Sah sich die Sphinx zu Füßen der Pyramiden auch immer wieder von der Wüste bedrängt, die Pyramiden selbst konnte der herangewehte Sand nicht ernstlich bedrohen.
Anders erging es dem zweitältesten Weltwunder, der mächtigen Festungsmauer von Babylon.
Sie wurde um 600 v. Chr. errichtet und war ein halbes Jahrtausend später, also noch vor Christi Geburt, nur noch eine Schutthalde. Die einst festgerügte Mauer war zu einem bereits oft unterbrochenen Damm auseinandergeflossen. Wie kann es möglich sein, daß eine Festungsmauer, die in einem Atemzug mit den Pyramiden genannt worden ist, fast spurlos verschwindet.
Sie wurde erst am Anfang unseren Jahrhunderts mühsam identifiziert.
Die Festungsmauer Babylons war aus Ziegeln geschichtet und mit gestampfter Erde gefüllt. Streckenweise war die Festungsmauer Babylons auch Damm für die Fluten des Euphrat. Der Verfall der Mauer von Babylon muß zu Beginn des 3. vorchristlichen Jahrhunderts schon sehr weit fortgeschritten gewesen sein.
So versteht man, daß in der zweitältesten Aufzählung der Sieben Weltwunder die babylonische Mauer gestrichen, dafür der neuerrichtete Leuchtturm vor Alexandria eingesetzt ist.
Babylon ist im Laufe seiner Geschichte wiederholt zerstört worden, von den Hethitern, von den Assyrern. Viermal schien das Schicksal der Stadt endgültig besiegelt und war es doch nicht. Nabopolassar (626-605 v. Chr.) erbaute Bab-illu, \"Die Pforte Gottes\", als Hauptstadt des Neubabylonischen Reiches größer und schöner auf. Sein Sohn, der biblische Nebukadnezar (605-562 v. Chr.) übertraf den Vater, er war von der Bauwut besessen. Er machte Babylon zur ersten wirklichen Weltstadt der Geschichte. Nebukadnezar konnte über die Reichtümer Assyriens, Syriens und Palästinas verfügen.
Und so hat Nebukadnezar in Keilschrift niederlegen lassen:
\"Was kein König vor mir getan hat, tat ich. 4000 Ellen Landes (das sind ca. 2 km) seitwärts der Stadt, fern, unnahbar, ließ Ich eine gewaltige Mauer, gegen Osten zu, Babylon umschließen. Ich grub ihren Graben bis auf das Grundwasser. Den Uferrand baute ich mit Asphaltmörtel und Brandziegeln und fügte ihn mit der Wandmauer, die mein Vater errichtet hat, zusammen. Babylon vollendete ich. Eine gewaltige Mauer baute ich an des Grabens Rand berghoch. Mit zwei Grabenmauern hatte mein väterlicher Erzeuger die Stadt eingehegt. Ich erbaute eine gewaltige Grabenmauer, eine längs der andern, und vereinigte sie mit der Böschungsmauer meines Vaters.
Mit einer Ufermauer aus Ziegeln umhegte ich den Wall von Babylon.
Die östliche Ufermauer des Arachtu-Kanals vorm Ischtartor bis zum Tor des Urasch hat mein Vater errichtet. aber nicht vollendet. Ich nun, sein erstgeborener Sohn, der Liebling seines Herzens, baute sie fertig, verstärkte sie\".
Der stolze Text des Nebukadnezar enthält keine Maße. Das Werk war sozusagen unüberwindlich und für die Ewigkeit erbaut. Der deutsche Archäologe Robert Koldewey, der Babylon Anfang unseres Jahrhunderts ausgegraben hat, stellte fest, daß die Mauer 18 Kilometer lang war.
Jedenfalls, so schreibt Koldewey ,
\"War die Stadt schon in dem Umfang, wie wir sie jetzt festgelegt haben, die größte des antiken Orients, auch Niniveh nicht ausgenommen. Letzteres kam Babylon allerdings nach. Aber die Zeit, in welcher sich der Ruhm von Babylons Größe über die Welt verbreitete, war diejenige Herodots, und damals hatte Niniveh bereits aufgehört zu existieren. Ein Vergleich mit modernen Städten läßt sich so ohne weiteres kaum ziehen. Man muß immer bedenken, daß es sich in der Antike stets um die Stadt als Festung handelt, um den Mauerring, der den Wohnplatz wie ein schützender Gürtel einheitlich umspannte. Sie sind bewohntes Land, offen nach allen Richtungen.\"
Unter Nebukadnezar ging die rasch wachsende Weltstadt Babylon über den Fluß. Eine Neustadt entstand auf der Westseite des Euphrat.
Auch dieser Stadtteil mußte mit Mauern umgeben werden. So entstand ein Festungsviereck, durch das der Euphrat hindurchfloß.
Die Ufermauern am Euphrat waren 8-10 Meter dick, die Befestigungswälle um die Innenstadt herum siebzehneinhalb Meter. Die Außenmauern waren gar 27 bis 30 Meter stark. Die Befestigungsanlage um den Stadtkern ragte 25 Meter, die Außenmauer 30 Meter hoch auf !
Man hat sich innen und außen hochgemauert und den Zwischenraum mit Schutt und dem Lehm vom Grabenaushub aufgeteilt. Auf diese Weise entstand eine breite Dammkrone. Auf dem 30 Meter starken Wall hinter den schützenden Türmen, Zinnen und Brüstungen entstand ein Fahrweg von mehr als 12 Meter Breite.
Von hier aus wollte der 32jährige König, Alexander, der aus Indien nach Babylon zurückkehrte die Welt regieren. Eine Mücke hat diesen großartigen Plan vereitelt. Alexander starb an der Malaria. Das Weltreich zerfiel. Babylon, als seine Mitte gedacht, sank zur Kleinstadt, am Ende zu einem elenden Dorf herab, das verlassen wird, das der Wüstensand zuweht.
Der römische Satyriker Juvenal , der etwa 58 bis 140 n. Chr. gelebt hat, schrieb darauf anspielend recht makant, die Weltstadt Babylon sei \"von Töpfern\" befestigt worden. Töpferware ist zerbrechlich, das stimmt wohl.
Die weithin verstreuten Ziegel der Babylonischen Mauer zeugen noch heute für den Erbauer.
Sie sind Stück für Stück mit dem Stempel Nebukadnezars gezeichnet.
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