Tropischer Regenwald
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Regenwald allgemein
Der Begriff "Regenwald" umschreibt sehr treffend die Wälder der permanent feuchten Klimazonen. Sie können überall dort gedeihen, wo gleichmäßig pro Jahr mehr als 2000 mm Regen fallen. Regenwälder kommen sowohl in gemäßigten als auch in tropischen Breiten vor, doch die bekanntesten bilden einen Gürtel um den Äquator. Wie ein grüner Ozean bedeckt der Regenwald in Südamerika eine durchgehende Fläche von 1.000 km nördlich bis 1.000 km südlich des Äquators. Dieser setzt sich von Afrika bis zum Indischen Ozean fort. Das dritte große Regenwaldgebiet umfasst in Südostasien Teile Indiens, ferner Burma, Thailand, die malaysisch-indonesischen Inseln und Neuguinea. Regenwälder lassen sich entsprechend ihrer Höhenlage in zwei Hauptkategorien unterteilen: Tiefland- und Bergregenwald. Die Tieflandwälder sind die flächenmäßig weitaus größten, doch da sie bequem zugänglich sind, hat man ihnen auch den meisten Schaden zugefügt. Darüber hinaus sind sie die fruchtbarsten aller pflanzlichen Lebensgemeinschaften der Erde. Die Bäume im Tieflandwald wachsen bis zu einer Höhe von 60 m. Bergregenwälder sind dagegen kleinwüchsiger, denn ihr Wachstum wird gleich von mehreren Faktoren begrenzt: niedrige Temperaturen, unregelmäßige Niederschläge und Nährstoffmangel in größeren Höhen. Diese Wälder spielen eine wesentliche Rolle beim Umweltschutz: ohne sie wären Bodenerosionen in den Hochlagern und Überschwemmungen im Tiefland die unangenehmen Folgen.
Das Ökosystem Regenwald
Im Regenwald gibt es keine Jahreszeiten. Das ganze Jahr über ist es etwa 28° C heiß. Das wichtigste im Regenwald ist - wie der Name schon sagt - der Regen. In äquatornahen Gebieten regnet es praktisch jeden Tag, bis zu 10.000 qmm pro Jahr. Das ist ungefähr 5mal soviel wie bei uns. In den Saisonregenwäldern gibt es zwischendurch auch trockenere Monate.
Der Regenwald bietet alles, was für ein unbegrenztes Pflanzenwachstum nötig ist: Kohlendioxid (aus der Luft), Wasser, Wärme und Licht. Daraus entsteht eine unvorstellbare Pflanzenpracht. Obwohl die Regenwälder nur ¼ des gesamten Waldbestandes der Erde ausmachen, umfassen sie knapp 4/5 der Landvegetation. Das Gesamtgewicht der Pflanzen auf einem Hektar (100 x 100 m) kann über 1.000 Tonnen betragen.
Der Regenwald schafft sich sein eigenes Klima. Nur ¼ des Regenwassers fließt über die Flüsse ab. ¾ werden wieder in die Luft abgegeben, wo daraus neue Regenwolken entstehen. Wo der Wald vernichtet wurde, hat auch der Regen stark nachgelassen.
Die Flüsse, die die Regenwälder durchziehen, transportieren dennoch riesige Wassermengen.
Der Waldboden des Regenwalds
Wenn ein Mensch im Amazonaswald mit dem Fuß die dünne Blätterschicht am Boden beiseite scharrt, so kommt ein wenig schwarzer Humus zum Vorschein, der nur ein paar cm tief reicht. Gleich darunter ist eine bleiche, gelbliche oder rötliche Erde zu sehen, die von Wurzeln und Pilzfäden durchzogen ist. Wäre nicht alles so feucht und modrig, entstünde der Eindruck, der Boden bestehe aus Sand.
Viele Regenwaldböden sind nahezu unfruchtbar. Etwa 40% der asiatischen, 70% der afrikanischen und 90% der südamerikanischen Regenwälder stehen auf eigentlich unfruchtbarem Grund. Seit Jahrmillionen durchlaufen die tropischen Böden eine starke Verwitterung. Die Mineralien wurden ausgewaschen, die Böden ausgelaugt und zersetzt. In Amazonien ist dieser Vorgang am weitesten fortgeschritten.
