored)
- Suchbare Datenbanken (Searchable Database)
- Web Traffic Control Sites - Einkaufszentrum (Mall)
- Anreiz (Incentive Site)
- Suchagenten (Search Agent)
Malls sind virtuelle Kaufhäuser, also sozusagen Meta-Sites, die mehreren virtuellen Geschäften (Online Storefronts) eine Homepage bieten . Als Anreize bezeichnen Hoffman et al. anlockende WWW-Seiten, die von Unternehmensseite aus dazu dienen, Besucher auf den Anbieter aufmerksam zu machen und auf die eigentlichen kommerziellen Sites weiterzu¬leiten. Malls und Anreize steuern den WWW-Verkehr ebenso wie Suchagenten zu den Destination Sites (Ziel-Sites), die die Nutzer eigentlich besuchen wollen bzw. nach dem Wunsch der Unternehmen besuchen sollen. Dazu zählen virtuelle Geschäfte, Content genannte Sites, unter die z.B. Netzines fallen, sowie die bloße - z.B. der Selbstdarstellung dienende - Internetpräsenz.
Das Modell ist allerdings nur bedingt dazu geeignet, verschiedene Modelle und dahinter stehende Ziele von Unternehmen aufzuzeigen, da die Unterteilung in vielen Fällen keine klare Abgrenzung zwischen den einzelnen Typen erlaubt. So kann man unterhaltsame Sites wie die der Fernsehsendung Harald-Schmidt-Show gleichwohl als unterhaltende Internet¬präsenz des Fernsehsenders Sat1 als auch als werbefinanzierte Inhalts-Site ansehen. Auch die Unterscheidung zwischen Datenbanken und Suchagenten gestaltet sich zunehmend schwieriger, da sich Kataloge wie Yahoo! (URL: https://www.yahoo.com/) auch zu Suchmaschinen weiterentwickeln und so keine klare Trennlinie zwischen Verkehrssteue¬rungs- und Ziel-Site mehr gegeben ist.
Alpar kritisiert an diesem Modell des weiteren, daß es Internetgeschäftsmodelle außerhalb des WWW nicht berücksichtigt. Deshalb schlägt er eine Unterscheidung vor zwischen
\"1. Aktivitäten, die der Unterstützung internetunabhängiger Geschäftsfelder dienen, und
2. Aktivitäten, die der Erschließung von Geschäftsfeldern mit Bezug zu Internet dienen.\"
Durch den Vergleich beider Modelle stellt Alpar fest, daß Zielplätze meist internetunabhän¬gige Geschäftsfelder unterstützen, während Web Traffic Control Sites oftmals neue Geschäftsfelder darstellen .
Eine \"harte\" Abgrenzung ist allerdings auch zwischen den beiden Unterscheidungskriterien Alpars nicht möglich. So kann die Präsenz eines Versandhauses im Internet ebenso als Unterstützung des internetunabhängigen Geschäftsfeldes Versandhandel wie als Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes angesehen werden, je nachdem, ob man das Internet als Netzinfrastruktur oder als Raum (\"Cyberspace\") begreift.
Trotz aller erwähnten Nachteile, die auch mit dem raschen Wandel des Mediums zusammenhängen, dienen beide Modelle doch zumindest als grobe Richtschnur, die verschiedene Internetaktivitäten einzuordnen hilft.
3.3 Formen der Kommunikationspolitik im Internet
Der Bereich der Marketing-Kommunikationspolitik kann in direkte und indirekte Kommu¬nikation unterteilt werden. Unter die direkte Kommunikation fallen alle Instrumente, die auf einen direkten Kontakt bzw. Dialog zwischen Sender und Empfänger ausgerichtet sind. Dazu zählen Direktwerbung, Direkt-Öffentlichkeitsarbeit und Direkt-Verkaufsförderung . Indirekte Marketingkommunikation umfaßt dagegen unter anderem die klassische Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit sowie das Sponsoring , also alle Kommuni¬kationsinstrumente, die nicht den Dialog mit dem Individuum, sondern den Kontakt mit einem Massenpublikum suchen.
Aufgrund der jeweiligen kommunikativen Eigenschaften der Internetapplikationen setzt sich mehr und mehr die Auffassung durch, daß diese - vor allem das WWW, E-Mail, Usenet News und Mailinglisten - sich hauptsächlich für direkte Kommunikationsformen eignen. Es finden sich jedoch im WWW auch indirekte Kommunikationsformen, die zum Teil massen¬medialen Charakter haben. Die folgenden Abschnitte stellen die wichtigsten Formen der im Internet genutzten Marketingkommunikation vor.
3.3.1 Formen der indirekten Kommunikation
Dieser Subbereich der Marketingkommunikation spricht den Nutzer nicht direkt an, sondern richtet sich an ein mehr oder weniger breites Publikum. Der im Internet fast ausschließlich für diese Kommunikationsform genutzte Dienst ist das World Wide Web. Lediglich Ange¬bote im WWW, die sehr hohe Nutzerzahlen aufweisen, können noch als Pendant der \"klassischen\" massenmedialen Werbe- und Kommunikationsformen erkannt werden. Der Großteil der kommerziellen Angebote richtet sich an einen speziellen Nutzerkreis, so daß diese prinzipiell eher \"Schmalfunk\" als \"Rundfunk\" betreiben. Unabhängig von der Reich¬weite bleibt allen Formen indirekter Marketingkommunikation das Sender-Empfänger-Prin¬zip gleich, da sie den Nutzer als lediglich bei der Auswahl der \"Programme\" aktiven Rezi¬pienten einbinden.
3.3.1.1 Formen der indirekten Werbung im World Wide Web
Der Begriff Werbung sei hier verstanden als Versuch der Meinungsbeeinflussung bezüglich eines beliebigen Gegenstandes (in der Wirtschaftswerbung meist bezüglich eines Produktes, einer Marke oder eines Unternehmens) durch besondere Kommunikationsmittel .
