Die Akteure des BVWs sind die Mitarbeiter, Gruppen, das Management und der Be-triebsrat. Dies sind die Partner in der Unternehmung, wobei Gruppen als Sonderform von Mitarbeiterbeteiligung im BVW kurz dargestellt werden. Hier sollen nun die Anforderun-gen des BVWs an sie und ihre Mitwirkung am BVW aufgezeigt werden. Abschließend werden dann Barrieren aufgelistet, die besonders die Mitarbeiter an der Teilnahmen am BVW hindern können.
2.5.1 DER MITARBEITER
Für die Teilnahme am BVW wird von dem Mitarbeiter keine bestimmte Qualifikation ge-fordert, er benötigt nur seinen gesunden Menschenverstand .
Der Mitarbeiter soll in seinem Arbeitsbereich und betrieblichem Umfeld, wo er der Fach-mann bezüglich seiner Arbeit ist, nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen. Jedoch zeigt die Praxis, daß sich bei Mitarbeitern, die keine abgeschlossene Schul- bzw. Berufsaus-bildung haben, Hemmnisse (vgl. S. 32) aufbauen können, die sie bei der Einreichung ihrer Ideen behindern können. Meist fehlt den Mitarbeitern auch der Überblick über die gesamte Unternehmung bzw. der eigenen Abteilung. Bedingt durch die in vielen Unternehmungen noch vorherrschende Arbeitsteilung sind die meisten Mitarbeiter Spezialisten in ihrem Ar-beitsbereich, was die Konsequenz einer relativ eingeschränkten Sichtweise ("Betriebs-blindheit") nach sich ziehen kann.
Der Erfolg des BVWs hängt im hohen Maße von der Beteiligung der Mitarbeiter ab. Nach Möglichkeit sollen sich alle Mitarbeiter beteiligen und Verbesserungsvorschläge einrei-chen. Für die Prämierung des Verbesserungsvorschlages ergeben sich jedoch aus den
Regeln des BVWs Ausschlußkriterien:
1. Mitarbeiter können keine Vorschläge aus ihrem Verantwortungs- und Auf-gabenbereich einbringen.
2. Vorschläge von Gruppen oder Gruppenmitgliedern, deren Aufgabe es war, bes-timmte Probleme zu lösen und zu dieser Problematik Vorschläge einzureichen.
3. In den meisten Unternehmungen dürfen bei neu angeschafften Maschinen und Anlagen in einer gewissen Anlaufzeit keine Verbesserungsvorschläge eingereicht werden. Diese Sperrfristen sollen den Ingenieuren die Möglichkeit geben, die Maschinen und Anlagen an die Bedingungen in der Unternehmung anzupassen.
4. Leitende Angestellte und höhere Führungskräfte sind meistens ausgeschlossen, da eine Abgrenzung des Aufgabenbereiches sehr schwer ist.
5. Der BVW-Beauftragte und seine Mitarbeiter sind aufgrund ihres Informa-tionsvorsprungs von einer Prämierung ausgeschlossen. D. h. sie könnten auf-grund ihrer Position, eingereichte Verbesserungsvorschläge als ihre eigenen aus-geben.
Diese Ausschlußkriterien führen in vielen Unternehmungen immer wieder zu Diskussionen und führen oft zu Boykottverhalten der Mitarbeiter gegenüber dem BVW. Daher gibt es in einigen Unternehmungen die Bestrebungen, diese Ausschlußkriterien teilweise oder ganz aufzuheben .
2.5.2 DIE GRUPPE
Verbesserungsvorschläge von Gruppen, d.h. Vorschläge von zwei oder mehr Mitarbeitern, werden im BVW prinzipiell anerkannt. Darunter fallen sowohl Vorschläge von
informellen Gruppen als auch von formellen Gruppen . In den meisten Unterneh-mungen gehen die Gruppenvorschläge aus informellen Gruppen hervor, die sich spontan aus zwei oder drei, selten aus vier oder mehr Mitarbeitern, zusammensetzen. Formelle Gruppen werden durch Maßnahmen des Managements initiiert, wie Qualitätszirkel, Werk-stattkreise oder Lernstatt. Diese Formen der Gruppenarbeit zur Aufdeckung und Lösung von Problemen, zeichnen sich durch eine eigene Organisation und Betreuung aus. Sie sind somit meistens von der Prämierung ausgeschlossen, da es dann als Aufgabenbereich de-finiert wird.
