Nach der deutschen Vereinigung zeigen sich erneut die Probleme der Großwohnsiedlungen, mit denen sich die Bundesregierung bereits in den 70er Jahren auseinandersetzen mußte. Eine starke Abwanderungstendenz in die westlichen Bundesländer ließ sich gerade hier feststellen. Folge sind, wie bereits in den westdeutschen Trabantenstädten der 60er, erheblich wachsende Leerstandsquoten und steigende soziale Segregation (vgl. Rietdorf und Knorr-Siedow 1997).
"Für die Städte in den neuen Bundesländern ist in vielen Bereichen [...] eine nachholende Entwicklung kennzeichnend" (Henckel et al 1993, 16). Die gilt vor allem für den Banken- und Versicherungssektor, das Messewesen, dem Verkehrsbereich und den Handel (vgl. Henckel et al 1993, 16). In den Innenstädten der neuen Bundesländer setzt die Vermarktwirtschaftlichung ein. Sozialistische Prachtbauten werden durch die westliche "postmoderne" Architektur degradiert und umgewandelt. Der Einzelhandel blüht gerade in den Stadtzentren, aber auch in der randlichen Langen auf. Eine Entwicklung, die man bereits auch in der BRD der 60er bis 70er Jahren beobachten konnte.
Zahlreiche Wettbewerbe zur Neugestaltung der ostdeutschen Städte werden in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung ausgeschrieben, mit internationaler Beteiligung. Eine behutsame Stadterneuerung wird auch in den neuen Ländern zum Planungsziel gesetzt. "Tragfähige Lösungen können dabei grundsätzlich nicht von außen kommen. Sie setzen voraus [...], daß alles, was realisiert werden soll, stets mit den betroffenen [...] Menschen gründlich beraten wird [...]" (Rietdorf und Knorr-Siedow 1997): Die Fehler in der deutschen Städtebaugeschichte sollen nicht wiederholt werden.
Raumdynamik in der DDR bzw. den neuen Ländern
Tiefgreifende Wanderungsbewegungen in der ostdeutschen Bevölkerung traten erstmalig in den ersten Nachkriegsjahren auf. Zunächst schleppend schwappte in diesen Jahren eine Flüchtlingswelle aus dem Osten in die westdeutschen Besatzungszonen. Diese verstärkte sich mit zunehmender Konsolidierung der politischen Lage in der SBZ. Bis zum Berliner Mauerbau gaben rund zwei Millionen Menschen ihren Wohnstandort in den östlichen Gebieten auf. (vgl. Schöller 1967, 77f)
Die Phase des industrialisierten Wohnungsbaus ist geprägt von einer starken Verstädterungstendenz: "So fällt der extrem hohe Einwohnerrückgang aller Umlandregionen in den 70er Jahren auf, als die räumliche Konzentration des Wohnungsbaus auf die Großstädte ihren Höhepunkt erreichte und die Bevölkerung des Umlandes durch Land-Stadt-Wanderung regelrecht ,aufgesaugt' wurde" (Henckel et al 1993, 105). Diese Entwicklung ging einher mit einer zunehmenden "Vergreisung" der Bevölkerung in den Abzugsgebieten. Von einer Bevölkerungssuburbanisierung, wie sich in de BRD durch die gesamte Entwicklung hindurchzieht, kann zu keiner Zeit die Rede sein. (vgl. Graphiken aus Henckel et al 1993, 374f)
"Besonders gravierend sind die Verluste durch Abwanderung junger Bevölkerung nach Westdeutschland seit 1989, wovon [...] überdurchschnittlich stark Leipzig, Dresden, Erfurt und Ost-Berlin betroffen waren" (Henckel et al 1993, 105). Rund 2,2 Millionen Menschen zogen in der Zeit von 1989 bis 1991 in den Westen.
Abschließende Betrachtung und Ausblick: Die Zukunft der deutschen Stadt
Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR ist die städtebauliche Geschichte, besonders in den ersten Nachkriegsjahrzehnten, von den jeweiligen Besatzungssaaten geprägt: "Beide rezipierten zunehmend die Fortschritte ihrer Schutzmacht" (von Beyme 1987, 340). Sie glaubten, ein grundsätzlich anderes System zu schaffen als die andere Seite. Vergleicht man einzelne Städte untereinander, so mag diese auch zutreffend sein (Abbildung 6 zeigt den deutlichen Einfluß der UdSSR und Abbildung 7 den amerikanischen). "Dennoch bleibt erstaunlich, wie ganz unterschiedliche politische Zielsetzungen und wirtschaftliche Randbedingungen noch so viele Ähnlichkeiten in der Städtebaupolitik zulassen, wie sie zwischen den beiden deutschen Staaten bestehen" (von Beyme 1987, 339).
Für iskussionsstoff unter bundesdeutschen Politikern sorgen aktuelle Stadtentwicklungstendenzen. Am Beispiel "Neue Mitte" in Oberhausen zeigt sich die zunehmenden "Amerikanisierung" (Guratzsch 1997) in Architektur und Städtebau. Das äußert sich unter anderem, so der ehemalige Bundesbauminister Klaus Töpfer, in der weiter voranschreitenden Suburbanisierung der Bevölkerung: "Danach wohnt das Gros der Bevölkerung in den meisten Stadtregionen schon nicht mehr in der Kernstadt, sondern im Umland [...]" (Guratzsch 1997).
Welche Rolle die Innenstadt der Zukunft übernehmen soll, bleibt noch unklar. Sicher scheint aber zu sein, daß sich auch in der Wirtschaft der Hang zur Dezentralisierung ausbreitet. "Noch drastischer formulierte es der Darmstädter Planungsprofessor Thomas Sievers. Die ,fürchterliche Amerikanisierung' der Städte habe längst eingesetzt. Noch vor 100 Jahren hätten Städte eine fünfmal so hohe Sichte gehabt. Heute jedoch hätten sich städtische Aktivitäten derartig verdünnt, ,daß man von Städten kaum noch reden kann'" (Guratzsch 1997). Wie hat das neue Stadtmodell auszusehen und wie kann man diesen Entwicklungsprozeß in Gang setzen bzw. steuern? Das sind die Fragen, die in der aktuellen Planungsdiskussion für erhitze Gemüter sorgen.
|