Der Nährstoffkreislauf
Fällt im Tropischen Regenwald ein abgestorbenes Blatt oder ein Ast auf den Boden, so wird es sofort von sogenannten Mykorrhiza-Pilzen befallen, die aus ihm alle Nährstoffe herausfiltern. Die Pilze hängen an Baumwurzeln und geben die gewonnen Nährstoffe an die Bäume weiter. Von dem Blatt selbst bleibt kein Humus zurück. So befinden sich fast alle Nährstoffe ständig in den lebenden Pflanzen, nur eine winzige Menge ist in der Bodenschicht enthalten.
Die Verluste, die trotz allem auftreten, werden durch den Regen ausgeglichen. Messungen an den Bächen, die den Wald verlassen, ergaben, dass ihr Wasser unglaublich rein ist, fast so rein wie destilliertes Wasser. Die unzähligen Pflanzenarten, die der Wald hervorgebracht hat, helfen alle mit, möglichst viele Mineralstoffe (wie Calcium, Kalium, Phosphor ...) aus dem Regen zu filtern. Nichts darf dabei verloren gehen.
Die Vielzahl der Arten ist also die Antwort der Natur auf die Knappheit der Ressourcen. Nicht trotz der Nährstoffarmut gibt es im Regenwald so viele Arten, sondern gerade wegen ihr !
Die Artenvielfalt
Als im 19. Jahrhundert Naturforscher wie Charles Darwin oder Alexander von Humboldt die Tropenwälder besuchten, staunten sie über die ungeheure Artenvielfalt, die hier herrschte. Sie berichteten von unglaublicher Formenmannigfaltigkeit bei Schmetterlingen, Vögeln, Käfern und Affen. In der Tat ist der Artenreichtum verblüffend.
Während in ganz Europa nur etwa 50 verschiedene Baumarten vorkommen, gibt es auf Regenwaldflächen von der Größe zweier Fußballfelder oft über 500.
In einer einzigen Baumkrone findet man über 600 verschiedene Käferarten. Etwa 150 davon waren ausschließlich auf diese Baumart spezialisiert. Auf einem Hektar Regenwald können vermutlich 20.000 verschiedene Insektenarten vertreten sein. Ungefähr 400 Vogelarten leben in Zentralamazonien auf einem Gebiet von 7 mal 7 km.
Es gibt wohl nicht nur zwei Millionen Arten auf der Erde, wie Wissenschaftler noch in den 50er Jahren angenommen hatten, sondern 20, 30, vielleicht sogar 40 Millionen! Über 80 % davon bewohnen die Regenwälder.
Pflanzen im Regenwald
Bäume prägen wie sonst keine andere Wuchsform den tropischen Regenwald; sie bilden die Lebensgrundlage für zahlreiche Lebewesen, seien es Pflanzen oder Tiere. Bromelien, Orchideen, viele Farne und Moose sind Epiphyten (Aufsitzerpflanzen), die sich in den lichtdurchfluteten Baumkronen ansiedeln und denen die Finsternis des Urwaldbodens zeitlebens erspart bleibt - außer der Wirtsbaum fällt um, dann sterben mit ihm auch seine Epiphyten.
Viele Lianen beginnen ihr Leben als Epiphyt in den Baumkronen und wachsen dann bis zum Boden. Ebenso die Würgefeige. Anfangs ein harmloser Epiphyt, führt ihre Entwicklung aber fast immer zum Tod des Wirtsbaums.
Sehr viele unserer Nutzpflanzen kommen ursprünglich aus den Tropen oder werden in den Tropen angebaut. Den Anfang macht die Banane eine der beliebtesten Früchte überhaupt. Weiter geht es mit der Vanille, die Geschmackstoff für Speiseeis, Pudding etc ist. Außerdem wachsen im Regenwald Zimt, Ingwer und der Feige.
Neun von zehn Früchten, die bei uns gegessen werden, stammen ursprünglich aus tropischen Regenwäldern oder werden heute in den Tropen angebaut. Wirkstoffe von Pflanzen aus tropischen Regenwäldern finden sich heute in jedem vierten Medikament wieder.