Im WWW findet sich Werbung vor allem als Bannerwerbung: Werbetreibende zahlen an die Betreiber populärer bzw. oft besuchter WWW-Seiten und dürfen als Gegenleistung ihr meist nur wenige Quadratzentimeter großes Logo (Banner) auf dieser Seite plazieren. Diese Werbeform kann sowohl mit Anzeigenwerbung in Zeitschriften verglichen werden als auch als Sponsoring der Site aufgefaßt werden. Unter Sponsoring versteht man
\"die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit der Bereit¬stellung von Geld, Sachmitteln oder Dienstleistungen durch Unternehmen für Personen oder Organi¬sationen im sportlichen, kulturellen oder sozialen Bereich zur Errichtung von unternehmerischen Marketing- und Kommunikationszielen verbunden sind.\"
Werbeträger sind im WWW größtenteils Online-Ableger bekannter Zeitungen (z.B. Bild online), Magazine (Spiegel online, TV Movie on), Fernseh- und Radiosendern und -sendun¬gen (Pro 7, Die Harald Schmidt Show) sowie Internetdienste (Webcrawler, Netscape) und zur Zeit vor allem in den USA internetspezifische Nachrichten- und Unterhaltungsangebote (Pathfinder, PointCast Network). Als Werbeträger bieten sich grundsätzlich alle Arten stark frequentierter Webpages an. Allerdings verhält es sich zumindest in den USA, wo diese Werbeform sich am frühesten entwickelte, so, daß sich die Werbeeinnahmen auf die popu¬lärsten WWW-Angebote konzentrieren. So verteilten sich im vierten Quartal 1995 75% der sich auf 12,4 Millionen US-$ belaufenden Einnahmen für Bannerwerbung auf die zehn erfolgreichsten WWW-Werbeträger .
Die Werbetreibenden entstammen dabei vor allem dem Medienbereich (20 von 84 in Deutschland, Ende Juni 1996), dem Banken- und Versicherungssektor (11), der Computerbranche (8), sowie den Bereichen Reise/Erholung (7), Internetproviding (7), Zigaretten (6), Nahrung/Genußmittel (5) und Auto/Verkehr (5) . Der hohe Anteil des Medien- und des Computersektors ist auch eine Folge des Anzeigentausches der Werbeträ¬ger untereinander. Diese Praxis ist mit den im jetzigen Anfangsstadium der Online-Werbung noch weit verbreiteten Rabatten der Hauptgrund dafür, daß es noch keine verläßlichen Zahlen über die Internetwerbeumsätze gibt .
Die geringe Größe der Werbebanner ist ein Grund dafür, daß Vertreter von Werbeagentu¬ren dem Internet die Eignung als Werbemedium absprechen . Tatsächlich ist die Banner¬werbung nur eine Möglichkeit von vielen, auf das WWW-Angebot eines Unternehmens aufmerksam zu machen. Dazu zählen ferner die Registrierung der Site in WWW-Suchsy¬stemen und -Katalogen, Preisausschreiben, die Bezahlung der Werberezipienten und vor allem Nennung der URL in Print- und TV-Werbekampagnen, Firmenprospekten und dergleichen, was als effektivste Art der Bekanntmachung des WWW-Angebots angesehen wird .
Bei der URL-Auswahl ist auch ein wichtiger Faktor, daß die URL in engem Zusammenhang mit dem Firmennamen oder einem eingeführten Markennamen und möglichst kurz und einprägsam ist. Das machten sich in jüngster Vergangenheit Domainnamenhändler zunutze, die Domainnamen, die Marken-, Firmen- und Städtenamen registrieren ließen, um sie anschließend an die fraglichen Firmen und Kommunen zu verkaufen . Nach Grundsatzur¬teilen zu Klagen der Stadt Heidelberg und des Unternehmens Maggi gegen diese Praxis wird dies zukünftig jedoch nicht mehr möglich sein .
Eine mit dem Fernsehen vergleichbare Reichweite haben WWW-Banner selbst in den popu¬lärsten Sites nicht, doch sie haben einen entscheidenden Vorteil: Fast alle Werbeschaltungen im WWW sind als Hyperlink konzipiert . Das bedeutet, daß sie den interessierten Nutzer durch einfaches Anklicken auf die Homepage oder eine andere Werbeplattform des Werbe¬treibenden \"führen\". Der eigentliche Sinn der Bannerwerbung ist also primär nicht der \"Kontakt\" (darunter versteht man die Kontaktmöglichkeit eines Nutzers mit einem Werbemittel), sondern die Hinführung des Nutzers auf die WWW-Site des Werbetreiben¬den.
\"Online-Werbeträger bilden somit eine Schnittstelle zwischen klassischer Massen- und interaktiver Individualkommunikation. Der Kontakt mit einem Werbelogo, sein passives Betrachten entspricht der Rezeption einer Anzeige. Der Klick auf das Logo ist Ausdruck des individuellen Interesses des Werbungstreibenden.\"
Diese auf dem Hypermediaprinzip basierende Form der Werbung redefiniert (vom massen¬medialen Prinzip ausgehend) sowohl die Beziehung zwischen Werbetreibendem und Mediennutzer, als auch zwischen Werbeträger und Werbemittel:
Für die Beziehung zwischen Werbetreibendem und Mediennutzer bedeutet die Hyperlink¬werbung eine Abkehr vom Broadcastingprinzip und die \"Anerkennung\" des mündigen Verbrauchers durch die Werbebranche. Im WWW wird die Werbung dem Nutzer nicht wie in den Massenmedien unaufgefordert präsentiert, sondern er wird von ihr lediglich \"eingeladen\"; die Initiative zum Besuch der kommerziellen Site geht vom Nutzer aus. Der Werbetreibende kann die Werbung nicht zum WWW-Nutzer bringen (push), sondern muß diesen durch Anreize aller Art dazu bringen, die Werbung zu konsumieren (pull) . Im Gegensatz zu TV, Radio und Print nimmt die Werbung nur noch mit weniger Nutzern Kontakt auf. Die Kontaktintensität ist dafür wesentlich höher, da der Kontakt von dem Nutzer aufgrund seines Interesses aktiv initiiert wird.
\"Für die Markenkommunikation bedeuten die Neuen Medien dramatische Veränderungen, da sich im Prinzip ein Wandel von der passiven und letztlich redundanten Informationsüberflutung zur aktiven und gezielten Informationssuche vollzieht.\"
Die Werbung entwickelt sich so vom Broadcasting zum Narrowcasting , was neben dem Hyperlinkprinzip von einer weiteren interaktiven Fähigkeiten des WWW forciert wird: Im Bereich der Bannerwerbung ist dies die Fähigkeit von Bannern in Suchmaschinen wie Infoseek, sich im Zusammenhang mit dem vom Konsumenten gesuchten Begriff zu verändern. Wenn der Nutzer also beispielsweise eine Musikgruppe als Suchbegriff eingibt, ist es möglich, den Banner eines CD-Versandes oder einer Plattenfirma auf die Seite zu schalten . Die Nutzung dieser Eigenschaft steckt noch in den Anfängen.