Gruppenvorschläge zeichnen sich in der Praxis durch eine höhere Realisierungsrate und einen hohen Reifegrad aus, d.h. die Realisierung ist sehr detailliert beschrieben und dadurch ist der Verbesserungsvorschlag leicht zu realisieren. KRAFFT wies schon 1966 auf die Vorteile des organisierten Gruppenvorschlagswesens gegenüber dem Einzel-vorschlagssystem hin. Er zählte zu den Vorteilen, daß "Wir-Bewußtsein", d. h. die Identifi-kation der ganzen Gruppe mit dem Vorschlag und die Aufhebung der negativen Einflüsse der Angst, des Neides und der Mißgunst gegen den in die Rolle des ehrgeizigen Einzel-gängers gedrängten Mitarbeiters.
Die Gruppenarbeit setzte sich jedoch im Vorschlagswesen und in europäischen Unterneh-mungen nicht durch. Die Studie von WOMACK et al. zeigte, daß nur etwa 0,6 Prozent der Mitarbeiter in europäischen Montagewerken in Teams organisiert waren, während in Japan im Durchschnitt 70 Prozent der Mitarbeiter in Teams arbeiteten. Dies mag daran gelegen haben, daß in Europa die Gruppenarbeit in den siebziger Jahren hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Humanisierung der Arbeit betrachtet und diskutiert wurde, in der BRD insbesondere im Rahmen des 1974 gestarteten Regierungsprogrammes Humanisierung der Arbeit. Das Management sah hierin in der Mehrzahl aber keinen ökonomischen Vorteil, sondern eher "Sozial-Klimbim". Was zumindest in Deutschland dazu führte, daß nach einigen Pilotprojekten wieder auf alte und "bewährte" Methoden zurückgegriffen wurde. Heute jedoch tritt als Argument für die Gruppenarbeit, mit bedingt durch die oben erwähnte MIT-Studie, die ökonomische Konkurrenzsituation und damit die Wettbew-erbsfähigkeit der Unternehmungen in den Vordergrund.
Daher gibt es in vielen Unternehmungen die Bestrebung, ein organisiertes Gruppen-vorschlagswesen im Rahmen von Gruppenarbeit einzuführen. Dies gilt besonders für Unternehmungen, die langjährige Erfahrungen mit dem BVW haben. Vor der Einführung von Gruppenarbeit sind jedoch Voraussetzungen zu schaffen, wie:
. die Bereitschaft der Unternehmungsführung und der Mitarbeiter zur Gruppen¬
arbeit zu fördern,
. einen gewissen Stand der Ausbildung für alle zu erreichen und Sprachkenntnisse der ausländischen Mitarbeiter zu verbessern, und
. ein Informations- und Schulungsprogramm für die Einführung der Gruppen¬
arbeit durchzuführen.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Ausbildung der Betreuer, welche die Gruppenarbeit vor Ort umsetzen müssen.
Die Entwicklungstendenzen in der Gruppenarbeit gehen heute auch dahin, die Gruppen-mitglieder nicht nur Lösungsvorschläge erarbeiten zu lassen, sondern ihnen auch die
Realisierung ihrer Ideen zu ermöglichen.
2.5.3 DAS MANAGEMENT
Das BVW steht und fällt mit der Unterstützung des Führungsmanagements (Topmanage-ment). Die Geschäftsleitung muß hinter dem BVW stehen und es fördern und es nicht nur stillschweigend dulden. Fehlt diese aktive Unterstützung durch das Management, dann fehlt die wichtigste Voraussetzung für das BVW . Eine Umfrage von THOM belegt, daß überdurchschnittliche Beteiligungen bzw. Interesse der Mitarbeiter am BVW nur in den befragten Unternehmungen auftrat, in denen entweder eine volle aktive oder eine wohl-wollende Unterstützung des Topmanagement vorlag. Eindeutige Zusagen und ein aktives Engagement des Topmanagements zum BVW wird "seine Wirkung auf die in der Hierar-chie nachfolgenden Führungskräfte nicht verfehlen" und sie aus ihrer Verhaltensunsi-cherheit befreien.
2.5.4 DER BETRIEBSRAT
Der Betriebsrat hat bedingt durch seine informelle Führungsrolle in der Unternehmung und durch seine gesetzlich verankerten Mitbestimmungsrechte (vgl. Kapitel 2.4.1) einen erhe-blichen Anteil am Erfolg des BVW. Hierbei darf nicht die Aufsichtsrolle des Betriebsrates bzgl. der Wahrung der Rechte der Mitarbeiter im Vordergrund stehen, sondern die aktive Beteiligung des Betriebsrates am BVW. Wichtig ist, daß für die Mitarbeiter die positive Einstellung des Betriebsrates zum BVW deutlich wird. Auch hier zeigt eine Erhebung von THOM den Zusammenhang zwischen der sehr positiven oder zumindest positiven Einstel-lung des Betriebsrates und einer überdurchschnittlichen Beteiligungsquote. Der Betriebsrat sollte, wie das Topmanagement, eine Promotorenfunktion übernehmen und die Mitarbeiter zu Verbesserungen anregen. Denn diese führen zu einer Verbesserung der Wettbew-erbsfähigkeit der Unternehmung und damit zur Erhöhung der Arbeitsplatzsicherheit für alle Belegschaftsmitglieder.