Bromelien
Die Bromelien (Ananasgewächse) kommen fast ausschließlich in Mittel- und Südamerika vor. Sie haben eine eigene Strategie entwickelt. Weil sie nicht im Boden wurzeln können, formen deren Blätter einen Trichter (Mikro-Teiche), in dem sich Regenwasser und Humusreste ansammeln. Eine große Bromelie kann so bis zu zehn Liter Wasser speichern.
In die Mikro-Teiche wachsen dann die eigenen feinen Wurzeln (Trichome) ein. Jeder der Trichter bildet in Höhen von bis zu 60 Metern einen Mikrokosmos. Bis zu 250 verschiedene Tierarten halten sich in einer Bromelie auf. Die Mikro-Teiche der Bromelien sind ein klassisches Beispiel für die komplexen ökologischen Interaktionen in tropischen Regenwäldern.
Würgefeige
Die Entwicklung einer Würgefeige (Gattung Ficus) beginnt wenig spektakulär. Im Kronendach setzt ein fruchtfressendes Tier (Vogel, Affe etc.) Kot und damit den Samen einer Würgefeige ab, der unter günstigen Bedingungen keimt. Anfangs lebt die junge Feige epiphytisch, dann beginnt sie Luftwurzeln in Richtung Waldboden zu schicken - manche frei in der Luft, manche am Stamm.
Auf dem Waldboden angekommen verankern sich die Luftwurzeln im Boden und die Feige bezieht in der Folge Wasser und Nährstoffe aus dem Boden: Die Luftwurzeln werden rasch dicker und verholzen zu kleinen Stämmen. Dort wo sich die Wurzeln berühren verschmelzen sie.
Bananen
Die Banane ist eine sechs bis neun Meter hohe Staude (kein Baum!) mit sehr großen, länglichen und ungeteilten Blättern, die bis zu sechs Meter lang und einen Meter breit werden können. Im Freiland erscheinen Bananen oft ein wenig zerrupft.
Der Blütenstand besteht aus einer bis zu einem Meter langen Achse, woran sich in Gruppen gelbliche Blüten entwickeln. Bestäuber können Fledermaüse, Flughunde, Kolibris und große Schwärmer sein.
Bis eine Bananenpflanze blüht und Früchte trägt, dauert es ca. 14 bis 18 Monate. Die Früchte reifen in etwa drei Monaten. Während die Wildbanane relativ kleine samenreiche Früchte hervorbringt, enthält die größere Obstbanane keine Samen, sondern nur Reste der Samenanlagen - diese sind als schwärzliche kleine Punkte in der Banane noch zu erkennen. Unreife Früchte sind reich an Stärke, mit zunehmender Reife wird Stärke in Zucker umgewandelt.
Tiere im Regenwald
Die Regenwälder sind der Lebensraum für unzählige Tiere. Obwohl sie nur noch etwa 2% unserer gesamten Erde bedecken, sind hier schätzungsweise 80% aller Tierarten zu Hause. Wie viele es genau sind, weiß niemand, denn es gibt so viele faszinierende Tiere dort, dass Millionen noch nicht einmal entdeckt wurden.
Den größten Teil der Tiere im Regenwald machen allerdings nicht Affen, Elefanten und Co aus, sondern hauptsächlich Insekten, Ameisen und Käfer.
Durch die große Artenvielfalt gibt es in den tropischen Regenwäldern viele Tiere, die für uns merkwürdig erscheinen: fliegende Schlangen, Spinnen, die Vögel fressen, Frösche, die ihr ganzes Leben in Baumkronen verbringen und so weiter. Viele der Tiere haben sich auch so gut an ihre Umwelt angepasst, dass man sie kaum sehen kann, da sie fast wie ihre Umgebung aussehen.
Die atemberaubende Artenvielfalt kommt hauptsächlich daher, dass viele Tiere sich so sehr spezialisiert haben, dass sie nur auf einem bestimmten Baum leben können oder nur eine bestimmte Pflanze fressen. Diese Pflanze fressen dann nur sie und wenige andere Tiere. Außerdem leben im Regenwald deshalb so viele Tiere, da hier die perfektesten Bedingungen zum leben herrschen: Es ist jeden Tag 22- 25° C warm, da es keine Jahreszeiten gibt. Und da es sehr viel regnet, brauchen die Tiere nie dursten.
