Unter dem Begriff "Ville Nouvelles" werden fünf in den 60ziger Jahren gegründeten Städte in der unmittelbaren Umgebung von Paris zusammengefasst. Diese Städte liegen zwischen 15 und 30 Kilometer von Paris entfernt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine sehr starke Zunahme der Bevölkerung ein, unzureichende Verkehrs- und Transportkapazitäten waren vorhanden, die Wohnungen waren unzureichend, schlecht und überaltert ausgestattet und die Siedlungen waren äußerst monostruktiert. Zudem herrschte ein großer Mangel an Grünflächen.
So entstand nach dem Zweiten Weltkrieg ohne jede Planung ein wirres Nebeneinander von Industriebetrieben, Arbeiterwohnvierteln, Verkehrsanlagen und sonstigen Einrichtungen. Diese Probleme der Region Paris versucht eine gezielte Stadtplanung zu verbessern. So wurde ein Raumordnungsplan für diese Gegend aus dem Jahr 1965 erstellt, welcher das unkontrollierte Ausufern in Bahnen lenken sollte.
- Kopie vom Leitplan S. 51 als Overhead-Folie -
Es sah ein Bündel einschneidender Maßnahmen vor:
- Die Gründung neuer urbaner Zentren, um innerregionale und landesweite Disparitäten abzubauen.
- Die Siedlungen sollten zwischen 15 und 30 Kilometer vom Stadtkern entfernt errichtet werden. Charakteristisch ist die Lenkung des Wachstums auf zwei Tangenten, die parallel zur Hauptentwicklungsachse, dem Seine-Tal verlaufen sollten.
- Die Industrie wurde aus der Stadt Paris in große regionale Industrieparks, um konkurrenzfähig zu werden, verlagert
- Es sollten neue Zentren geschafft werden, die innerhalb der Region Paris eine Dezentralisierung bewirken und die Vorortbildung mit reiner Wohnfunktion vermeiden sollten.
- Eine Kapazität 100 000 bis 350 000 Einwohner je Stadt werden toleriert, um ein Gleichgewicht zwischen Wohn- und Arbeitsfunktion zu gewährleisten, die Bevölkerungsfluktuation (Bevölkerungsveränderung) abzubauen und die Bevölkerung aus den Stadtrandvierteln mit schlechter Infrastruktur anzuziehen.
- Erhaltung von Gebieten mit großem Erholungs- und Freizeitwert.
Das Projekt Villes Nouvelles wurde 1965 als groß angelegtes Siedlungsprogramm zur Entlastung der Stadt Paris begonnen. Es wurden Städte mit Wohnraum, Gewerbeparks, Versorgungseinrichtungen, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, Arbeitsplätze und gut ausgebauter Verkehrsinfrastruktur nach Paris begonnen.
1967 erklärte Charles de Gaulle (ehem. franz. Staatspräsident) das Städtebauprogramm der Villes Nouvelles zur "Nationalen Aufgabe".
Die räumliche Verlagerung der Bevölkerung innerhalb der Agglomeration ist für viele andere Großstädte typisch. Die City wird zu einer Wirtschaftsdrehscheibe, da die Bevölkerung des Stadtzentrums abnimmt und es dadurch überwiegende Tagesbevölkerung gibt. Eine Konzentration von Dienstleistungen, Handel, Transport, etc. ist kennzeichnend.
Es wurden insgesamt 5 Villes Nouvelles errichtet: Diese liegen in der région parisienne und sind: - Cergy-Pontoise
- Marne-la-Valle
- St. Quentin-en-Yvelines
- Melun-Sénart
- Evry
Bevölkerungswachstum
Der neue Plan ging von jährlich bis zu 22.000 neuen Wohnungen aus, jedoch wurde nicht einmal die Hälfte erreicht.
Die Ursachen für den Rückgang sind:
- das Bevölkerungswachstum war geringer als erwartet und
- die Bautätigkeit in der gesamten Region ist drastisch zurückgegangen
Kennzeichnend für die Bevölkerungsentwicklung ist die Verlagerung des Schwergewichts vom Zentrum zu den Randgebieten.
Die Entlastung von Paris vollzog sich entlang der Täler von Seine, Marne und Oise und entlang des regionalen Schienenverkehrsnetzes.
Der Anschluss des RER erhöhte den prozentualen Anteil am Zuwachs der grande couronne um 18% in der Periode 1968 - 1975 und um 47% während der Periode 1975 - 1982.
Ein Großteil der Bevölkerung des Stadtkerns wanderte in die Peripherie. Neue Wohnbaukomplexe, so genannte "grands ensembles", entstanden. Jedoch stellte sich bald heraus, dass die Verkehrsverhältnisse dem steigenden Pendleraufkommen in keiner Weise gewachsen waren, dazu kamen mangelnde lokale Versorgungsmöglichkeiten, geringe schulische und soziale Versorgung, räumliche und soziale Isolation und kaum vorhandenen Freizeitangebote.
Die Villes Nouvelles sind durch das Wachstum der Stadt Paris immer weiter an die Stadt heran gerückt, sodass in wenigen Jahren zwischen der Stadt und den Neuen Städten keine Grenze mehr zu erkennen sein wird. Das Pendleraufkommen für die Stadt Paris wird nur geringfügig zurück gegangen sein, da die Entfernung für eine Verhinderung von Pendelbewegungen zu gering ist.
Was haben die Maßnahmen zur Dezentralisierung gebracht?
Die mit großem Aufwand angekündigten und von vielen guten Vorsätzen begleiten Umstrukturierungsmaßnahmen in der Programmregion Ile-de-France haben nicht die ihnen ursprünglich zugewiesene Bedeutung und den geplanten Umfang erlangt.
Dies ist nicht nur auf Wirtschaftkrisen und falsche Prognosen zurückzuführen, sondern auch auf eine zu dirigistische Planung sowie eine zu unflexible Vorgehensweise der verantwortlichen Planungsstäbe. Der Versuch, das regionale Wachstum auf zwei Tangenten mit fünf Schwerpunkten zu kanalisieren, ist nicht geglückt.
Viele Betriebe haben davon profitiert, dass sie vorübergehend ihre Produktionsstätten in die umliegende Region verlagert haben. Mit ihren wirtschaftlichen, kulturellen und sonstigen Dienstleistungseinrichtungen ist die Hauptstadt Paris so attraktiv, dass die Konzerne das Zentrum wieder als Betriebsstandort bevorzugen.
Die Zahl der Industriebeschäftigten liegt in vielen Peripherieregionen heute nicht höher, sondern teilweise sogar niedriger als zu Beginn der Dezentralisierungsmaßnahmen. Die Zahl der Arbeitslosen ist hingegen deutlich gestiegen.
Das Projekt hat mehrere Regierungswechsel überlebt und ist auch bei hoher Verschuldung nicht gescheitert. Die Villes Nouvelles der Region Ile-de-France sind künstliche Gebilde, die Eigendynamik entwickelt haben. Sie genießen keinerlei Sonderstellung mehr und werden in Zukunft mit ähnlichen bevölkerungsgeografischen, ökonomischen und finanziellen Problemen konfrontiert wie andere Städte vergleichbarer Größenordnung auch.
- "Villes Nouvelles" im Großraum Paris Grafik S. 54 oben -
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