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geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Ist der planet noch zu retten?



Die Gespräche über Wind, Regen, Schnee und Dürre haben ihre Unschuld verloren, seit jede Kapriole des Wetters dem befürchteten Klimakollaps zugerechnet wird. Nun sind Eisregen im Juli oder grüne Weihnachten allein keinesfalls verboten dafür, daß die Klimagürtel weltweit zu rutschen beginnen. Wetter ist nicht gleich Klima - erst die Langzeitaufnahme von Wetter ergibt den Gesamteindruck, der Klima heißt.
Bedrohlicher als gelegentliche Wettererkapaden sind die Zahlenreihen der Statistiker: Und die weisen immer deutlicher darauf hin, daß sich unsere Atmosphäre in unguter Geschwindigkeit aufheizt.
Wissenschaftler reden von einem unfreiwilligen globalen Experiment - am lebenden Körper der Erde. Die dilettierenden "Versuchsleiter" - die Menschheit mit einem Wort - könnten dabei unter die Räder kommen. Insbesondere dann, wenn der menschengemachte Klimawandel so rasant über uns kommt, daß für vorsorgende Planung keine Zeit mehr bleibt.
Der Hinweis, daß sich Klima immer gewandelt hat, ja das Wandel die einzige Konstante ist, ist so richtig wie nichtssagend: Bedrohlich ist nicht so sehr der Klimawandel, sondern die Rasanz, mit der er sich vollzieht.
Die Drohung ist in der Tat himmelhoch; aber dennoch können Fatalismus oder Schreckenstarre keine Rezepte sein. Ein Rohstoff, der noch immer nicht hinreichend genutzt wird, ist die menschliche Intelligenz. Die größte Hoffnung: Gelänge es, in wirtschaftlich relevanten Dimensionen die Photosynthese nachzubauen, könnte die Flucht aus dem Treibhaus gelingen.
Die Wege aus der Klima-Sackgasse sind prinzipiell bekannt - kommt nur darauf an, sie zu gehen; denn das "Neuland des Denkens" schreckt offenbar immer noch mehr, als das ausgedorrte Ödland, das uns droht.
Entscheidend für das Leben auf der Erde ist, was mit dem Sonnenlicht geschieht, das uns erreicht. Von 100 Prozent einstrahlender Energie werden 30 von Wolkenschichten in den Weltraum zurückgespiegelt und weitere 20 durch wolken, Staub und Ozon absobiert oder aufgesaugt. Von der Ausstrahlungserreichen die Erdoberfläche also nur 50 Prozent; dazu kommt allerdings noch fast die doppelte Menge (95 Prozent) an atmosphärischer Wärmestrahlung.
Die einstrahlende Gesamtenergiemenge (145 Prozent) erwärmen die Erdoberfläche und wird wieder abgestrahlt: als reine Wärmeenergie. In der Grafik symbolisiert der Farbwehsel an der Knickstelle das bekannt Phämomen: Aus Sonnenlicht wird Wärme.
Diese "erdflüchtige" Wärme wird nun zu rund ein Drittel durch Wolkenbildung aufgezehrt, 15 Prozent entweichen direkt ins All. Entscheidend ist nun, was mit den tund 55 Prozent verbleibender Wärmestrahlung geschieht:
Wolken, Wasserdampf und Spurengase verschlucken diesen Löwenanteil, aber vernichten ihn nicht. Er bleibt in der Atmosphäre als diffuse Wärmestrahlung erhalten, taucht in der Grafik als der 95-Prozent-Input wieder auf.
Wenn nun etwa durch zu viele Spurengase zuviel Wärme zurückghalten wird, kommt es zu dem vielbeschworenen und befüchteten Treibhauseffekt. Die prinzipiell gute, lebenserhaltende Erwärmung der Atmosphäre schlägt um in "Überhitzung".
Schon die ist eine Drohung, dramatisiert wird sie noch durch die unnatürliche Geschwindigkeit, mit der sie sich vollzieht.