Durch die immer weiter voranschreitende Abholzung des Regenwaldes verlieren jedoch immer mehr Tiere ihr zu Hause. Wird ihr Baum gefällt, sterben sie. Und als ob nicht schon genug Tiere durch die Abholzung sterben würden, sterben viele auch durch illegalen Handel.
Vogelspinnen
Die tropischen Tieflandregenwälder von Französisch-Guayana sind Heimat der größten Spinne der Welt, der Riesenvogelspinne. Temperaturen um 28°C und eine Luftfeuchtigkeit von annähernd 100% bilden den idealen Lebensraum der in Höhlen im Boden lebenden Tiere.
Theraphosa blondi, so ihr lateinischer Name, hat wie alle Spinnen acht Beine; und wenn sie diese von sich streckt, kann sie einen stattlichen Durchmesser von bis zu 30 cm erreichen.
Am Vorderkörper der Spinne sitzen zwei Taster, acht Augen, die Mundöffnung mit den zwei Zähnen, und auch die Beine setzen allesamt hier an. Der deutlich vom Vorderkörper abgegrenzte Hinterleib trägt lebenswichtige innere Organe wie Lungen, Geschlechtsorgane und die Spinnwarzen.
Der ganze Körper ist mit Haaren bedeckt. Bei
Papageien
Papageien zählen mit etwa 330 Arten zur Familie der Psittacidae. Sie sind nicht nur in Körperform und Färbung sehr unterschiedlich, sondern auch in der Größe. Während beispielsweise ein Augenring-Sperlingspapagei (Forpus conspicillatus) eine Körperlänge von ca. 12 Zentimetern aufweist, misst der größte Papagei, der Hyazinth-Ara (Anodorhynchus hyacinthinus), eine Länge von rund einem Meter.
Was allerdings allen gemeinsam ist, ist ihr unverkennbarer, gekrümmter Oberschnabel. Der Schnabel dient zumeist als sogenannter "dritter Fuß" zum Klettern und als universell einsetzbares Werkzeug, zur Entfernung harter Schalen, die der Ernährung dienenden Samen umhüllen, zum Bau von Bruthöhlen, zur Feindabwehr, zur Pflege des eigenen Gefieders bzw. des Partnervogels oder anderer Schwarmtiere und nicht zuletzt zur Festigung sozialer Kontakte.
Die meisten Papageienarten haben ihren Lebensraum in tropischen Regenwäldern, jedoch gibt es auch andere Arten, die beispielsweise Savannengebiete oder Hochebenen bewohnen, wobei Arten, die eher trockene Gebiete bevorzugen, sich zumeist in der Nähe von Flussläufen aufhalten, die hauptsächlich zur Wasseraufnahme und zum Baden benutzt werden.
Faultiere
\"Ihre Trägheit ist eines der Naturwunder\", wird von den Faultieren gesagt. Faultiere (Familie: Bradypodidae) werden etwa einen halben Meter groß und vier bis neun Kilogramm schwer. Mit dem Bauch nach oben und dem Rücken nach unten hangeln sie im Zeitlupentempo durch das Kronendach des tropischen Regenwalds. Mit ihren großen gebogenen Krallen verankern sich die Faultiere in den Zweigen und fressen mit Gelassenheit pflanzliche Kost: Blätter, junge Triebe, Blüten und Früchte. Dazu müssen sich die Tiere nicht schnell bewegen - im Gegenteil, gerade das ruhige Verhalten schützt sie vor Fressfeinden. Ihre Unauffälligkeit ist ihr bester Schutz.
Eine Besonderheit der Faultiere ist ihr Fell. Normalerweise verläuft der Scheitel des Fells entlang der Wirbelsäule auf dem Rücken, zum Beispiel bei Hunden und Katzen. Nicht bei den Faultieren. Bei Ihnen verläuft der Scheitel auf der Mittellinie von Brust und Bauch. Eine gute Anpassung an eine ungewöhnliche Körperhaltung. Wassertropfen bleiben nicht auf dem Bauch im Fell hängen, sondern können nach beiden Seiten ablaufen!
