1) Problemstellung
In der ökonomischen Theorie werden in der Regel drei verschiedene Märkte behandelt:
1) Gütermarkt
2) Geldmarkt
3) ARBEITSMARKT
Jedoch wird der Arbeitsmarkt in den verschiedenen ökonomischen Theorien stark vernachlässigt.
Deshalb hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten eine eigene Arbeitsmarkttheorie entwickelt. Deren Grundaussage ist, daß sich die Arbeitslosigkeit von einem konjunkturellen Problem zu einem strukturellen Problem entwickelt.
Jede Rezession hinterläßt
einen größeren "Sockel"
von Arbeitslosen, was der
erste Grund für die Heraus-
bildung einer eigenen
Arbeitsmarkttheorie ist.
Der zweite Grund ist, daß
die Beschäftigung nicht nur
von Lohn und Güternachfrage sondern auch von strukturellen Determinanten abhängt.
Folgende Zahlen belegen die Vergrößerung des Arbeitslosensockels:
Aufschwungperioden: Anzahl Arbeitslose
1968-1973 260.000
1976-1980 970.000
1983-1989 2.224.000
Die Zahlen zeigen, daß jede Rezession eine größere Zahl von Arbeitslosen hinterlassen hat, die im folgenden Boom nicht abgebaut werden konnte.
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2) Gesamtwirtschaftliche Arbeitsmarktpolitik
2.1. Gesamtwirtschaftliche Bestimmungsgründe
Was sind die Determinanten des Angebots und der Nachfrage an Arbeit?
Angebot: Nachfrage:
1) demografische Entwicklung (Bevölkerungs-
entwicklung)
Erwerbsfähiges Alter: 15-65 Jahre
2) Erwerbsqoute
(Teil der Bevölkerung, der einer Arbeit
nachgeht oder eine Arbeit sucht)
3) Zu- oder Abwanderungsquote 1) Umfang der Produktion
2) Produktivität
3) Arbeitszeitverkürzung
oder Arbeitszeitverlängerung
(1) A = f(Y,Pro)
(2) A = Y / Pro
(3) Pro = Y / A = f(z,pro)
(4) Pro = z * pro
(5) A = Y / z * pro
(6) wA = wY - wt - wpro
2.2. Arbeitszeitverkürzung
Die Arbeitszeitverkürzung stellt zur Zeit eines der wichtigsten Mittel der Arbeitsmarktpolitik dar. Sie kann entweder an der Wochenarbeitszeit oder an der Lebensarbeitszeit ansetzen. Andere Möglichkeiten sind Kurzarbeit oder Teilzeitarbeit.
Die Gewerkschaften stehen der Arbeitszeitverkürzung positiv gegenüber, weil sie sich durch sie eine Sicherung der bestehenden Arbeitsplätze sowie die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen erhofft.
Die Arbeitgeber hingegen stehen der Arbeitszeitverkürzung kritisch gegenüber, weil sie eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit befürchten, weil eine Arbeitszeitverkürzung natürlich immer mit einer Steigerung der Kosten verbunden ist, es sei denn, es wird eine Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich vereinbart. (Wie es jetzt bei VW in Wolfsburg geschehen ist.)
3) Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne ("aktive Arbeitsmarktpolitik")
3.1. Grundgedanken
1) Es gibt strukturelle Probleme
2) Arbeitsmarktpolitik soll strukturelle Probleme vorbeugend behandeln
3) Erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik bringt dem Staat finanzielle Vorteile, weil geringere Unter-
stützungen zu zahlen sind.
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3.2. Strukturelle Beschäftigungsrisiken und Problemgruppen
- Segmentierung des Arbeitsmarkts -
3.2.1. Besondere Beschäftigungsrisiken sozialer Gruppen
Eine Segmentierung erfolgt nach:
1) berufsspezifische Markmale
2) Geschlecht
3) Nationalität
4) Gesundheitliche Beeinträchtigung
5) Alter
3.2.2. Problemgruppen der Arbeitslosigkeit
1) ältere Arbeitnehmer
2) gesundheitlich Beeinträchtige
3) ohne Berufsausbildung
Es wird unterschieden nach:
1) Zugangsrisiko
2) Verbleiberisiko
3) Wiederbeschäftigungsqoute
Der Anteil der Arbeitslosen, der aus der Arbeitslosigkeit heraus wieder eine Beschäftigung gefunden hat.