Die Beziehung zwischen Werbeträger und Werbetreibendem wird im WWW durch ein neues Konkurrenzverhältnis um das Zeitbudget des Nutzers geprägt. Denn wenn ein Nutzer das WWW-Angebot des Werbetreibenden aus eigenem Interesse mittels eines Werbelinks besucht, wird er sich dort auch länger aufhalten und gegebenenfalls nicht mehr zum Ange¬bot des Werbeträgers zurückkehren .
3.3.1.2 Elemente der Public Relations und der Verkaufsförderung im World Wide Web
Voraussetzung dafür, daß WWW-Surfer kommerzielle Sites besuchen ist, daß das WWW-Angebot des Werbetreibenden dem Besucher einen Nutzen und somit Gründe bietet,
\"[...] sich freiwillig und gezielt mit dem Angebot auseinanderzusetzen. Eine solche Online-Präsenz hat nur noch wenig mit dem gemein, was heute landläufig unter dem Begriff Werbung verstanden wird. Online-Werbung ist ein chamälionartiges Geflecht aus verschiedenen Formen und Inhalten, die sich je nach Produkt, Nutzer, Kommunikationsziel oder Situation anpassen. Mal ist sie pure Information, mal Gewinnspiel, mal konkreter Zusatznutzen, mal Sponsoring\" .
Das Angebot des Werbetreibenden, seine WWW-Site, ist keinen zeitlichen und räumlichen Beschränkungen wie der 30-Sekunden-Form von TV-Spots oder der ganz- oder halbseiti¬gen Anzeige in Zeitschriften unterworfen. Dementsprechend haben diese Sites auch ganz unterschiedliche Formen. Sie können beliebig viel informativen oder unterhaltsamen Text, Grafiken oder Spiele beinhalten und verfolgen dementsprechend viele Ziele, die zum Teil weit über die der Werbung hinausgehen. Die Grenzen zwischen Werbung, Public Relations und Verkaufsförderung verschwimmen .
Als Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) bezeichnet man die Pflege der Beziehungen zwischen einem Auftraggeber und einer spezifischen Öffentlichkeit, die darauf zielt, gegen¬seitiges Verständnis und Vertrauen aufzubauen . Mittel der Public Relations sind vor allem PR-Inserate und -Veranstaltungen, Vorträge, Informationsbroschüren, Hauszeitschrif¬ten und Presseinformationen . Verkaufsförderung ist ein zeit- und marktsegmentspezifisch einsetzbares Kommunikationsinstrument des Marketing-Mix, die durch personen- und sachbezogene erweiterte Leistungen zum Angebot informiert und beeinflußt .
Einzig eine Motivation ist bei allen kommerziellen Sites gleich: Sie wollen dem Besucher einen Grund bieten, das Angebot erneut und am besten regelmäßig und zeitlich extensiv zu besuchen. Oder, wie das Multimedia Magazin diese Beobachtung auf den Punkt bringt: \"100.000 Besucher sind nichts wert, wenn sie nicht mehrfach wiederkommen.\" Die dazu geeignetsten Elemente kommerzieller WWW-Sites sind:
- produktfremder Service: Jäschke/Albrecht raten die auch Benefitting genannte Fokussie¬rung ihrer Homepages auf produktfremden Informationsnutzen in erster Linie den Herstel¬lern von Low-Involvement-Produkten (Verbrauchswaren) . Doch auch Unternehmen, die nicht diesem Sektor angehören, bieten dem Nutzer ihrer Angebote Dienste, die mit ihren eigentlichen Produkten oder Dienstleistungen nichts oder wenig zu tun haben. So bietet die in München ansässige Vereinsbank (https://www.vereinsbank.de) im WWW nicht nur Bankdienstleistungen an, sondern stellt auch Marktanalysen zu unterschiedlichen Themen bereit. Das WWW-Angebot der Tageszeitung Rheinische Post, RP-Online, bietet bis auf Kleinanzeigen keine Zeitungstexte, dafür jedoch ein virtuelles Bürgerhaus, wo Nutzer unter anderem Behördenformulare auf ihren PC laden können . Die WWW-Site des Sportarti¬kelherstellers Reebok, Planet Reebok (https://www.planetreebok.com) bietet Informationen über Sportereignisse und Sportler, sowie Tips für Fitneßprogramme, so daß die eigentlich beworbenen Produkte tendenziell in den Hintergrund geraten. Eine 1996 veröffentlichte Studie von Altobelli/Hoffmann, die 54 Marketingauftritte deutscher Unternehmen im WWW untersuchte, entdeckte bei 31% Benefittingcharakter (Überschneidungen mit ande¬ren Kategorien waren möglich) .
- Unterhaltung: Kostenlose Computerspiele und Gewinnspiele sind verbreitete Mittel, um Nutzer zum Besuch kommerzieller Homepages zu bewegen. Altobelli/Hoffmann kamen beispielsweise bei der Auswertung der WWW-Auftritte deutscher Unternehmen zu den Ergebnissen, daß Gewinnspiele in etwa 20% der Sites, besonders stark in denen von Versandhandelsunternehmen vertreten sind . Diese spielorientierte Werbeform wird auch als Advertainment bezeichnet und eignet sich vor allem für technisch einfache Produkte und Dienstleistungen . Der bereits erwähnten Auswertung zufolge besitzen 15% der WWW-Sites deutscher Unternehmen Advertainmentcharakter .
- Produktinformation: Das WWW bietet eine neue Möglichkeit zur detaillierten und multimedialen Darstellung. Diese auch als Infotisement bekannte Verknüpfung von Information und Werbung eignet sich vorwiegend für erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen . Altobelli/Hoffmann zufolge ist dies bezüglich der WWW-Sites deutscher Unternehmen die verbreitetste Präsentationsform, die von 94% genutzt wird . Die Präsentation kann direkt (z.B. Test digitalisierter Produkte und Dienstleistungen für einen bestimmten Zeitraum), indirekt (z.B. Test einer eingeschränkten Version digitalisierter Produkte und Dienstleistungen) oder medial geschehen . Mediale Darstellung betreibt beispielsweise der Autohersteller Opel (URL: https://www.opel.com), der im WWW zu jedem Fahrzeugtyp technische Daten verbreitet und Vorzüge multimedial darstellt. Diese Art der Präsentation dient vor allem der Verkaufsförderung. Tips zur Wartung und Reperatur technischer Geräte verlagern den Kundendienst in das WWW (vergleiche Abschnitt 3.5.3.2). Nicht nur Produkte, sondern auch die Unternehmen selbst können sich unlimitiert selbst darstellen. Altobelli/Hoffmann zufolge veröffentlichen 39% der deutschen Unternehmen mit WWW-Site Unternehmenspublikationen in derselben . So nutzt z.B. der Haushaltsgerätehersteller AEG das WWW als Public Relations-Medium, indem er seine Firmengeschichte in seiner Site präsentiert (URL: https://www.hausgeraete.aeg.de).