Das Artensterben
Stirbt im Regenwald eine Art aus, führt das oft zu einer tödlichen Kettenreaktion, weil viele Arten aufeinander angewiesen sind, wie z.B. die Giftfrösche auf die Bromelien. In Westafrika sind allein etwa 30 Baumarten vom Waldelefanten abhängig. Die Elefanten müssen ihre Früchte fressen, damit die Samen frei werden. Seit die Elefanten fast verschwunden sind, wachsen einige Baumarten kaum mehr nach.
Viele Arten leben außerdem auf einem sehr kleinen Gebiet, die Goldkröte in Costa Rica kommt zum Beispiel nur auf einer Fläche von 50 mal 100 Metern vor - sonst nirgends. Da schon über die Hälfte aller Regenwälder zerstört ist, werden wir nie erfahren, wie viele Arten schon endgültig verschwunden sind, und auch nicht, was für welche das waren, wie sie lebten und was sie uns hätten nutzen können.
Die allerwenigsten Tier- und Pflanzenarten des Tropenwaldes sind bislang überhaupt entdeckt. Nur etwa 1% ist wissenschaftlich erforscht. Trotzdem entstammt diesem kleinen Anteil untersuchter Arten bereits ¼ unserer rezeptpflichtigen Medikamente. Bei der Erforschung weiterer Arten könnten also wahrscheinlich noch ungeahnte Heilmittel gegen Krankheiten gefunden werden, die bis jetzt noch nicht oder nur mangelhaft bekämpfbar sind.
Im Laufe der Erdgeschichte sind immer wieder Arten verschwunden. In der letzten Eiszeit starb durchschnittlich alle zwei Jahre eine Tier- oder Pflanzenart aus. Heute aber werden vielleicht 40.000 bis 50.000 Arten jährlich ausgerottet. ¼ aller Arten wird voraussichtlich innerhalb der nächsten 20 Jahre aussterben.
Leben in der grünen Wüste
Große Teile der Tropenwälder sind für Menschen auf Dauer unbewohnbar. Riesige Gebiete Amazoniens mit besonders kargen Böden weisen eine natürliche Bevölkerungsdichte auf, die in etwa der Zentralsahara entspricht.
Trotzdem leben Menschen hier. Die nährstoffreichen Gebiete der Tropen sind heute fast alle von den Weißen besetzt. Einige Naturvölker sind jedoch schon vor Jahrtausenden tiefer in den Regenwald eingedrungen und konnten dort ihr traditionelles Leben weiterführen. Noch etwa 200 solcher Naturvölker gibt es heute. In diesen Kulturen liegt das umfangreichste Wissen über die komplexen Zusammenhänge des Waldes, über die Nutzbarkeit verschiedener Pflanzen und Tiere, sowie über den nachhaltigen Umgang mit ihrem Lebensraum.
Die meisten Regenwaldvölker sind klein, etwa 1.000 Personen stark. Sie bewohnen sehr große Gebiete, viele betreiben Wanderfeldbau. Hierfür werden kleinste Stückchen Wald gerodet und mit einer Vielzahl von Nahrungspflanzen bebaut, soweit dies der Boden zulässt. Nach 1 bis 2 Jahren zieht die Gruppe weiter. Allerdings kehrt sie immer wieder zur alten Anbaustelle zurück, die auf diese Art und Weise manchmal 100 Jahre lang genutzt wird. Es wird streng darauf geachtet, dass der Wald hier wieder nachwächst.
So verschiedenartig die Regenwaldgebiete sind, so verschieden sind auch die Gruppen, die in ihnen leben. Sie unterscheiden sich in Organisation, Kultur, Sozialverhalten und Landnutzung oft erheblich voneinander. Zwei Dinge aber haben sie alle gemeinsam: sie verstehen es mit der Natur in Einklang zu leben, und sie sind vom Aussterben bedroht.
Die Penan
In Sarawak, dem zu Malaysia gehörenden Norden Borneos, leben die Penan. Sie jagen und sammeln, ernähren sich von stärkehaltigen Sagopalmen, von Wildschweinen, die sie, um an die nötigen Mineralien zu kommen, mit Haut und Blut verspeisen, ferner von Affen, Kräutern, Nüssen und etwa 300 verschiedenen Fruchtarten.
