Im oberen Abschnitt wurden die Bewohner schon mehrmals erwähnt. Es handelt sich um Nomaden, die man mit \"Wanderhirten\" wohl am besten charakterisieren kann. Ganz eng ausgelegt fallen darunter nur solche Menschengruppen, die vorwiegend von nicht ortsfester Viehzucht leben. Unter Nomadismus ist somit eine nicht-seßhafte Wirtschaftsweise zu verstehen, die noch in Voll- und Halbnomadismus unterschieden wird.
Die moderne Definition läßt ein geringes Maß an landwirtschaftlichen Anbau beim Vollnomadismus zu. Nimmt der des Pflanzenbaus einen größeren Umfang an, so spricht man von Halbnomadismus (NAGEL, S.1)
II.1. Geschichte des Nomadismus in der Sahara
In der Jungsteinzeit um 5000 bis 3500 BP, als in der Sahara noch günstigere Klimabedingungen als heute herrschten, siedelten in den heutigen Sandgebieten der Sahara noch eine relativ dichte ackerbaubetreibende Bevölkerung. Im Spätneolithikum und in der Metallzeit um 3500-2800 BP wurde die heutige Wüste von Rinder- und Pferdezüchtern, sowie auch noch von Ackerbauern bevölkert, somit stellt die Einführung des einhöckigen Kamels , dem Dromedar, durch die Römer unter Septimus Severus in den Küstenländern Nordafrikas im 1.Jahrhundert v.Chr., eine wichtige Veränderung dar. Das Dromedar stammt ursprünglich aus Arabien und Mesopotamien, wovon es die Römer nach Nordafrika brachten.
Das Dromedar breitete sich rasch südwärts aus, wobei die fortschreitende Austrocknung der inneren Sahara um 2200 BP die Ausbreitung des Dromedars als Hauptzuchttier förderte, da dessen physische Widerstandsfähigkeit und Genügsamkeit gegenüber dem Vorteil der höheren Milchproduktion des Rindes überwog. Nicht nur für die Eigenversorgung der Kamelzüchter mit Milch, Fleisch, Fett, Wolle, Leder und Brennmaterial (getrockneter Dung) war das Dromedar von Bedeutung, sondern auch als Transportmittel für die Zelte und den Hausrat.
Bei der Austrocknung der Sahara um 2200 BP wurde die ältere negride oder äthiopide Bevölkerung, die Viehzüchter waren, aus der Sahara nach Süden verdrängt und andere Bevölkerungsgruppen konnten in diesen freigewordenen Lebensraum nachrücken, wenn sie die Viehzucht aufgaben (NAGEL, S.1)
Dies war mit dem genügsamen und wüstenfesten Kamel möglich, da in den Randgebieten der Sahara nur noch kärgliche Steppenvegetation vorhanden war. Hier vollzog sich also der Übergang zum Vollnomadismus und mit ihm das Angewiesensein auf eine Behausung, die sich den Bedürfnissen der Bevölkerung und deren Versorgung anpaßt, nämlich dem Zelt.
Als die Araber im 7.Jhdt.n.Chr. nach Nordafrika einfielen, förderten sie die Verdrängung der berberischen Urbevölkerung aus dem nordafrikanischen Küstensaum, unter Aufgabe ihrer landwirtschaftlich genutzten Fläche, in die Wüstengebiete der Sahara, und somit den Nomadismus.
Um die Mitte des 11. Jhdt. erfolgte ein gewaltiger Vorstoß von arabischen Beduinen vom Stamme der Beni Hilal, Beni Solaym und Beni Makil, der als die Hilalische Wanderung in die Geschichte einging. Rund 1 Mio. Beduinen haben dabei weniger die Städte, sondern die offenen Landschaften im schwach bevölkerte Nordafrika überschwemmt, das damals fast ausschließlich von seßhaften und nomadisierenden Berbern bewohnt war. Die Hilal und die Solaym kamen als Nomaden mit ihren Familien und Herden, reklamierten Agrarland als Weideland, was wiederum das Seßhaftwerden einiger ursprünglicher Nomadengruppen zur Folge hatte (RIPSAM, S.10)
Entweder gründeten diese (Rückzugs-) Siedlungen in schwer zugänglichen Regionen oder außerhalb der Weideflächen neue Städte wie zum Beispiel Timbuktou im heutigen Mali.
Während der seßhafte Bauer an seinen Grund und Boden gebunden ist, so benötigen die Nomaden zu jeder Jahreszeit Weideflächen für die Tiere. Das Selbstverständnis der Nomaden drückt am besten ein Tuareg-Sprichwort aus: \"Die Hacke bringt Schande über das Haus\".