- Dynamik: Da die Nutzer die für sie interessanten Anbieter immer wieder neu definieren, ist Aktualität ein wesentlicher Aspekt der Kommunikation . Eine im November 1995 durchgeführte Umfrage unter deutschen im WWW präsenten Unternehmen ergab, daß 51% ihr Angebot täglich, 32% wöchentlich und 14% monatlich aktualisieren, wohingegen nur 3% eine Aktualisierung für unnötig halten .
- attraktive Gestaltung: Marketingexperten empfehlen die Integration von Text, Ton, Bildern und Videosequenzen, um ein medienadäquates attraktives Angebot zu präsentieren. Eine WWW-Seite baut sich jedoch im Gegensatz zu einer Zeitungsseite nach und nach auf, wobei Geschwindigkeit und Qualität von der Übertragungsgeschwindigkeit der Leitung und des Modems sowie dem Browser abhängen. Deshalb wird inzwischen auch darauf geachtet, geringe Datenmengen zu übertragen, um Besucher nicht durch lange Ladezeiten abzuschrecken . Eine Lösung für dieses Dilemma ist die Bereitstellung von zwei verschie¬denen Versionen der Website; einer schlichten Fassung für die Nutzer langsamer Verbin¬dungen und einer Vollversion für die Nutzer schneller Modems. Dies praktiziert unter ande¬rem das Internet Underground Music Archive (URL: https://www.iuma.com/).
- Des weiteren sind die Aspekte der einfachen Bedienung/Navigation für den Besucher, der Flexibilität der Angebote und der Integration unterschiedlicher Unternehmensangebote von Bedeutung .
Je nachdem, welchen dieser Punkte ein Unternehmen Priorität einräumt, unterscheiden sich Angebote mit vorrangig informativem, unterhaltendem oder service-orientiertem Charakter. Weiterhin gibt es dialogorientierte und transaktionsorientierte Angebote, die in den Abschnitten 3.3.2.3 und 3.6.1 behandelt werden. Wie bereits erwähnt kommt es fast immer zu Mischformen, und zwar nicht nur zwischen der tendenziellen Ausrichtung, sondern auch in der Unterscheidung zwischen Werbeträger und Werbeangebot. Der bekannte Suchagent und jetzige Werbeträger AltaVista war ursprünglich ein Service- und Werbeangebot der Digital Equipment Corporation wie das Netzine und jetziger Werbeträger Spiegel Online ein informatives Werbeangebot des Nachrichtenmagazins Der Spiegel war.
3.3.2 Formen der direkten Kommunikation
Direktmarketing ist eine auf Interaktivität zwischen Kunden und Unternehmen basierende strategische Unternehmensausrichtung. Sie umfaßt alle marktgerichteten Aktivitäten, die direkte Kommunikation bzw. Direktvertrieb oder Versandhandel nutzen, um Zielgruppen in individueller Einzelansprache zu erreichen, als auch Aktivitäten, die mehrstufige Kommuni¬kation nutzen, um direkten individuellen Kontakt herzustellen . Direktmarketing hat umgehende und meßbare Reaktionen des Beworbenen zum Ziel . Seine Instrumente sind Direktwerbung, Direkt-Verkaufsförderung und Direkt-Öffentlichkeitsarbeit.
Direktwerbung beinhaltet alle Werbemaßnahmen, die Zielpersonen mittels Individualmedien ansprechen, sowie sämtliche Werbemaßnahmen in den Massenmedien, die durch Rückkop¬pelungsmöglichkeiten der Herstellung eines direkten Kontaktes zu den Zielpersonen dienen . Man kann somit von zwei Formen der Direktwerbung, der individuellen und der kollektiven Direktwerbung, sprechen. Letztere wird auch Direct-Response-Werbung genannt.
Direkt-Verkaufsförderung und Direkt-Öffentlichkeitsarbeit funktionieren im Rahmen des Direktmarketing analog zu ihrer indirekten Form; der Unterschied liegt hier in der gezielten Ansprache des Individuums.
Das Internet wird etwa seit 1995 von Wirtschaftswissenschaftlern als ideales Mittel für direkte Werbeformen und dialogbasiertes Marketing propagiert. So behauptet beispiels¬weise McKenna:
\"If companies treat new communications media such as the Internet [...] simply as channels for broadcasting messages, distributing products, and processing transactions, they will fail to gain the real benefits of the technology. The power of the new media lies in their ability to draw the indivi¬dual customer into a conversation with the company.\"
Der folgende Abschnitt wird untersuchen, in welchen Formen sich die Dialogaufnahme zwischen Individuum und Unternehmen im Internet gestalten kann.
3.3.2.1 Individuelle Direktwerbung mittels E-Mail
Im Internet wurde diese Werbeform anfangs als weitreichender unaufgeforderter Versand werbender E-Mails an private Nutzer praktiziert. Der Vorteil gegenüber herkömmlichem Vertrieb per Post lag vor allem in den niedrigen Kosten. Doch die Nutzer des Internet waren in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren noch ebenso erfinderisch wie allergisch gegen die kommerzielle Nutzung des Internet. So schickten sie umfangreiche Beschwerdemails in großer Zahl zurück an den Absender der Werbebriefe, um so innerhalb kürzester Zeit dessen Internetanschluß lahmzulegen. Nach wenigen Versuchen netzfremder Firmen wurde diese Methode der direkten Werbung wieder eingestellt, weil der erwünschte Erfolg nicht nur ausgeblieben war, sondern sich in das Gegenteil verkehrt hatte.