Edward Bass, texanischer Milliardär wagt einen gefährlichen Aufstieg. Er ist in luftiger Höhe auf der Suche nach der Zukunft unseres Planeten. In den nächsten hundert Jahren wird sich die Kohlendioxid-Konzentration in der Erdatmosphäre voraussichtlich verdoppeln. Wie werden die Pflanzen darauf reagieren? Werden sie davon profitieren oder daran zugrunde gehen?
Die Suche nach Gewinnern und Verlierern beginnt im größten Glashaus der Welt. Das Wunderwerk aus Stahl und Glas ist so etwas wie eine Erde im Miniatur-Maßstab. Das riesige Treibhaus in der Wüste Arizonas sieht aus wie die Kulisse für einen Science-Fiction-Film. Es wurde vor zehn Jahren als Prototyp für eine menschliche Kolonie auf dem Mars gebaut. Die \"Biosphäre 2\" sollte ein geschlossenes Ökosystem sein, eine Kopie unseres Heimatplaneten, der Biosphäre 1.
2 Milliarden Schilling und ein gewaltiger technischer und logistischer Aufwand war notwendig, um die Natur nachzubilden. 3.800 Pflanzen- und Tierarten wurden aus aller Welt zusammengetragen, um auf den 13.000 Quadratmetern eine vielfältige Arche Noah zu schaffen. Aus Tonnen von Beton und Gips wurden künstliche Felsen modelliert, unter denen sich Stiegenhäuser und Pumpanlagen verbergen. Das Wasser im Glashaus wird - wie auf der Erde - im Kreislauf geführt. Vom Regenwald fließt es in die Savanne und zu den Mangroven und kehrt nach der biologischen Kläranlage als Trinkwasser oder Regen zurück.
Ein idyllischer Meeresstrand in 1.200 Metern Seehöhe. Für den Mini-Ozean wurden 38 LKW-Ladungen Meerwasser vom Pazifik nach Arizona transportiert und mit Instant-Salzwasser, wie es für Aquarien verwendet wird, vermischt. Eine Wellenmaschine sorgt dafür, daß sich Korallen und andere Meeresbewohner im künstlichen Ozean heimisch fühlen.
Abgesehen vom Meeresrauschen ist es in dieser Arche Noah ungewöhnlich still. Nur wenige der angesiedelten Vögel und Insekten waren für das Leben im Glashaus geeignet.
Bienen, Schmetterlinge und Kolibris konnten nicht überleben, deshalb müssen die Blüten jetzt von den Menschen bestäubt werden.
Das Wetter und die Jahreszeiten müssen in der \"Biosphäre 2\" von Menschen gemacht werden. Ohne Klimaanlage würde die Temperatur im Glashaus bis auf 65 Grad steigen. Diese Hitze würden die meisten Pflanzen nicht überleben. Um die Natur zu kopieren, bedarf es eines enormen technischen Aufwandes. Doch tausende Sensoren und unzählige computergesteuerte Anlagen konnten nicht verhindern, daß die geschlossene Mini-Welt schon nach wenigen Monaten in unerklärbare Schwierigkeiten geriet. Im Mai 1992 erreichte den New Yorker Wissenschafter Wallace Broecker ein Hilferuf aus Arizona.
Wallace Broecker, Lamont-Doherty Earth Observatory, Columbia University, N.Y.