Anderseits zwingen Trockenperioden, und somit der Verlust der Weidegründe, die Nomaden immer wieder dazu, Unterschlupf bei den Seßhaften zu suchen, wobei aber die Halbnomaden feste und befestigte Magazine besitzen. In solchen Gewölbebauten werden Vorräte wie Datteln und Getreide aufbewahrt (SCHWARZ, S.83)
II.2. Verbreiter und Verbreitung des Zeltes
Das Zelt, was in den vorangegangenen Abschnitten der Gegenstand ist, ist das sogenannte schwarze (Nomaden-) Zelt Die Beduinen nennen ihr Zelt beït sh\'ar , das \"Haus aus Haaren\", sich selbst Ahl el beït, das \"Volk des Zeltes\". [Anm.: Außerdem bedeutet beït in der arabischen Sprache auch \"Haus\".] Es ist das Zelt der Bibel, der Juden, Araber und weiterer Stämme in Afrika und Asien, wobei Araber wörtlich übersetzt \"Zeltbewohner\" heißt (FAEGRE, S.20).
Ursprünglich stammt das schwarze Zelt wohl aus Mesopotamien. Der Entstehung ging die Zähmung von Ziegen und Schafen voraus, da beide Tiere die Materialien für den Zeltbau liefern. Das schwarze Zelt wanderte vom Ursprung westlich bis an die Atlantikküste. Es stellt eine ausgezeichnete Anpassung an die subtropische Trockengebiete mit ihren geringen Niederschlägen dar (FAEGRE, S.13).
Das Zelt sichert weniger vor Regengüssen - obwohl es dazu auch fähig ist, was aber später behandelt wird- sondern es bietet genügend Schutz gegen die nächtliche Abkühlung und die Staubstürme.
Ethnologische Untersuchungen ergaben, daß es nicht wie die Kuppel- und Stangenzelte an verschiedenen Stellen der Erdoberfläche bei verschiedenen Völkern entstand. Vielmehr war im eng begrenzten Verbreitungsgebiet und der Voraussetzung, die Webtechnik zu beherrschen, der Grund zu suchen , daß es von indoeuropäischen Nomaden entwickelt und frühzeitig von semitischen Stämmen übernommen wurde.
Nach Nordafrika gelangte das schwarze Zelt aber erst mit der arabischen Einwanderung und es wurde nicht weiter im afrikanischen Kontinent verbreitet. Einzig die tunnelförmigen Hütten der Massai stellen eine gewisse Übergangsform dar.
Bevor die Araber das Zelt in Nordafrika einführten, benutzten die Nomaden und die Seßhaften mit Matten bedeckte Hütten. Das leichter zu transportierende Zelt verdrängte jedoch diese ursprüngliche nomadische und seßhafte Wohnform. Bei den Tuareg finden sich beide Wohnformen, sowohl das Zelt mit einer Plane als auch die mit Matten bedeckte Hütte (SCHWARZ, S.81).
Die Form des schwarzen Zeltes wurde den Bedingungen der jeweiligen Umgebung angepaßt. D.h., in niederschlagsreichen Gebirgsgegenden wurde das Dach spitz nach oben aufgerichtet, damit der Regen daran ablaufen kann. In der Wüste wurde es flach und möglichst niedrig gehalten, damit die Bewohner sowohl vor der Hitze als auch vor Sandstürmen geschützt waren.
In heißen Gegenden wurde es nach zwei Seiten offen gehalten, um Durchzug zu gestatten, in kälteren Landstrichen wurde es völlig geschlossen gehalten (FAEGRE, S.13 f).
Wieso ist das Zelt eigentlich schwarz ? Ein schwarzes Dach spendet mehr Schatten, da das Schwarz die Hitze absorbiert und die locker gewebten Seitenwände lassen die Hitze gleichzeitig nach außen verströmen. So ist es im Zeltinnern immer um 10-15°C kühler als draußen. Gleichzeitig bietet der Zeltstoff, obwohl er lose gewebt ist, einen guten Regenschutz. Im feuchten Zustand schwillt das Garn an und schließt somit die Löcher in der Zeltplane. Zusätzlich läßt das natürliche Fett des Ziegenhaares den Regen eine Zeitlang außen ablaufen. Bei einem längeren Guß wird es schließlich doch durchregnen und das vollgesogene Zelt wird dermaßen schwer, das es von den Lasttieren beim Wegziehen kaum noch transportiert werden kann (FAEGRE, S.16).
