Stets heiter und lebhaft, guter Laune und von Natur aus wohltätig, liebt der homosexuel¬le Philipp es, wenn man ihn liebt, wenn man ihm schmeichelt. Das übrige kümmert ihn we¬nig.
Mit seinen 32 Jahren hat der von ausschweifen¬den Tafel¬freuden aufgedunsene und mit Firlefanz behängte Philipp auf seinen viel zu hohen Absätzen das lächer¬liche Aussehen eines ge¬alterten jungen Mannes, der glaubt, er könne die Zeit aufhalten, indem er die Launen der Mode übertreibt.
In der ersten Zeit bemüht er sich noch, der jungen Deutschen, deren bäuerische Frische am französischen Hof unpassend wirkte und Anlaß zum Spott der anderen ist, die An¬fangs¬gründe der Koket¬te¬rie beizu¬brin¬gen und ihre Kleidung dem Hof anzupassen. Ohne Erfolg. Elisabeth Charlot¬te ist prinzipiell unzugänglich für all diese Nichtigkeiten, die sie ent¬schieden zurück¬weist.
Doch sie rührt sein guter Wille. Er hat zwar keine \"Nei¬gung zu Frauen\", aber könnte er nicht Freundschaft für sie Empfinden? In einem Brief schreibt sie, daß \"..er der beste Mensch von der Welt ist.\"
Es wäre ein Wunder gewesen, wenn das Glück zwischen diesen beiden so un¬gleichen, künstlich vereinigten Menschen nicht flüchtig gewesen wäre. Monsieur liebt Feste, Gesellschaft, Vergnügungen, verabscheut das Reiten, macht sich nichts aus der Jagd und liest nie eine Zeile. Madame fühlt sich nur in einem kleinen Kreis treuer Freunde wohl, reitet täglich, und widmet sehr viel Zeit ihren beiden anderen Leidenschaften, den Büchern und den Briefen.
Philipp und Elisa¬beth Charlotte oder die mit den ungleichen Neigungen. Und die ungleichen Charaktere. Der eine ist schüchtern, schwach, intrigant und sät gern Zwist unter seinen Nächsten, ist jedoch tolerant, leutselig und stets von voll¬endeter Höflichkeit. Die andere ist aufrichtig und mutig, von Grund auf gut, aber schroff, eigensinnig und unverblümt. Sie denkt, was sie sagt, und sagt, was sie denkt.
Zwar vollzieht Philipp ab und zu seine \"eheliche Pflicht\", doch es ist eben nur eine Pflicht. \"Sie waren nie wirklich verheiratet\", wird ihre beste Freundin einmal sehr richtig bemerken.
Doch die Ausgeglichenheit ihres Charakters bewahrte sie davor, in Melancholie zu versinken. Ihr Bedürfnis nach Zuneigung richtet sie ganz natürlich auf ihre drei Kinder, über die sie in einem Ton barscher Zärtlichkeit spricht, der für sie charakteristisch ist.
Monsieur ist zwar nicht der beste Mann der Welt, aber auch nicht der schlechte¬ste, und das Schloß von Saint-Cloud ist besser als ein Kloster. Darüber hinaus hat sie das Glück, auf das Vertrauen und die Freundschaft des Königs zählen zu können.
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