\"Eines Tages saß ich hier in meinem Büro, als mich mein alter Freund Jack Corliss anrief. Er sagte: Wally, kennst Du die Biosphäre 2? Ich sagte: Ja, ich habe davon gehört, aber ich kenne keine Details. Und er sagte: Die haben ein riesiges Problem. Sie haben zu wenig Sauerstoff und wissen nicht, warum. Ich sagte, ich kann es mir ja mal ansehen. Ich fuhr also hin und kam nicht mehr los davon. Es ist wirklich ein interessanter Ort.\"
Wallace Broecker und seine Kollegen erkannten ihre große Chance: mit einem Forschungsprojekt in der \"Biosphäre 2\" wollen sie in die Zukunft schauen. Seit Beginn der industriellen Revolution hat sich die Kohlendioxid-Konzentration in der Erdatmosphäre kontinuierlich erhöht. Über Jahrtausende war Kohlenstoff als Kohle und Erdöl tief in der Erde gebunden. Doch dann kam der Mensch und verbrannte die für ihn wertvollen Energielieferanten. Er schaffte damit Bewegung und Fortschritt und beförderte die Kohlenstoff-Teilchen in Form von CO2 in die schützende Lufthülle unseres Planeten.
In Arizona, wo die Umwelt noch in Ordnung zu sein scheint, sollen die Auswirkungen der Zivilisation untersucht werden. Doch das riesige Glashaus war ursprünglich für ein anderes einzigartiges Forschungsprojekt gebaut worden.
Im September 1991 schloß sich die luftdichte Tür der \"Biosphäre 2\" hinter vier Frauen und vier Männern. Unter den Blicken unzähliger Kameras starteten sie ein außergewöhnliches Überlebenstraining. Zwei Jahre lang sollten sie sich im geschlossenen Glashaus selbst versorgen - von der Außenwelt nur mit Strom und wissenschaftlichen Daten beliefert. Die Bionauten hatten sich jahrelang auf dieses Projekt vorbereitet. Denn auf die acht Wissenschafter wartete in der Hightech-Arche Noah eine Menge Arbeit.
Mühsam mußten sie ihre Nahrungsmittel selbst produzieren, ohne Hilfe von Maschinen, Kunstdünger oder Pflanzenschutzmitteln. Der Boden auf dem Acker war reich an Kompost, dennoch fielen die Ernten zumeist schlecht aus. Wegen der dicken Glasscheiben und zwei sonnenarmen Wintern in Arizona erhielten die Pflanzen zu wenig Licht. Läuse, Krankheiten und Unkraut taten das Übrige. Nach einigen Monaten sank der Sauerstoffgehalt in der \"Biosphäre 2\" auf Werte, wie sie am Gipfel des Kilimandscharo gemessen werden. Das Kohlendioxid hingegen stieg auf das Zehnfache des ursprünglichen Wertes.
Ihre Halbzeit haben die Biosphärianer geschafft: Pannen, Zweifel am wissenschaftlichen Wert des Experiments und ein Besucherrummel a la Disneyland haben dem Projekt \"Biosphäre 2\" inzwischen ein eher negatives Image beschert. Ursprünglich sollte das künstliche Ökosystem sich selbst regulieren, sollten nur Strom und Information von außen zufließen. Die angestrebte Autarkie der acht \"Außerirdischen\" erwies sich aber schon bald als unrealistisch. In knapp zwei Monaten schnellte der Kohlendioxidgehalt in der hermetisch abgeschlossenen Kunstwelt auf 0,2 Prozent - ungefähr sechsmal so hoch wie in der Erdatmosphäre. Der Einbau eines Kohlendioxid-Recyclers, zugepumpte Frischluft und von außen nachgelieferte Ausrüstung machten das Mißverhältnis zwischen propagiertem Anspruch und der Wirklichkeit des 150-Millionen-Dollar-Projekts offenbar. Edward Bass, texanischer Milliardär und Finanzier des für 100 Jahre angelegten Unternehmens, berief deshalb einen unabhängigen Wissenschaftlerstab zur Begutachtung.