Wie oben schon kurz aufgeführt, sind die Bewohner des schwarzen Zeltes Weber, die mit dem in jedem Zelt vorhandenen Webstuhl verschiedene Tuchsorten herstellen. Für das Zeltdach und die Spannbänder wird ein sehr festes Tuch hergestellt, da es wasserundurchlässig sein soll. Wohingegen die Seitenwände nicht so fest gewebt werden, um winddurchlässig zu sein, sei es zur Belüftung und Kühlung, oder für die Erhöhung der Standfestigkeit.
Die Zeltplane setzt sich aus mehreren aneinandergenähten langen Stoffseiten, den aflij (Singular: flij) zusammen die dadurch zur Zähleinheit für die Größe des Zeltes werden. [Der in Moses 2,26, 7-14 erwähnte Bau eines Wohn- oder Tabernakelzeltes bezieht sich auf diese Stoffbahnen. Zu beachten ist die genaue Angabe der Maße, 30 x 4 Ellen (1 Elle = 45,72 cm), was auf das Alter dieses Systems schließen läßt.] (FAEGRE, S.16)
Die aflij werden je nach Stammeszugehörigkeit unterschiedlich eingefärbt, wobei die Zelte der Ulad Nail in der Mitte bräunlich-schwarz mit rotbraunen Rändern gefärbt sind.
Die Zelte der Nemenscha sind rot, braun und schwarz gestreift, die Tschambazelte sind schwarz und grau.
Gewöhnlich sind die Bahnen 60-80cm breit und durch Annähen erweiterbar oder durch Zerlegen verkleinerbar. Der Zeltstoff hat eine Lebensdauer von 5 bis 6 Jahren. Um eine möglichst lange Lebensdauer des Zeltes zu erhalten, werden jährlich neue Stoffbahnen von der Mitte aus in die Zeltplane eingefügt.
Wie schon erwähnt, ist die Lebenszeit des Zeltes mit der Lebenszeit der Bewohnern identisch. Ein neues Zelt wird dann hergestellt, wenn eine neue Familie gegründet wird und solange diese Familie besteht, wird das Zelt ständig erneuert (FAEGRE, S.17).
Mehrere Zelte stehen üblicherweise in einem Kreis, dem duar, zusammen, mit den Eingängen zur Mitte hin. In einem solchen Lager vermeidet es strikt, ein Zelt so aufzustellen, daß sein Eingang direkt auf ein anderes gerichtet ist, um damit die Gefahr der Übertragung von unheilvollen Kräften zu vermindern. Früher bildeten solche Zeltlager eine Schutzgemeinschaft mehrerer miteinander verwandter Familien. Zum Schutz gegen mögliche Überfälle wurden die Lager mit Gräben, Wällen und Dornhecken umgrenzt. Heutzutage stellt man die Zelte in einer Reihe oder weit von einander entfernt auf, als ein Zeichen der Auflockerung von verwandtschaftlichen Banden und der mittlerweile größeren Sicherheit, die aus mangelnden Raubüberfällen resultiert (RIPSAM, S.9).
II.3. Erbauer des Zeltes
Die Frauen sind in den Nomadengesellschaften die Architekten. Ihnen wird auch innerhalb des Zeltes mehr Platz als den Männern eingeräumt, da sie häufiger innen arbeiten als die Männer. Die Männer stellen allenfalls die Holzteile her, wohingegen die Frauen es sind, die Stoffe weben, Felle gerben, das Leder bearbeiten und damit die Gestaltung des Zeltes bestimmen. Auch für den Zeltauf- und -abbau sind die Frauen zuständig, nur die ganz großen Zelte werden von den Männern aufgestellt (FAEGRE, S.11).
II.4. Aufteilung des Zeltinnern
Die Araber schlagen ihr Zelt entweder mit der Frontseite nach Osten in Richtung Mekka oder nach Süden hin auf. Die Rückseite ist den Nordwinden zugewandt und die Männerabteilung nach Osten gekehrt. Das Männerabteil ist durch einen Trennvorhang, der quata, vom Frauenteil abgetrennt, wobei die Frauenseite nimmt den größten Teil des Zeltes ein.
Es ist die Abteilung, in der sich das Privatleben der Zeltbewohner abspielt und wo gearbeitet wird und wohin außer dem Zeltbesitzer kein anderer Mann Zutritt hat. Das Zelt gehört also dem Mann, doch es wird immer von der Frau regiert. Hat ein Mann mehr als eine Frau, so ist er verpflichtet, jeder von ihnen ein Zelt zu stellen. Das Zelt wird als Heiligtum betrachtet, was den Hausherr zum Schutz und zur Hilfe verpflichtet (FAEGRE, S.24).
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