Trotz der Entwicklung leistungsfähiger Dampflokomotiven und längerer Züge konnte der Verkehrsaufkommen auf den Berliner Stadt-, Ring und Vorortbahnen nur sehr schwierig gestaltet werden. Dazu kamen die ständigen Klagen der Bevölkerung über die Umweltverschmutzung durch die beim Dampfbetrieb verursachten Feuerungsabgase, Qualmentwicklungen und Rußablagerungen. All dies konnte mit dem elektrischen Betrieb erreicht werden : sauberer Betrieb,
dichtere Zugfolgen und wesentliche Verkürzung der Fahrzeiten.
Siemens begann am 13. Juli 1900 auf der 12 Kilometer langen Wannseebahn einen elektrischen Probebetrieb. Der Triebwagen wurde mit 750 V Gleichstrom betrieben. AEG folgt erst am 4. Juni 1903 auf der Strecke Berlin-Potsdamer Ringbahnhof. Der Abteiltriebwagen wurde mit 550 V betrieben. Die erreichte Durchnittsgeschwindigkeit war 32 Km/h
1913 wird nach langem Kämpfen das Gesetz zur Elektrifizierung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen vom preußischen Landtag angenommen.
Der erste Weltkrieg unterbrach die Probefahrten und Versuche, aber schon Ende 1918 wurden die Vorarbeiten für den elektrischen Betrieb der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen wieder aufgenommen.
Es wurde 1921 nach zahlreichen Versuchen beschlossen die Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen über Energiezuführung durch Stromschienen mit 800 V Gleichstrom zu elektrifizieren. Die Entscheidung für die Stromschiene war leicht, weil man so eine hohe bauliche Aufwendung in Berlin Stadtmitte mit seinen vielen Brücken und Tunnels wegen einer Überleitung ersparen wollte. Man wählte 800 V als Standard Spannung aus um robuste Motoren bauen zu können. Und weil die Probefahrten mit Triebwagen geführt wurden, kam es nicht in Frage Lokomotiven einzusetzen.
Bereits 1919 wurden die Bauarbeiten für die Elektrifizierung der Nordstrecken vom Berliner Stettiner Vorortbahnhof nach Velten angefangen. Aber durch die Inflation konnte erst am 8. August 1924 der erste elektrifizierte Streckenabschnitt (Berlin Stettiner Vorortbahnhof - Bernau) in Betrieb genommen werden. Erst 1927 waren die Bauarbeiten zu Ende, damit war ein erstes 70,5 Kilometer langes, geschlossen betriebenes Netz geschaffen.
Diese Strecke diente der Sammlung von Erfahrungen für die spätere Elektrifizierung der Stadtbahn und der Vorortstrecken. Endlich entschließ sich die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft im Juli 1926, die Elektrifizierung durchzuführen.
Alle Bahnsteige mußten auf 96 cm über Schienenoberkante erhöht werden. Da laut Eisenbahnbau- und Betriebsordnung nur 76 cm zugelassen sind, war hierfür eine Ausnahmegenehmigung erforderlich, die erst nach dem Bau von Versuchsbahnsteigen in dieser Höhe auf dem Bahnhof Berlin-Tempelhof erteilt wurde.
Am 20. März 1929 wurde auf der Stadtbahn und den Vorortstrecken der neue Fahrplan für den vollen elektrischen Betrieb eingeführt. Damit verschwanden die Dampflokomotiven von den Gleisen. Es erbrachte wirklich viele Vorteile :
Vor der Elektrifizierung Nach der Elektrifizierung
Zugfolge 2,5 Minuten 2 Minuten
Berufsverkehr 24 Züge/St. 28 Züge/St.
außerhalb des Berufsverkehrs 18 Züge/St. 24 Züge/St.
Die Reisezeiten wurden auch verkürz. Hier ein paar Beispiele :
Strecke Vor der Elektrifizierung Nach der Elektrifizierung
Charlottenburg-Schlessischer Bahnhof 31 Minuten 22 Minuten
Friedrichstraße-Potsdam 59 Minuten 44 Minuten
Friedrichstraße-Erkner 62 Minuten 46 Minuten
Friedrichstraße-Grünau 44 Minuten 33 Minuten
Friedrichstraße-Kaulsdorf 37 Minuten 27 Minuten
Anfang des Jahres 1929 betrug die elektrifizierte Streckenlänge 192 Kilometer.
Das Kürzel "S-Bahn\", der 1930 eingeführt wurde, hat keinen festen Ursprung (Zeitschrift Die Reichsbahn, Heft 52 vom 24. Dezember 1930, Seite 1322 : "Die Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen werden künftig kurz S-Bahn heißen. Die Reichsbahn beabsichtigt, soweit es die knappen Mittel gestatten, nach und nach Tafeln und Transparenten anzubringen, auf denen das weiße S auf grünem Grunde weithin leuchtet.\")
Aber dieser neue Name und Logo wurde von den Berlinern nur für die elektrifizierten schnellen Strecken benutzt und nicht für die alten Dampfstrecken.
In Mai 1933 folgte die Elektrifizierung der letzten Strecken (Wannseebahn...).
Das Material der Berliner S-Bahn wurde endlich schneller, komfortabler, leiser und stank nicht mehr wie vorher. Ein voller Zug war aus vier Viertelzügen zusammengestellt und ein Viertelzug besaß zwei Wagen (Steur- plus Beiwagen oder Trieb- plus Beiwagen). Das Farbshema der S-Bahn (gelbe und rote Streifen) entspricht dem Vorkriegsshema der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft (DRG).
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