Heute haben sich die Wogen der Entrüstung etwas geglättet. Thomas Lovejoy, Leiter des Gutachtergremiums und Ökologe an der Smithsonian Institution in Washington, bescheinigte den Managern von \"Biosphere-II\", daß ihr Projekt die Wissenschaft mit wichtigen und einzigartigen Daten bereichern könnte - vorausgesetzt, sie beherzigten folgende Ratschläge: Sie beschäftigen einen wissenschaftlichen Leiter, erarbeiten einen umfassenden Forschungsplan und publizieren ihre Daten in anerkannten Wissenschaftsmagazinen. Beides soll jetzt geschehen - allerdings reichlich spät: In wissenschaftlichen Kreisen ist es üblich, einen solchen Plan vor Beginn des Experiments in allen Einzelheiten zu fassen. Einem weiteren Vorwurf begegneten die Gutachter mit dem Argument, In- oder Export von Materialien ins künstliche Ökosystem gefährdeten nicht automatisch den wissenschaftlichen Wert, wenn sie begründet und öffentlich gemacht werden. Kritiker hatten besonders Jane Poynters eingeschleusten Sack voll Ausrüstung aufs Korn genommen: Die Biosphärianerin hatte den Glaspalast nach einem Dreschunfall, bei dem sie sich eine Fingerkuppe abgeschnitten hatte, für wenige Stunden zur ärztlichen Behandlung verlassen. Mit zurück brachte sie Fachbücher, Farbfilme und Computerersatzteile, ohne es der Öffentlichkeit mitzuteilen. Als das dann drei Monate später herauskam, wurde den Projektmanagern Vertuschung vorgeworfen. Seither informiert der neue Pressesprecher Chris Helms sorgfältig über jede Ein- und Ausfuhr.
Wie im Oktober diesen Jahres, als die Selbstversorger gegen übermäßigen Milbenfraß an ihren Kartoffeln und Bohnen 60000 Raubmilben zur biologischen Schädlingsbekämpfung einschleusten. Gleichzeitig wurden Wasser-, Boden- und Pollenproben ausgeführt, um sie in externen Labors analysieren zu lassen. Nach inzwischen gut einem Jahr sinkt der Sauerstoffgehalt weiterhin, für Helms ein \"aufregendes Phänomen\" , nach dessen Ursache die Insassen noch suchen. Kohlendioxid wird wahrscheinlich auch in diesem Winter wieder aus der Luft entfernt werden müssen, nicht weil es die Menschen oder Pflanzen stören würde, sondern deren Miniozean: Darin löst sich das Gas als Kohlensäure, was den \"Meeres\"-Organismen schadet. Um das zu verhindern, \"überwintert\" das Kohlendioxid als Kalziumkarbonat in \"Biosphere-II\" und wird im Frühling, wenn die Pflanzen mit zunehmender Tageslänge mehr CO2 binden, wieder in die Luft geblasen.
Doch auch wenn die Biosphärianer \"ihre Erde\" völlig in den Griff bekommen sollten - Kritiker bezweifeln , daß sich daraus irgendeine Erkenntnis für künftige Mond- und Mars-Missionen herleiten läßt. Denn in Arizona sei über einen existierenden Boden und über eine bestehende Atmosphäre eine Glasglocke gestülpt worden; auf fernen Planeten jedoch müßten Böden und Atmosphäre neu geschaffen werden - inklusive einer komplizierten Gemeinschaft von Mikroorganismen und unter ganz anderen Schwerkraftbedingungen.
Dessenungeachtet sorgt Roy Walford, der Mediziner des Teams, für positive Publicity mit der frohen Botschaft, daß die Cholesterin-Werte der Biosphärianer um fast 40 Prozent von durchschnittlich 200 auf 125 Milligramm je Deziliter gesunken seien, nachdem sie sich sechs Monate einer kontrollierten Diät unterzogen haben. Mit durchschnittlich 1780 Kilokalorien am Tag - davon zehn Prozent als Fett, ansonsten überwiegend vegetarische Kost - hätten sie außerdem ihren Blutdruck, ihre Blutzucker- und Blutfettwerte und ihr Körpergewicht reduziert. Damit ist nachgewiesen, was aus Tierversuchen längst bekannt ist: Auch der Mensch verbessert mit ausgewählter Ernährung seinen Gesundheitszustand.