Inzwischen sind jedoch durch das Wachstum der Netze - vor allem durch die Bereitstellung eines Internetzugangs für die Kunden kommerzieller Online-Dienste - immer mehr Nutzer in das Internet gekommen, denen die Subkulturwurzeln des Mediums ebenso wie die Netiquette fremd sind. Die neuen Nutzer, die das Medium weniger als Mittel der politischen Selbstbestimmung und freien Meinungsäußerung, sondern vorrangig als riesige Spielwiese und / oder Dienstleistungsbetrieb sehen, haben mit der Werbung erheblich weniger Probleme: Sie sind sie von anderen Medien gewohnt. Deshalb wird der unaufgeforderte Versand von E-Mails inzwischen wieder als Werbemittel genutzt, wie folgende Meldung des Internetfachblattes Pl@net belegt:
\"Die Netzgemeinde ist verärgert. Seitdem immer mehr Unternehmen das Netz entdecken, häufen sich in den Postfächern der User die elektronischen Werbewurfsendungen.\"
Offenbar greifen die \"alten\" Regulationsmodi der Netzgemeinde nicht mehr, weil sich die ursprünglichen kommerzialisierungsfeindlichen Nutzer inzwischen in der Minderzahl befinden. Ob und welche Firmen sich jedoch dem Risiko eines negativen Images aussetzen wollen, ist noch nicht klar. Es ist jedoch zu vermuten, daß Discount-Anbieter nach und nach testen werden, wie die Reaktionen ausfallen und bei positivem Echo eventuell auch namhafte Firmen nachziehen werden.
Allerdings wird die Versendung nicht \"flächendeckend\", sondern zielgruppenspezifisch ausfallen. Das hat mehrere Gründe: So ist das unaufgeforderte Versenden von E-Mails in den Richtlinien einiger Provider ausdrücklich verboten. Der Online-Dienst America Online sperrte nach Beschwerden seiner Kunden die Posteingänge fünf extensiver Werbeversender für sein Netz . Auch ist das zielgruppenungenaue Versenden im Internet gar nicht nötig. So setzt sich beispielsweise mittlerweile die Praxis durch, den Eintritt in beliebte Sites nur Nutzern zu gewähren, die Fragen zu ihrer Person beantworten und ihre E-Mail-Adresse angeben. Den Betreibern dieser Angebote (und anderen, falls erstere ihre Adressensamm¬lungen verkaufen) ist es möglich, Adressenlisten nach Alter, Geschlecht, Wohnort und allen weiteren abgefragten Eigenschaften zu filtern und folglich Werbemails nur an wenige, potentiell interessierte Kunden zu verschicken, was auch die Akzeptanz der Werbung erhöht.
3.3.2.2. Formen der direkten Kommunikation durch Usenet News und Mailinglisten
Das Medium Usenet News kann durch einen \"echten\", also nicht unter der Kontrolle eines Unternehmens befindlichen Dialog neue Möglichkeiten der kollektiven Direktwerbung, aber auch der direkten Verkaufsförderung und der direkten Öffentlichkeitsarbeit eröffnen. Dabei beinhaltet es viele Eigenschaften, die für die Werbenutzung hinderlich sind:
- Ihm fehlt die grafisch ansprechende Gestaltung des WWW.
- Usenet News ist ein polydirektionaler Dienst. Werbung und PR funktionieren aber zumeist monologisch (Anzeigen und Spots in den Massenmedien) oder nur begrenzt dialogisch (Infotelefone, Fragebögen). Ein Unternehmen kann die Kommunikation in Usenet Newsgruppen nicht kontrollieren, sondern ist lediglich ein Sender unter vielen.
- In vielen Usenet Newsgruppen ist eine antikommerzielle Grundhaltung vorhanden. Der bekannteste Beleg dafür wurde im April 1994 erbracht, als die US-amerikanische Anwalts¬kanzlei Canter&Siegel Werbebotschaften an 6.000 Newsgruppen verschickte und von empörten Anwendern so viele Beschwerde-E-Mails (im Internetjargon \"Flames\" genannt) bekam, daß ihr Zugangs-Provider vom Netz abgetrennt werden mußte .
- Die Einrichtung einer Newsgruppe ist reglementiert und dementsprechend kompliziert (vergleiche Abschnitt 2.2.2). Deshalb ist es für ein Unternehmen auch kaum praktikabel, eine eigene Newsgroup zu errichten. Die Nutzung dieses Mediums bleibt also vorrangig auf Unternehmen beschränkt, deren Produkte direkt oder indirekt in bereits vorhandenen Newsgruppen behandelt werden.
Aufgrund dieser Eigenschaften des Usenet raten die Autoren von Internetratgebern Unter¬nehmen zu Einschränkungen der Werbung im Usenet:
- So rät Paul Alpar, Werbebotschaften lediglich in Newsgruppen zu veröffentlichen, die mit \"biz.\" (für \"Business\") gekennzeichnet sind, also kommerzielle Aktivitäten erlauben, diese auch als Werbung zu deklarieren und dosiert zu versenden .
- Mary J. Cronin zufolge ist es unbedingt nötig, die Internetkultur zu respektieren und kommerzielle Beiträge auf die Newsgruppen zu fokussieren, die daran ein spezielles Inter¬esse haben könnten .
Warum nutzen einige Unternehmen, vor allem in den USA, das Usenet trotz dieser Einschränkungen? Die Antwort ist denkbar einfach: Weil die ungefilterte Kommunikation mit besonders interessierten Kunden zahlreiche Chancen für sie bietet, die nicht nur die Kommunikations-, sondern auch die Produktpolitik (vergleiche Abschnitt 3.5.1.1) und die Marketingforschung betreffen (vergleiche Abschnitt 3.7.1).