3.2.3. Regionale Ungleichverteilungen des Beschäftigungsrisikos
Die Höhe der Arbeitslosenquote ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch. Sie differenziert sich sogar noch in den Kreisen und Gemeinden. Die Folge dieser Ungleichverteilung ist, daß die einzelnen Gebiete und deren Haushalte unterschiedlich stark durch die Arbeitslosigkeit belastet werden.
3.3. Rechtliche Grundlagen und Instrumente der Arbeitsmarktpolitik
3.3.1. Arbeitsförderungsgesetz
- Wurde 1969 beschlossen und löste das alte Arbeitsgesetz von 1927 ab.
- Gewährung von Unterstützung im Falle der Arbeitslosigkeit
(kompensatorische Wirkung)
- Gebot der "aktiven Arbeitsmarktspolitik"
- Glättung der strukturellen Diskrepanzen
- Aktivierung der Arbeitsreserven
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3.3.2. Instrumente der Arbeitsförderung
1) Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (FuU)
- während der Dauer der Maßnahme wird ein Unterhaltsgeld in Höhe des Arbeitslosen-
geldes gezahlt.
2) Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM)
- Zuschüsse für befristete Arbeitsverhältnisse mit öffentlichem Interesse. Es handelt sich
um zusätzliche Arbeiten, die sonst nicht gemacht worden wären.
3) Kurzarbeitergeld (KuG)
- die Bundesanstalt für Arbeit kann bei einem vermutlich vorübergehenden
Arbeitsausfall eines Betriebs ein Überbrückungsgeld zahlen.
Dauer: bis 6 Monate neu: strukturelle Kurzarbeit: bis 24 Monate
Entlastungsquote:
Anzahl Arbeitslose: 2,5 Mio.
Anzahl Teilnehmer Maßnahmen: 0,5 Mio.
Summe: 3,0 Mio.
0,5 / 3,0 = 1/6 Entlastungsquote
Arbeitspolitische Maßnahmen wie ABM, Kurzarbeit und FuU entlasten jedoch nur kurzfristig den Arbeitsmarkt. Sie werden überwiegend aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. Diese Anstalt ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und untersteht dem Bundessozialministerium
3.4. Kommunale und regionale Arbeitsmarktpolitik
- Der zweite Arbeitsmarkt -
Grundidee: Mit Mitteln der Kommune Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren.
Träger der Kosten der Arbeitslosigkeit: (Zahlen: Basis Bremen 1989)
Bundesanstalt für Arbeit 33,1%
Bund 27,6%
Länder 10,7%
Gemeinden 7,0%
Rentenversicherung 16,1%
Krankenversicherung 5,5%
Vier Anforderungen an regionale arbeitspolitische Maßnahmen:
1) Differenzierte lokale Arbeitsmarktberichterstattung
2) Koordination aller an so einer Politik beteiligten
3) basieren auf integrierten Entwicklungskonzepten
4) Aufbau einer integrierten Trägerstruktur
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3.5. Arbeitsmarktpolitik durch Deregulierung?
- Veränderung von Bestimmungen
- Ladenschlußgesetz
- Sicherheitsbestimmungen
- Nachtarbeit usw.
Frage: Werden durch solche Deregulierungen wirklich neue Arbeitsplätze geschaffen?
4) Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland
4.1. Dimensionen des Problems
1989 gab es in der alten DDR ca. 9 Mio. Beschäftigte. 1994 gab es in den neuen Bundesländern nur noch ca. 5.5 Mio. Beschäftigte. In nur fünf Jahren sind also ca. 1/3 aller Arbeitsplätze verschwunden.
4.2. Arbeitsmarktpolitik in neuen Dimensionen
Die nach der Wiedervereinigung begonnenen Maßnahmen mußten länger als geplant durchgeführt werden. Einzelne Maßnahmen waren:
1) Vorruhestand
2) Kurzarbeit (vorallem die neue "Strukturelle Kurzarbeit")
3) leichterer Zugang zu Fortbildung und Umschulung
4) viele Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
4.3. Neue Qualität von Arbeitsmarktpolitik
- Beschäftigungsgesellschaften -
Ihre Aufgabe ist:
1) Erhaltung der regionalen Qualifikation (Facharbeiter sollen nicht abwandern)
2) Stabilisierung der Region
3) Innovationen vorantreiben
4) Regionale Wirtschaftsförderung
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