Die Biosphärianer gehen nunmehr voller Optimismus in die zweite Runde. Ihre Ernte war ausgezeichnet, besonders reich die an Süßkartoffeln. Sie wollen ihren Nachfolgern einen für drei Monate reichenden Nahrungsvorrat hinterlassen - mit einem solchen hatten auch sie begonnen. Indessen scheint sich die Begeisterung für das Isolations-Experiment in Grenzen zu halten: Beworben haben sich erst neun neue Kandidaten.
Die Bionauten hielten bis zum Schluß durch, doch sie waren von Sauerstoffmangel, Hunger und psychischen Problemen geschwächt. Notvorräte und eine Sauerstoffzufuhr von außen retteten sie über die letzten Monate. Dafür regnete es Spott und Hohn von den Kritikern.
Abigail Alling, ehemalige Bionautin
\"Mit einigen Problemen hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Zum Beispiel den Sauerstoffrückgang und was das bedeutet, oder die Lebensmittelknappheit. Ich war niemals hungrig in meinem Leben, aber in der \"Biosphäre 2\" gab es Zeiten, in denen ich wirklich hungerte. Das hat mich und mein Verhältnis zu den anderen beeinträchtigt . Aber, wie sehr man sich auch vorbereitet: es gibt Dinge, die man erst weiß, wenn man sie ausprobiert hat.\"
Für Taber MacCallum war der Hunger noch das geringere Übel.

Taber McCallum, ehemaliger Bionaut
\"Ich finde, daß die Psyche unser größtes Problem wurde. Keiner von uns war ausreichend auf die Probleme vorbereitet, die durch das Aufgehen des Einzelnen in der Gemeinschaft entstanden. Die Gruppe war darüber auseinandergebrochen. Wir waren acht Menschen, doch wir spalteten uns in zwei Gruppen, vier und vier, obwohl wir doch aufeinander angewiesen waren. Das führte zu einer Menge Mißtrauen und Streit in der Mannschaft. Es ist sehr schwer, psychisch mit einer so langen Zeit der Isolation fertig zu werden.\"
Das Bionauten-Projekt hatte nicht zuletzt auch an mangelnder wissenschaftlicher Betreuung gelitten. Der Besitzer - der texanische Milliardär Edward Bass - suchte deshalb nach einem neuen Zweck für sein Glashaus. Weg von der Marsmission, weg vom Raumschiff Enterprise-Image. Vergangenes Jahr wurde er mit der renommierten Columbia University handelseins. Die \"Biosphäre 2\" soll zu einem riesigen Labor zur Erforschung der Erde - der Biosphäre 1 - werden.
Wallace Broecker, Lamont-Doherty Earth Observatory, Columbia University, N.Y.
\"Wir wollen diese Anlage für Forschung nützen, die in die Zukunft weist. Für die Zeit, in der wir in der Atmosphäre weit mehr CO2 haben werden, als heute. Es wird darüber diskutiert, ob sich das Klima ändern wird und ob es wärmer werden wird, und um wieviel. Aber es ist keine Frage, daß der CO2-Gehalt weiter steigen wird, und daß das auch die Pflanzen beeinflussen wird. Wir wollen deshalb Experimente machen, die uns helfen, vorherzusagen, wie sich die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und natürliche Ökosysteme auf unserem Planeten durch höheres CO2 verändern werden.\"
Auf dem ehemaligen Ackerland der Bionauten soll in Zukunft getestet werden, wie zum Beispiel Weizen auf höhere CO2-Konzentrationen reagiert. Damit könnte Saatgut für das nächste Jahrtausend entwickelt werden. Auch Bäume sollen unter drei verschiedenen CO2-Konzentrationen aufgezogen werden, um Unterschiede in ihrer Reaktion feststellen zu können. Weil der Boden für diese Versuche die falsche Zusammensetzung hat, muß aber zuerst die Erde ausgetauscht werden. Veranschlagte Kosten dafür: rund zehn Millionen Schilling. Doch die Ausgaben könnten sich eines Tages rechnen, wenn das Projekt der Land- und Forstwirtschaft hilft, ihre Bewirtschaftungsmethoden für die Zukunft zu planen.
