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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Zeit, werk und stil nestroys


1. Drama
2. Liebe

Als Johann Nestroy zum Theater ging, war die Blütezeit der Wiener Volkskomödie in ihr letztes Stadium eingetreten.
Er kam noch rechtzeitig, um das Zauberspiel im Stil des achtzehnten Jahrhunderts mit ausklingen zu lassen. Ein Jahr vor dessen letztem Höhepunkt, Raimunds "Verschwender", hatte Nestroy mit "Der böse Geist Lumpazivagabundus" seinen ersten durchschlagenden Erfolg. Er hat die Wiener Volkskomödie aus dem alten in das neue Jahrhundert, "vom Himmel auf die Erde, von der Vorstadt in die Weltliteratur" geführt.
Bevor Nestroy seinen großen Erfolg feiern konnte, wurden Zauberspiele, komische Possen und Stücke dieser Art nur im Volkstheater, das für die Unterhaltung der niederen Stände zuständig war, aufgeführt, doch durch Nestroy bekam die Volkskomödie wieder einen besseren Ruf.

Nestroy und Raimund im Vergleich
Die beiden Autoren werden meist in einem Atemzug genannt, doch repräsentierten beide verschiedene Welten und waren grundverschieden.
Ferdinand Raimund nannte seine 8 Theaterstücke "Original-Zaubermärchen" und wollte eine Dichtung schaffen, die eine bessere Welt und bessere Menschen vorstellt.
Raimund glaubte an den Menschen und an die Liebe in einer intakten Welt. Raimund glaubte an das Gute und wollte die Menschen mit seinen Stücken erziehen. Am Schluss seiner Stücke ist die Ordnung immer wieder hergestellt.
Nestroy hingegen prangerte die Charakterfehler seiner Mitmenschen und die Mängel seiner Zeit an, ohne, dass er eine idealere, schönere Welt aufzeigte. Er schrieb keine "Zaubermärchen", sondern Possen, die den Menschen einen kritischen Spiegel vor Augen halten sollen. Damit die Menschen in diesen Spiegel hineinschauen, gab er seinen Figuren Humor und Witz, der auch öfters, "satirisch-bissig" ist.
Der Spiegel wird zum Zerrspiegel, der die Mängel noch vergrößert.
Für Nestroy war der Mensch von Anfang an ein selbstständiges Subjekt, anders als bei Raimund, der den Mensch als Objekt höherer Mächte darstellte.
Nestroys Leitsatz war: "I denk' von an jeden Menschen das Schlechteste, selbst von mir, und ich hab mich noch selten dabei getäuscht!"
Raimund wurzelt im Biedermeier mit seinem Traum vom kleinen Glück, während Nestroy schon ein Repräsentant des Vormärzes ist.
Deren verschiedene Auffassung vom Menschen kann man auch anhand der sprechenden Namen, die beide Autoren verwenden, erkennen.


Namen von Raimunds Figuren:
Herr von Rappelkopf, ein reicher Gutsbesitzer

Christian Glühwurm, ein Kohlenbrenner
Fortunatus Wurzel, ehemals Waldbauer, jetzt Millionär

Namen von Nestroys Figuren:

Schnoferl, ein Winkeladvokat
Pemperl, ein Klempnermeister

Flora Baumscheer, eine Gärtnerin

Nestroy schrieb die Hauptrollen seiner Stücke immer sich selbst auf den Leib und brachte sein Publikum durch seine lange, hagere Figur, seine Mimik und Gestik zum Lachen, noch ehe er ein Wort sagte. Doch auch mit Rollen aus Raimunds Stücken feierte Nestroy als Schauspieler Erfolge.

Doch die beiden Autoren, die schon von Grund auf verschieden waren, da sie aus verschiedenen Milieus stammten, hatten auch Gemeinsamkeiten:
Beide verließen ihre bürgerliche Laufbahn, um ihrem inneren Drang zum Theater nachzugehen. Beide waren in erster Linie Schauspieler und fühlten sich erst später zum Schriftsteller berufen, da zu wenige geeignete Stücke vorhanden waren.
Betrachtet man jedoch die Weltanschauung der beiden, so waren sie schon wieder völlig verschieden.
Raimund, der Handwerkssohn aus der Vorstadt Mariahilf, war gläubig und vertraute einem gütigen Schicksal.
Nestroy, der Advokatensohn und Intellektuelle, war davon überzeugt "Die Welt steht auf kan Fall mehr lang!" Er war ein Zweifler und auch in gewisser Weise ein Pessimist, doch ließ er sich nicht unterkriegen und fasste die Situation doch immer wieder heiter auf.
Raimund hingegen, der sich immer eine heile Welt gewünscht hatte, zerbrach an den Umständen, dass sich seine Wunschträume nie erfüllen konnten. Einige Kritiker behaupten auch, dass Ferdinand Raimund nicht an einem Hundebiss, sondern an Johann Nestroy gestorben sei.
Im Gegensatz dazu kann man Zitate lesen, in denen Nestroy sehr bescheiden ist, sich gar nicht getraut über Raimund zu stellen: "I bin der reine Schulbua gegn' Raimund."
Nestroy hatte es leicht mit seinen revolutionären Stücken beim Publikum akzeptiert zu werden. Vor allem bei der Wiener Jugend fanden seine Stücke großen Anklang, da diese schon in revolutionärer Aufbruchsstimmung waren.
Über die Frage wer denn von den beiden höher zu stellen sei, stritten sich viele Literaturkritiker und fanden keine Antwort.
Raimund wurde seine träumerische Poetik vorgeworfen, während Nestroy mit Shakespeare verglichen wurde. Doch kann man nicht schon Frühwerke Nestroys über Raimunds Erfolgsstücke stellen. So wäre es unkorrekt den "Lumpazivagabundus" über den "Verschwender" zu stellen. Es steht auch fest, dass Nestroy für seine Stücke oftmals nach Raimund'schen Themen griff.
Ganz egal wer nun der Bessere gewesen sein mag, Ferdinand Raimund und Johann Nestroy sind ein Stück der Wiener Volkstheatertradition.


Raimunds und Nestroys Arbeitsweise

Nestroy hat bei mehr als zwei Drittel seiner insgesamt 83 Stücke nach Vorlagen gearbeitet. Ebenso benutzte Ferdinand Raimund Vorlagen zu seinen Stücken aus fremdsprachiger Literatur. Nestroy fand seine Stoffe vor allem in deutschen, englischen und französischen Stücken, aber auch in Prosawerken. Manchmal übernahm er nur einige Motive, manchmal das äußere Handlungsgerüst, meistens aber begnügte er sich mit einer recht freien Übertragung der Vorlage ins Wienerische.
Beide Autoren schrieben an ihren Werken, lernten ihre Rollen, probten und inszenierten die Stücke und abends spielten sie.

 
 

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