\"Eine Firmenrepräsentation außerhalb der abgeschirmten Anzeigenwelt des WWW in einer wirklichen Diskussion mit den Kunden und der Kunden untereinander ist sicherlich nicht leicht zu kalkulieren, aber wenn sie gelingt, wird sie sicher positive Rückwirkungen auf die Struktur der Firma haben.\"
Ein fast klassisches Beispiel, das sowohl Risiken als Chancen dieser Kommunikation aufzeigt, ist die Affäre um den Pentium-Chip der Firma Intel : In einer Newsgruppe wurde ein Divisionsfehler des Computerchips zuerst bekannt und durch den vereinten Druck der Verbraucher in dieser Gruppe wurde Intel zu einer Umtauschaktion bewegt. Die Firma hatte in der Diskussion versucht, die Nutzer zu beschwichtigen, da der Fehler nur bei einer selten benötigten Rechenanwendung auftrete. Diese Taktik hätte einzelnen isolierten Anwendern gegenüber Erfolg haben können, was jedoch im Usenet nicht der Fall war, da die Nutzer sich untereinander austauschen konnten. Darin liegt nun das Risiko des Usenet für kommerzielle Anwendungen. Kristian Köhntopp beschreibt dies folgendermaßen:
\"Firmen haben ein Interesse daran, mit ihren Kunden zu reden, und daß auch die Kunden mit ihnen reden können. Aber kaum eine Firma hat Interesse daran, daß die Kunden ein Medium haben, untereinander über die Firma zu reden. Aber genau das ist in den Newsgroups oder Mailinglisten der Fall. Hier bildet sich eine Öffentlichkeit über eine Firma und deren Produkte, die sich überregional ausdehnen [sic], von der Firma aber nicht direkt kontrolliert werden kann. [...] Der Umgang mit solchen polydirektionalen Medien ist für jemanden, der hier bestimmte Interessen verfolgt, sehr viel schwieriger als in einer stärker kontrollierten Umgebung.\"
Worin liegen im gegebenen Beispiel für die Firma Intel die positiven Folgen der Affäre? Man kann davon ausgehen, daß es sich bei den Teilnehmern der Usenet-Diskussion um besonders interessierte Intel-Kunden handelt, da diese viel Zeit in den Dialog (oder besser: Polylog) mit der Firma investieren. Also hat Intel mit dieser Newsgruppe ein fast kostenlo¬ses Medium gefunden, das Meinungen, Wünsche und Interessen der Kunden einholt. Eine solche Feedback-Aktion durch ein Marktforschungsinstitut durchführen zu lassen, wäre erheblich teurer und eine einmalige Aktion, während die Diskussion in einer Newsgruppe ein kontinuierlicher Vorgang ist. Aus der Kritik an dem bereits auf dem Markt befindlichen Produkt können Verbesserungen nach den Wünschen der Kunden für Nachfolgeprodukte beschlossen werden, was diese faktisch zu Mitentwicklern macht (vergleiche die Abschnitte 3.3.3, 3.5.1.1 und 3.7). Die direkte Kommunikation ist also nicht nur Werbung, sondern dient dem Unternehmen auch als Instrument der Produktpolitik und der Marktforschung. Weiterhin kann Usenet auch für direkte Public Relations-Aktionen genutzt werden:
\"Innerhalb kürzester Zeit wird es möglich sein, weltweit eine durchdachte und werbeträchtige PR-Aktion durchzuführen. Das Medium Usenet News ist hierbei besonders hervorzuheben. In wenigen Tagen erfahren viele Interessenten von Aktionen und Veranstaltungen.\"
Newsgruppen sind meist nicht firmen-, sondern themenzentriert. Sie sind keine geschlosse¬nen Bereiche, in denen lediglich Verbraucher mit einem bestimmten Unternehmen diskutie¬ren. Das führt dazu, daß oft mehrere verschiedene Unternehmen in einer Newsgruppe mit den Nutzern kommunizieren. Da sich die Diskussionsteilnehmer nicht als Unternehmensre¬präsentanten zu erkennen geben müssen, kam es bereits zu sogenannten \"Pseudo-Testimo¬nials\", die mitunter sogar so weit gehen, daß eine Firma im Schutz der Anon- oder Pseudonymität über das Ziel der Werbung hinausschießt und negative Gerüchte über die Konkurrenz verbreitet .
Diese Gefahr besteht bei der Einrichtung von Mailinglisten durch ein Unternehmen in weit geringerem Maße. Außerdem ist dies erheblich einfacher zu bewerkstelligen als eine eigene Usenet Newsgroup ins Leben zu rufen. Deshalb bieten auch zahlreiche Unternehmen diese Kommunikationsform bereits an, was vor allem den Vorteil einer vom Initiator beliebig fokussierbaren Themenvorgabe hat . Allerdings ist es für firmenzentrierte Mailinglisten kaum möglich, ähnlich hohe Nutzerzahlen wie etablierte themenzentrierte Newsgruppen zu erreichen, die neben den aktiv beitragenden Nutzern auch eine unbekannte Anzahl \"stummer\" Leser (sogenannter \"Lurkers\") haben.
Bisher ist noch offen, ob die Wirtschaft ihre Kommunikationspolitik den Möglichkeiten des Internet anpassen wird, oder ob sie das Medium passend zu ihren bisherigen Methoden umgestalten wird bzw. will. Von Seiten der Konsumenten scheint allerdings die Bereitschaft zum Dialog zu bestehen. Das belegt - neben der Bildung von Newsgroups zu bestimmten Produktgruppen, die ja zum Großteil ohne Zutun der Firmen ins Leben gerufen wurden - auch die hohe Bereitschaft der Nutzer zum Dialog (vergleiche Abschnitt 3.2.1).
3.3.2.3 Formen der direkten Kommunikation durch das World Wide Web
Durch die Integration von E-Mail ist auch das WWW zur direkten Kommunikation fähig. Der Dialog mit dem Individuum ist deshalb zu einem der wichtigsten Vorteile der WWW-Kommunikation geworden und löst folglich mehr und mehr die Ansprache an ein (ohnehin nicht vorhandenes) passives Massenpublikum ab . Kommerzielle Sites bieten dem Besucher vermehrt die Möglichkeit, nicht nur mit den Inhalten zu interagieren, sondern auch per E-Mail den Dialog zu suchen. So bieten 56% der deutschen Unternehmen im WWW eine direkte E-Mail Responsemöglichkeit an .
Der Kontakt mit dem potentiellen Kunden dient dabei verschiedenen Zwecken. So kann dieser oftmals Prospektmaterial oder Kataloge anfordern, was der Verkaufsförderung zuzurechnen ist. Feedback auf WWW-Preisausschreiben kann der Markt- / Zielgruppenfor¬schung dienen (vergleiche Abschnitt 3.7). Zwar gibt es in den klassischen Massenmedien auch diese Werbeform (z.B. durch das Einblenden von Infotelefonnummern in Werbespots oder das Einheften von Antwortpostkarten in Anzeigen), doch ist sie aufgrund des Medienbruchs (der Beworbene muß vom Fernseher zum Telefon gehen bzw. die Postkarte frankieren und einwerfen) bei weitem nicht so effektiv für die Werbenden.