In den anderen Vegetationszonen des Glashauses werden die Pflanzen bereits jetzt verschiedenen erhöhten Kohlendioxid-Konzentrationen und Temperaturen ausgesetzt. Damit können die Forscher auch die prognostizierte Klimaveränderung simulieren. Dann wird untersucht, was das Überangebot an CO2 bei den einzelnen Pflanzen, den Pflanzengemeinschaften und den Mikroorganismen im Boden bewirkt. Die Wissenschafter wollen exakt feststellen, wohin das Kohlendioxid wandert.
Bis jetzt wissen die Forscher, daß die Pflanzen unter höherem CO2 die Photosynthese steigern und mehr oder größere Blätter, Früchte und Wurzeln produzieren. Kohlendioxid ist für die Pflanzen lebensnotwendig, doch es ist noch unklar, ob sie die Verarbeitung von CO2 unendlich steigern können. Wenn der CO2-Gehalt der Luft steigt, brauchen die Pflanzen trotz verstärkter Photosynthese erstaunlicherweise weniger Wasser. Das könnte ein Vorteil für Regionen werden, in denen Wasser knapp ist.
Es sieht auf den ersten Blick so aus, als ob die Natur von einer Erhöhung der Kohlendioxid-Konzentration nur profitieren könnte. Doch so einfach ist die Rechnung nicht, denn sie enthält noch zu viele Unbekannte. Die Wissenschafter suchen weiter:
Wallace Broecker, Lamont-Doherty Earth Observatory, Columbia University, N.Y.
\"Im Ozean wollen wir ebenfalls die Auswirkungen des CO2 untersuchen. Wir wissen, daß Korallen und Algen, die in Atollen und Riffen wachsen, auf die Menge des gelösten CO2 im Wasser empfindlich reagieren. Wenn das CO2 in der Atmosphäre steigt, steigt auch der CO2-Gehalt im Wasser. Und wir sind sicher, daß das den Wettkampf zwischen den Algen, die man üblicherweise nicht in einem Korallenriff haben will, und den Korallen beeinflussen wird. Wir wollen also mit Hilfe unseres Ozeans studieren, wie sich die Gesundheit und Ökologie von Korallenriffen entwickeln wird.\"
In der Reinigungsanlage für den Mini-Ozean gedeihen die Algen jedenfalls prächtig. Hier helfen sie, den zu hohen Nährstoffgehalt des Salzwassers zu reduzieren. In einem Korallenriff wäre ein so üppiges Algenwachstum ein Problem. Für die Forschung gehen die Wissenschafter regelmäßig auf Tauchstation. Der künstliche Ozean erlaubt es, Korallen auf Gittern wachsen zu lassen, damit sie jederzeit herausgenommen und untersucht werden können, ohne sie zu zerstören. Auf der Waage wird die Zunahme der Kalkabscheidung gemessen.
Noch wissen die Forscher relativ wenig über die Auswirkungen des höheren Kohlendioxids auf die Meereslebewesen. Doch der künstliche Ozean macht die Arbeit überschaubar. Die \"Biosphäre 2\" bietet der CO2-Forschung viele Möglichkeiten, die bisherige Forschungsarbeiten nicht hatten. Dennoch waren einige Veränderungen notwendig. Um die einzelnen Ökosysteme unabhängig voneinander untersuchen zu können, mußten die Zonen notdürftig mit Plastikbahnen abgetrennt werden. Damit hat die Mini-Welt zwar an Schönheit verloren, doch jetzt hat die Wissenschaft in der \"Biosphäre 2\" Vorrang.
Was hier hinter luftdicht verschlossenen Türen vor sich geht, ist Teil eines riesigen Puzzles, an dem Wissenschafter weltweit seit vielen Jahren arbeiten. Das Smithsonian Environmental Research Center versucht in der Nähe von Washington in die Zukunft unseres Planeten zu schauen.