2.5.5 DIE BARRIEREN
Im Rahmen des BVWs gibt es für die Mitarbeiter mehrere Barrieren, die das BVW in
seiner Effizienz hemmen können. In der Literatur wird auf fünf Barrieren hingewiesen:
1. Informationsbarrieren: Sie entstehen aus mangelnder Kenntnis über das be-triebliche Geschehen und/oder des betrieblichen Vorschlagswesens. So scheitern Ideen von Mitarbeiter alleine schon aufgrund ungenügenden Wissens über We-sen, Zweck und Funktionsweise des BVWs.
2. Fähigkeitsbarrieren: Hierunter fallen Denk- und Artikulationsschwierig-keiten. Das erste bezieht sich auf die mangelnde Fähigkeit des Mitarbeiters, Ver-besserungswürdiges zu erkennen oder Verbesserungsmöglichkeiten für vorhan-dene Mängel zu entwickeln. Dies äußert sich in Betriebsblindheit oder in Kritiken ohne konstruktive Lösungsansätze. Die Artikulationsschwierigkeiten zeigen sich in der Bevorzugung der mündlichen gegenüber der schriftlichen Ein-reichung des Verbesserungsvorschlages.
3. Willensbarrieren: Zu diesen Barrieren gehören Gleichgültigkeit gegenüber dem Betriebsgeschehen, Ressentiments gegenüber dem Betrieb und Änderungswiderstände. Bei den Mitarbeitern äußert sich die Gleichgültigkeit aus dem mangelndem Interesse zu kreativer Mitarbeit aufgrund einer zu geringen Identifikation mit der Unternehmung. Die Ressentiments können sich einerseits auf den ideologischen Interessengegensatz Arbeitnehmer/Arbeitgeber (Furcht vor Ausbeutung) und andererseits auf das Mißtrauen gegenüber dem BVW auf-grund eigener schlechter Erfahrungen (z. B. Ideen-Diebstahl) beziehen. Bei den Vorgesetzten können sich Änderungswiderstände in der Prüfung, Akzeptanz und Realisierung von eingereichten Verbesserungsvorschlägen zeigen.
4. Risikobarrieren: Diese entstehen aus Ängsten des Mitarbeiters, durch das Einreichen von Verbesserungsvorschlägen persönliche Nachteile zu erleiden. Dies kann sich in materiellen Nachteilen ausdrücken, wie Furcht vor kürzeren Vorgabezeiten, Kurzarbeit oder im Extremfall sich selbst wegzurationalisieren. Es können auch ideelle Nachteile sein. Wie z. B. Furcht vor dem Neid der Kol-legen (mobbing) oder Furcht vor den Reaktionen der Vorgesetzten (negative Reaktionen bis hin zu Sanktionen).
5. Systemimmanente Barrieren: Durch die Art der Prämierung von Vor¬schlägen mit errechenbarem Nutzen sind Situationen vorstellbar, in denen Mi-tarbeiter den Wert ihrer eigenen Idee als zu geringfügig ansehen und diese erst gar nicht einreichen. Objektiv betrachtet wäre die Idee jedoch durchaus er-folgsversprechend, realisier- und prämierbar. So wird die objektive Mindestan¬
forderung an den Vorschlag zu einer subjektiven Barriere bei dem Mitarbeiter.
Weiterhin stellen Sperrfristen für die Kreativität und den Ideenreichtum eine häufig unnötige Barriere dar. WEHNER et al. wiesen in einer Studie nach, daß nach Ablauf der Sperrfrist die Zahl der Verbesserungsvorschläge sprunghaft an-stieg. Dies zeigt, daß Sperrfristen die Verbesserungen aufhalten.
Diese Barrieren sind durch gezielte Gegenmaßnahmen der Organe des BVW und des
Managements, abzubauen bzw. erst gar nicht entstehen zu lassen, da sich dadurch sonst Konflikte und Mißverständnisse ergeben, die nur sehr schwer zu beseitigen sind.
Auch in der Geschäftsführung gibt es gerade in Klein- und Mittelbetrieben eine Barriere, die Einführungsbarriere. Sie äußert sich in den Befürchtungen des Management vor den Kosten des BVWs, dem "hohen" Personal-, Zeit- und Arbeitsaufwand, und der Angst vor mehr Einflußmöglichkeiten des Betriebsrates. Diese Befürchtungen erweisen sich in der Praxis meist schnell als unbegründet .
|