Auch für die Öffentlichkeitsarbeit wird das Web als Dialogmedium genutzt. Die von Unter¬nehmensseite ermunterte Ansprache des Konsumenten mittels E-Mail deutet auf offene Unternehmensstrukturen hin. Dabei baut die unkomplizierte (und fast kostenlose) E-Mail-Kommunikation psychologische Barrieren ab, die bei herkömmlichen Kommunikationsmög¬lichkeiten bestehen. Unternehmen erhoffen sich aufgrund dieser verbesserten Kommunika-ti¬onsmöglichkeiten eine stärkere Kundenbindung. Allerdings kann die Vermittlung dieses Eindrucks auch kontraproduktiv sein, wenn der Dialogerwartung des Nutzers nicht entspro-chen wird. Prompte Antwort auf E-Mails und Weiterleitung spezieller Anfragen an die entsprechenden Ansprechpartner sind grundlegende Voraussetzungen für ein Gelingen des Dialoges .
3.3.3 Paradigmenwechsel der kommerziellen Kommunikation im Internet
3.3.3.1 Aktivität statt Passivität, Dialog statt Monolog
Wie die Darstellung der Kommunikationsformen im Internet belegt hat, setzt sich etwa seit 1996 auch in der BRD mehr und mehr die Auffassung durch, daß Werbung im Internet nicht als Pendant der massenmedialen Anzeigen- bzw. Spotwerbung, sondern als individuelle dialogische Werbung zu begreifen ist . Die meisten und vor allem die innovativsten Werbeformen im Internet unterscheiden sich von Anzeigen bzw. Spots in den klassischen Massenmedien, also den Werbeformen, die in den letzten Jahrzehnten die Medienlandschaft dominierten, vor allem durch folgende Eigenschaften:
- Die Werbung in den Massenmedien wird dem Zuschauer, Zuhörer oder Leser unaufgefor¬dert präsentiert (Push), während im Internet die Initiative vom Nutzer ausgeht (Pull). Für den Werbetreibenden folgt daraus im Internet die eine Strategieänderung: \"Invitation statt Intrusion\" .
- Im Internet kann ein Dialog zwischen zwei Kommunikationsteilnehmern stattfinden, in den Massenmedien ist der Werbetreibende Sender für eine große Anzahl passiver Empfänger. Für den Werbetreibenden bedeutet dies im Internet folgende Paradigmenwechsel: \"One-to-One statt One-to-Many [...] Dialog statt Monolog\" .
Aus diesen beiden Eigenschaften folgen weitreichende Konsequenzen für die werbetreiben¬den Unternehmen. Die Dialogmöglichkeit von Metanetzwerken wie dem Internet ist auch ein Punkt, an den Regis McKennas Konzept des Echtzeitmarketing anknüpft. Er versteht darunter einen Dialog zwischen Unternehmen und Kunden, der bei der Entwicklung eines Produktes beginnt und bis weit nach dem Kauf hinausreicht und der vor allem den Kunden nicht als Ziel der Marketingbemühungen sieht, sondern als integralen, teilnehmenden Partner. McKenna sieht in diesem \"echten\", ungefilterten Dialog eine Chance für Unterneh¬men, sich auf den immer enger und kritischer werdenden Verbrauchermärkten durchzuset¬zen. Vorteile des Echtzeitmarketing sind für das Unternehmen
- kundennähere Produkte durch Mithilfe der Kunden an der Konzeption
- bessere Kundenbindung durch Identifikation mit dem von ihnen mitentworfenen Produkt
- billigere und präzisere Daten über die Kunden durch ungefiltertes Feedback anstatt tendenziell spekulativer Marktforschung .
Das Echtzeitmarketing bietet also Vorteile für die Kommunikations-, Preis und Produktpo¬litik und die Marketingforschung.
Die Vorteile für den Nutzer führt McKenna nicht ausführlich auf, sie sind jedoch leicht zu erkennen: Der Kunde wird als kritischer und mündiger Verbraucher anerkannt und hat die Möglichkeit, aktiv auf ein Unternehmen einzuwirken. Wie weit diese Einwirkung allerdings geht, hängt von der Art und dem Ausmaß ab, in dem Unternehmen die Öffnung ihrer Strukturen praktizieren. Das Konzept setzt schließlich eine vollständige Neuorientierung des gesamten Marketing voraus (so sieht McKenna die Markteinführung eines Produktes nicht als isoliertes Ereignis, sondern als Meilenstein in der Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen ) und birgt neben Chancen auch gewaltige Risiken, wie das Intel-Beispiel gezeigt hat. Auch Balzer/Glomb sehen die Gefahr der Kontraproduktivität dialogischen Marketings, wenn Unternehmensstrukturen nicht gleichsam nach außen wie nach innen geöffnet werden:
\"Denn den Unternehmen [...] muß bewußt sein, daß ein Revirement bestehender Kommunikations¬bedingungen und eine Hinwendung zu neuen Wegen in der Kommunikation nicht mit alten, tradier¬ten Strukturen bewerkstelligt werden kann. Die Entscheidung, Dialogbeziehungen (Interaktion) mit dem Kunden einzugehen, hat weitreichende Konsequenzen für die gesamte Unternehmensorgani¬sation.\"
Wie weit sich welche Unternehmen diesem Vorschlag gegenüber öffnen werden, läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß das dialogorientierte Kommunikationsmodell des Internetmarketing kein isoliertes Phänomen, sondern gleichsam Folge und Verstärker der Entwicklung des Marketing ist, die sich verstärkt auf bedarfsgerechte Leistungen gegenüber dem Kunden, Flexibilität und Kostenorientierung konzentriert .
3.3.3.2 Individualisierung statt Massenansprache
Eine weitere Entwicklung, die die Marketingkommunikation verändert, ist der sogenannte Trend zur Individualisierung. Unter Individualisierung sei hier die individuelle Ansprache des Nutzers und die Einstellung auf seine persönlichen Interessen und Bedürfnisse verstanden. Individualisierung kann mit dem bereits angesprochenen Dialog zwischen Unternehmen und Individuum und der Aktivität des Mediennutzers einhergehen, muß es jedoch nicht unbedingt. Sie kann auch als weitergehende Verengung des Broadcasting-Prinzips über das Narrowcasting zum Point- oder Personalcasting verstanden werden , was Dialog und Aktivität nicht beinhalten muß.