In diesem salzigen Marschland an der Ostküste der USA werden die Pflanzen in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet. Bert Drake begast hier seit zehn Jahren verschiedene Gräser in Plastikkammern mit jener CO2-Konzentration der Luft, die für das nächste Jahrhundert prognostiziert wird. Nach seinen Forschungsergebnissen besteht die Chance, daß Feuchtgebiete wie hier in der Chesapeake Bay in Zukunft größere Mengen Kohlenstoff binden können. Doch nicht alle Pflanzen werden vom höheren Nahrungsangebot profitieren können. Die Reaktion hängt davon ab, wie die Pflanzen CO2 in ihr System einbauen. Ein Teil dieser Gräser, aber auch Zuckerrohr, Mais oder Sojabohnen nehmen CO2 schlechter auf und könnten deshalb von stärker wachsenden Pflanzen verdrängt werden. Und es gibt noch weitere Unsicherheiten:
Bert Drake, Smithsonian Environmental Research Center, Edgewater
\"Eine der interessantesten Fragen basiert auf der Tatsache, daß Pflanzen, die unter hohem CO2 wachsen, ihre Zusammensetzung ändern. Wir haben beobachtet, daß vor allem die Stickstoff-Konzentration reduziert ist. Weil Tiere, und dazu gehören auch Insekten, eine bestimmte Stickstoff-Konzentration in ihrer Nahrung brauchen, taucht die Frage auf, wie die Änderung der Zusammensetzung die Tiere beeinträchtigen wird, besonders die Weidetiere.\"
Es könnte also sein, daß in hundert Jahren zwar die Bäume in den Himmel wachsen, aber Tiere und Menschen trotz üppigem Nahrungsangebot zu wenig Nährstoffe erhalten. Ein weiter Sprung über den Atlantik in die Enge eines Wiener Glashauses. Nach dem Vorbild von Bert Drake wird auch am Institut für Pflanzenphysiologie der Universität Wien ein räumlich kleiner, aber trotzdem nicht unbedeutender CO2-Versuch mit Buschbohnen durchgeführt. Die Bohnen werden in den Plastikkammern mit unterschiedlicher CO2-Konzentration, Temperatur und Feuchtigkeit gezogen. Das bietet beim Sammeln der Daten gewisse Vorteile gegenüber den Langzeitversuchen im Freien.
Die ersten Ergebnisse klingen positiv: Unter höherer CO2-Konzentration haben die Buschbohnen größere Blätter, größere Bohnen und mehr Wurzeln entwickelt. Die Bohnen enthalten außerdem mehr Eiweiß. Doch es gibt noch anderes zu beachten:
Harald Bolhar-Nordenkampf, Gärtnerische Pflanzenphysiologie, Universität Wien
\"Die CO2-Reaktion ist aber mit noch etwas gekoppelt, was oft vergessen wird: Wenn die Temperatur zu nieder ist, wenn zu wenig Licht da ist, können wir nicht annehmen, daß die Pflanzen CO2 optimal ausnützen. Das heißt, Hochgebirgspflanzen unter einer Wolkendecke bei tiefen Temperaturen werden eine geringere CO2-Antwort geben, als Pflanzen, die in den Tropen, bei starkem Licht und bei hohen Temperaturen wachsen. Diese Untersuchungen sind jetzt im Laufen, es gibt einige Antworten, die eigentlich diese Annahme, die im Labor messend getroffen wurde, bestätigen.\"
Doch auch wenn Pflanzenforscher die Natur bis in kleinste Einzelteile zerlegen, werden sie wirklich vorhersehen können, wie unser Planet im nächsten Jahrtausend aussehen wird?
Tausende Studien wurden zu diesem Thema bereits veröffentlicht, doch noch immer sind Ökologen und Klimaforscher nicht einig, was wirklich passieren wird. Klar ist nur, daß sie weitersuchen müssen, und zwar möglichst fachübergreifend und mit vereinten Kräften.
