Der kleine Mönch wirft in seinern Gespräch mit Galilei (S.75/76) die Frage auf, wo in dessen Weltbild der Lebenssinn bleibe. In seiner Situation geht Galilei verständlicherweise nicht auf diese Frage ein, denn es geht hier um viel konkretere Dinge als philosophische Sinnfragen: Darum, dass z.B. Fulganzios Eltern schuften und leiden, ,,zwischen strotzenden Weinbergen, am Rand der Weizenfelder\"(S.76).
Damit ist Fulganzios Frage aber noch nicht abgetan, wer oder was in Galileis Weltbild die Aufgabe der Sinnstiftung übernimmt. Galilei antwor¬tet auf Sagredos Frage: ,,Wo ist Gott?\"(S. 33) ausweichend, endlich aber:\"In uns oder nirgends!\"(S.33). Im weiteren sagt Galilei mehrmals, er sei ein gläubiger ,,Sohn der Kirche\" (z.B.
S.68,S.78). Galilei hat dem Volk, dem ,,Pack\", wie er es nennt (S.92), den Glauben erschüttert und ihm die Vernunft angeboten, doch er hat keinen ,Glaubensersatz\' geliefert. Ich verstehe Fulganzios Eltern sehr gut, wenn sie nicht auf Galilei hören wollen und sich an der Kirche festhalten.
Diese verspricht ihnen noch die ewige Seligkeit, jener fordert nur, sie sollten sich davon lösen. Um es anders auszudrücken: Im seelsorgerischen Bereich hat das Christentum gegenüber Galileis Forschergeist eindeutig die Nase vorn. Dass sich Religion und Wissenschaft vereinen las¬sen, ist zwar Fulganzio und Galilei klar, nicht aber dem gemeinen Volk. Denn diese Vereinigung erfordert Denkanstrengung (vgl. Abschnitt ,,der kleine Mönch\" weiter oben) und Bereitschaft zu Verunsicherung. Die Sicherheit in Glaubens- und Sinnfragen aber wollen grosse Teile des Volkes nicht aufgeben.
Es ist die einzige Sicherheit, das einzig tröstliche, das ihnen in ihrer trostlosen Welt bleibt.
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