Die Penan sind ein äußerst friedfertiges Volk. In ihren ursprünglichen Gesellschaften befolgen sie streng ihre Sitten. Konflikte werden gemieden oder im Gespräch gelöst. Das absolute Teilen aller Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände ist selbstverständlich. Persönliches Eigentum gibt es nicht. Hierarchien im weiteren Sinn kennen die Penan nicht, allerdings haben Frauen und Männer ihre traditionell zugewiesenen Aufgaben und Rollen. Es herrscht eine außergewöhnliche Form der Demokratie: Mitbestimmen dürfen alle bereits verstorbenen Penan, die relativ kleine Zahl der heute lebenden und die unzähligen, die noch nicht geboren sind.
Der Schweizer Bruno Manser lebte von 1983 bis 1989 ununterbrochen bei den Penan. Er berichtet, in den ganzen sechs Jahren habe er nicht ein einziges Mal erlebt, dass zwei Penan sich anschreien, sich streiten oder sich auch nur ins Wort fallen.
Die Penan kennen keinen Zeit-Begriff. Sie zählen weder Tage noch Jahre. Geburtstage und Alter sind unbekannt. Neben einer noch heute gepflegten reichhaltigen Musik-Tradition gibt es bei den Penan Fragmente eines nur mündlich überlieferten alten lyrischen Heldenepos, des \"Oia Abeng\", der angeblich etwas an Homer erinnere, inzwischen aber leider weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Die uralte Penan-Tradition verschwindet. Coca-Cola, Bier, Konserven und Taschenlampen haben Einzug gehalten.
Fast nirgendwo wird der Regenwald so schnell zerstört wie in Sarawak. 2/3 der Urwälder Borneos sind seit Anfang der 80er Jahre vernichtet worden. Holzfäller strömen in das Land, Bulldozer graben Schneisen in den Lebensraum der Ureinwohner um den Holzhunger Japans und Europas zu stillen.
Bis heute zeigt die Regierung kein Interesse am Schutz der Penan und reagiert mit unverhohlenem Zynismus auf ihre Situation: \"Ich will den Penan nur helfen. Außenseiter wollen, dass die Penan Nomaden bleiben, und ich werde das nicht erlauben, da ich die Entwicklung gerecht auf alle Gemeinschaften des Staates verteilen will\", sagt Datuk Patinggi Mahmud, der Chef-Minister von Sarawak. James Wong, der Umweltminister des Teilstaates, der selbst große Holzkonzessionen besitzt, fügt hinzu: \"Ich kümmere mich um die Penan. Im Moment baue ich Straßen für sie.\"
Die Yanomami
Die Yanomami sind das letzte große Regenwaldvolk Südamerikas. Die einst 18.000 Personen zählende Gruppe besiedelt an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela ein Gebiet von der Größe Belgiens. Die Yanomami leben vom Gartenbau. Angebaut werden Bananen, Maniok, Kartoffeln, aber auch Zuckerrohr, Baumwolle, Tabak, Heilpflanzen und anderes. Zusätzlich dazu gehen die Männer mit Pfeil und Bogen auf die Jagd und die Frauen sammeln Pilze, Früchte und Larven. Die Yanomami leben in Gruppen von je 50 bis 250 Personen gemeinsam in großen Hütten weit verstreut im Regenwald. Obwohl es ab und an zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen kann, ist der Gemeinschaftssinn innerhalb einer Gruppe sehr stark. Auch bei den Yanomami hat das Teilen Tradition.
Die Religion der Yanomami ist sehr kompliziert. Sie sehen sich als verkörperten Teil einer endlosen Geisterwelt, die sie in Form von Pflanzen, Tieren und Stimmungen des Waldes umgibt. Nur im Traum korrespondieren sie mit den anderen Geistern. Zerstört ein Yanomami einen Teil des Regenwaldes durch Feldbau oder Jagd, so müssen die rachsüchtigen Geister durch besondere Tänze und Lieder vom Schamanen besänftigt werden.
Das Leben der Yanomami ist sehr religiös, gleichzeitig aber sehr lustig und gesellig. Jegliche moderne Technik fehlt ihnen - sie arbeiten heute noch mit Steinäxten -, trotzdem benötigen die Yanomami durchschnittlich nur vier Arbeitsstunden pro Tag zur Beschaffung aller nötigen Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände.