Im TV-Sektor wurde ein erster Schritt weg von einem einzigen Massenpublikum mit der Einführung des Privatfernsehens getan. Durch die Einrichtung einer Vielzahl unterschiedli¬cher Programme kam es auch zu zielgruppenspezifischerer Werbung, die im bisherigen Drei-Programme-System nicht möglich war: In Sportsendungen werden Bier und Sportarti¬kel beworben (eine bezeichnende Mischung), in den Lieblingsserien der Teenager Popgruppen und Gesichtswasser, etc. Diese Entwicklung wird im Internet noch weiter geführt. Dabei lassen sich zwei Typen unterscheiden:
- die Entwicklung eines auf das Individuum bezogenen \"maßgeschneiderten\" Angebotes.
- die Schaffung von Interessensgemeinschaften.
Beide Ausprägungen lassen sich durch die Errichtung neuartiger Internetapplikationen darstellen. So stellt der im Februar 1996 eingerichtete Internetdienst PointCast Network einen fast klassischen Vertreter des individuellen Angebotes dar. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Bildschirmschoner und Nachrichtendienst. Der Nutzer kann zu Nachrich¬ten, die ihn interessieren, Hintergrundberichte anfordern, woraufhin sich PointCast die Präferenzen des Nutzers \"merkt\" und ihm die von ihm präferierten Nachrichten in Zukunft als erste auf den Bildschirm projiziert. Die Werbewirtschaft hat dadurch den Vorteil, daß sie genau ausmachen kann, wer sich für welche Produkte interessiert bzw. interessieren könnte und kann somit Streuverluste minimieren . PointCast spricht den Nutzer direkt an, verlangt von ihm jedoch keinen Dialog und abgesehen von der Auswahl der Präferenzen auch keine Aktivität.
Die Zusammenführung von Interessengemeinschaften (Communities of Interest) versucht durch die Einbindung werblicher Angebote in bestehende Strukturen neben der Minimierung von Streuverlusten auch eine starke Bindung des Nutzers an Marken und insbesondere an den Dienst, der die Zusammenführung der \"Gemeinschaft\" ermöglicht, zu erreichen . Ein Beispiel für diese Taktik ist der WWW-Dienst Firefly (URL: https://www.ffly.com). Zu der Homepage dieser Applikation haben nur die Nutzer Zugang, die persönliche Daten und einen Nutzernamen angeben, unter dem sie den anderen Firefly-Mitgliedern bekannt sind. Sie bekommen eine eigene Homepage zugeteilt, die sie beliebig gestalten und in die sie unter anderem Film- und Musiktips angeben können. Firefly macht dem individuellen Nutzer in der Folge Angebote, die seinem Geschmack entsprechen (sollen). In diesem Punkt liegt also eine Überschneidung mit dem PointCast-Prinzip. Durch die Zusammenführung Gleich¬gesinnter versucht Firefly im Gegensatz zu dem \"maßgeschneiderten\", aber anonymen PointCast, den Nutzer zum erneuten Besuch zu überreden und langfristig an sich zu binden. Die Nutzung bestehender Strukturen für kommerzielle Zwecke besteht darin, daß der Nutzer dazu gebracht wird, die Möglichkeit des Polylogs (der ja über Mailinglisten und das Usenet ebenso möglich wäre) mit dem Dienst (hier: Firefly) zu verbinden.
Bezeichnenderweise basieren die innovativen Beispiele für die beiden Typen der Individua¬lisierung nicht auf dem Dialog zwischen Anbieter und Nutzer, sondern auf der neuartigen Fähigkeit von Computerprogrammen, sich bestimmte Auswahlkriterien zu merken und darauf zu reagieren bzw. auf dem Dialog der Nutzer untereinander. Im Gegensatz zu dem Dialogparadigma besteht hier kein Potential zur Veränderung innerbetrieblicher Strukturen, sondern lediglich zur Flexibilisierung und Bedarfsorientierung bezüglich der Nachfrage.
Aus soziokultureller Sicht ist die sogenannte Individualisierungstendenz ohnehin nicht als solche zu bezeichnen, da das Marktgeschehen immer einen sozialen Charakter hat und vermeintliche Individualisierung immer auch auf andere angewiesen ist, was sie zur verkappten Konventionalisierung macht .
Zum gegebenen Zeitpunkt läßt sich aufgrund der noch geringen Anzahl individualisierender Sites noch nicht vorhersehen, wie weit sich dieses neue Paradigma durchsetzen wird. Da es sich hier jedoch ebenso wie bei dem Trend Echtzeitmarketing nicht um eine auf das Internet beschränkte, sondern allgemeine gesellschaftliche Entwicklung handelt, kann mit einer nachhaltigen Wirkung gerechnet werden.
3.4 Formen der Entgeldpolitik im Internet
Die Entgeldpolitik verkörpert die Gesamtheit aller Entscheidungen im Marketing-Mix, die der zielorientierten Gestaltung des Preis/Leistungsverhältnisses dienen . Subinstrumente der Entgeldpolitik sind neben der den Grundpreis bestimmenden Preispolitik verschiedene Formen der Abgeltung von Zusatzleistungen, im wesentlichen alle Formen der Rabattpolitik sowie die Zahlungsbedingungen .
3.4.1 Preispolitik
Preispolitische Relevanz hat das Internet nur auf digitalisierbare Waren und Dienstleistun¬gen. Diese können über die Netzwege vertrieben bzw. geleistet werden, was teilweise enorme Ersparnisse im Distributionsbereich mit sich bringt (vergleiche Abschnitt 3.6.2.2). Für den Verkauf herkömmlicher Waren hat das Internet keinen nennenswerten Einfluß auf den Grundpreis.
In der Softwarebranche hat die Übertragbarkeit der digitalisierten Produkte dazu geführt, daß sich Shareware (Programme, die der Nutzer sich mit anderen \"teilen\" darf) und Freeware (kostenlos zur Verfügung stehende Programme) stark ausgebreitet haben. Die Nutzer profitieren hier vom Kampf der Hersteller um Marktanteile. Ein gutes Beispiel ist die Geschäftspraxis bei den Web-Browsern, wo der Navigator der Firma Netscape Communi¬cations (URL: https://home.netscape.com) mit Microsofts Internet Explorer konkurriert. Beide Unternehmen geben ihre Programme kostenlos an einzelne Nutzer ab, um auf möglichst hohe Marktanteile zu kommen, welche schließlich als Verkaufsargumente bei großen Geschäftskunden angeführt werden können, etwa für die lukrative Ausstattung firmeninterner Intranets mit den Brow |