Es ist an der Zeit zu neuen Ufern aufzubrechen, dachte sich auch die 24jährige Betriebswirtin Andrea Holzknecht aus Innsbruck. Im August dieses Jahres machte sie sich deshalb nach Arizona auf, um noch einmal die Schulbank zu drücken.
Vor dem Hintergrund des größten Erd-Labors der Welt will sie die Zusammenhänge der globalen Klimaveränderung verstehen lernen.
Andrea Holzknecht, Studentin bei \"Biosphäre 2\"
\"Das Programm, das sie da haben, bezieht sich auf planetary management, also Management vom Planet Erde. Und wo kann man das besser lernen, als in einer Umgebung, wo man so ein tolles Tool wie da hinten die Biosphere hat, wo man wirklich die Forschung hautnah erleben kann und mitarbeiten kann.\"
Hautnah hatten auch die acht Bionauten bei ihrem zweijährigen Aufenthalt in der \"Biosphäre 2\" Forschung erlebt. Als sie im September 1993 die geschlossene Mini-Welt wieder verließen, waren sie sichtlich geschwächt und abgemagert. Doch sie hatten viel über die Empfindlichkeit der Biosphäre gelernt.

Taber MacCallum, ehemaliger Bionaut
\"Das allererste, was man in einem geschlossenen System lernt, ist die enge Verbindung, die in der Natur zwischen Pflanzen und Tieren herrscht. Und daß wir Menschen nur ein kleiner Teil unserer Umwelt sind. Das war eine wichtige Botschaft. Und wir haben gelernt, wie diese Systeme funktionieren. Geschlossene Systeme sind eine kleine ökologische Einheit. Weil sie begrenzt sind, können wir sie leichter studieren, als die Erde. Denn die Erde ist so groß, daß es schwer ist, alles zu messen.\"
In seiner Firma in Tucson, unweit der \"Biosphäre 2\", arbeitet Taber MacCallum deshalb jetzt mit noch kleineren geschlossenen Ökosystemen. Sie enthalten Wasser, Luft, Pflanzen und kleine Tiere und können sich unter den richtigen Licht- und Temperaturverhältnissen selbst erhalten. Zwei Mini-Biosphären wurden sogar zur Raumstation Mir geschickt, um ihr Verhalten in schwerelosem Zustand zu testen. Die Mini-Biosphären dienen aber nicht nur zu Forschungszwecken. Sie werden auch als Souvenirs mit Botschaft verkauft: Als ein kleines erlebbares Ökosystem. Die Empfindlichkeit unseres Planeten erlebbar zu machen und harte wissenschaftliche Fakten einer breiten Masse zu vermitteln, ist auch eine Aufgabe der \"Biosphäre 2\". Im November wurde im ehemaligen Wohntrakt der Bionauten ein Museum eröffnet, das den Besuchern die komplizierten Ursachen und Auswirkungen der globalen Klimaveränderung näherbringen soll.
Touristen sollen die Welt im Glashaus zumindest von außen bestaunen können. Und sie sollen Einnahmen für den Betrieb der \"Biosphäre 2\" bringen. Denn allein die Betriebskosten des riesigen Glashauses betragen rund 60 Millionen Schilling pro Jahr. Dabei sind die Kosten für die Forschung noch nicht mitgerechnet. Ob jemals wieder Menschen in das riesige Glashaus eingeschlossen werden, oder ob es beim einmaligen Versuch bleiben wird, ist derzeit ungewiß.
Für die Bionauten war es jedenfalls eine Erfahrung, die sie ihr Leben lang nicht vergessen werden.
Sie konnten in die Zukunft unseres Planeten blicken und anhand der \"Biosphäre 2\" erfahren, wie empfindlich die \"Biosphäre 1\" - das Leben auf der Erde - ist.

 
 

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