Den ersten Kontakt mit uns Weißen hatten die Yanomami in den 70er Jahren, als die BR 210 gebaut wurde, eine Straße quer durch das riesige Yanomamiland. Die Baufirmen schleppten für die Yanomami unheilbare Krankheiten wie Grippe, Malaria oder Masern ein. Das Sterben begann. Bei Vermessungsarbeiten in den 80er Jahren wurde eine unheilvolle Entdeckung gemacht: reichhaltige Vorkommen an Uran, Zinn und vor allem Gold wurden auf dem Indianergebiet gefunden.
Zehntausende von Goldsuchenden strömten in das Yanomamiland, zerstörten den Regenwald, verjagten das Wild, verseuchten die Flüsse mit dem hochgiftigen Quecksilber, das zur Goldwaschung benutzt wird, überfielen und vergewaltigten Ureinwohner und brachten tödliche Krankheiten mit. Von 1991 bis 1993 allein starben 20% der Yanomamibevölkerung. Nachdem 1993 bei einem Massaker 19 Yanomami regelrecht niedergemetzelt wurden, stellte Brasilien das Gebiet bis 1996 unter militärischen Schutz. Seither hat die Zahl der illegalen Goldgräber wieder stark zugenommen, so dass Ende 1997 eine erneute Militäraktion zum Schutz der Yanomami nötig wurde. Dabei wurden 30 illegale Landepisten gesprengt und 300 Goldsucher verhaftet.
Weiterhin aber sind die Ureinwohner Brasiliens den Übergriffen schutzlos ausgeliefert. Erst wenn die Reservate endlich demarkiert, das heißt gekennzeichnet werden und die Umwelt- und Indianerbehörden endlich die nötigen Mittel bekommen, gegen Eindringlinge aktiv zu werden, wird sich daran etwas ändern. Bislang ist dies aber nicht in Sicht.
Zerstörung tropischer Regenwälder
Die Geschichte der Zerstörung der tropischen Regenwälder begann vor etwa 500 Jahren unter der Kolonialisierung. Heute schreitet die Zerstörung schneller voran als je zuvor. Hauptsächlich, weil die Menschen den Regenwald abholzen, um damit Geld zu verdienen! Es werden täglich ca. 550 Millionen m² Regenwald abgeholzt oder einfach abgebrannt. Das sind pro Jahr ungefähr 200.000 km². Pro Minute macht das 35 große Fußballfelder!
Die abgeholzten Bäume werden verwendet, um daraus Möbel zu bauen oder Papier herzustellen.
Wenn Regenwald abgebrannt wurde, wird die Asche der verbrannten Bäume als Dünger liegen gelassen, denn ohne den Regenwald wachsen hier nur sehr schlecht Pflanzen. Die gedüngten, freien Flächen werden dann mit Gras besät und als Weidefläche für tausende von Kühen verwendet. Diese Kühe werden geschlachtet, um das Fleisch an die USA oder nach Europa zu verkaufen. Aus dem Fleisch werden hauptsächlich Hamburger für Fastfood- Ketten hergestellt. Für jeden Hamburger, der gegessen wird, werden 51 m² Regenwald abgeholzt, das ist so groß wie eine kleine Wohnung!
Der Zerstörung tropischer Regenwälder liegen komplexe und vielfältige Prozesse zu Grunde, bei denen sich Ursache und Wirkung gegenseitig verstärken können - ein Teufelskreis. Dies führt zu einer immer schneller voranschreitenden Vernichtung der Regenwälder, deren Folgen den gesamten Planeten betreffen. Verantwortlich für diese Entwicklung sind nicht nur die Menschen in den tropischen Ländern, sondern auch die industrialisierten Gesellschaften des Westens - also auch wir.
In den achtziger Jahren war das Problembewusstsein und die Verantwortung der Industriegesellschaften für den Erhalt der Regenwälder ausgeprägter als sie es heute sind.
Trotzdem sollten wir uns aber auch über die Folgen der Abholzungen im Klaren sein. Klar ist nämlich auch, dass durch die globale Zerstörung tropischer Regenwälder Millionen von Tier- und Pflanzenarten aussterben, das Weltklima zu kippen droht, der weltumspannende Wasserkreislauf gestört wird, viele Menschen ihren Lebensraum verlieren und Jahrhunderte alte Kulturen verschwinden werden.
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