Die Lehre von der rechten (richtigen) Mitte
Wie findet man laut Aristoteles zu tugendgemäßem Verhalten?
Um zu wissen, wie man zu tugendhaftem Verhalten kommt, muss man wissen, was für Aristoteles eine Tugend ist. Für ihn sind die Tugenden die Mitte zwischen den Leidenschaften. Diese muss jeder für sich selbst bestimmen. Das Gute, also die Tugenden, ist die Eigenschaft der Tüchtigkeit für das Leben. Dazu muss der Mensch erzogen werden, um die Anlagen der Eigenschaft entfalten zu können. Die Tugenden sind erlernbare Tätigkeiten, diese geschehen aus wissentlichen, sicheren Entscheidungen heraus, die nur um ihrer selbst Willen getroffen wurden. Hierbei handelt es sich jeweils um die Mitte zwischen Übermaß und Mangel der Leidenschaften. Mit Ausnahme der Dinge, die an sich schon falsch sind und nicht etwa nur deren Extreme.
"Die Tugend ist also von doppelter Art, verstandesgemäßig und ethisch. Die verstandesgemäßige Tugend entsteht und wächst zum größeren Teil durch Belehrung; darum bedarf sie der Erfahrung und Zeit. Die ethische dagegen ergibt sich aus der Gewohnheit." - Aristoteles
Die ethische Tugendhaftigkeit ist, laut Aristoteles, eine von der Natur vorgegebene Veranlagung, die, dadurch, dass sie eine Tätigkeit der Seele ist, durch Übung erreicht werden kann. Sie wird nicht dadurch erworben, dass der Mensch viel gesehen oder gehört hat, sondern so, dass sie zuerst schon vorhanden war und dann geübt wird.
"Die Tugenden entstehen in uns also weder von Natur noch gegen die Natur. Wir sind vielmehr von Natur dazu gebildet, sie aufzunehmen, aber vollendet werden sie durch Gewöhnung." - Aristoteles
Wie auch andere Fertigkeiten, können Tugenden er- sowie verlernt, aber auch gut oder schlecht gelernt werden. Aus diesem Grund, kommt es am meisten darauf an, wie der Mensch (von Jugend an) an die Tugenden gewöhnt wurde. Jeder sollte sich an dem allgemein Gutem orientieren und dieses Verhalten in der Gesellschaft aufweisen. Dieses gute Handeln erlernt man natürlich nur, wie gesagt, durch Übung. Man sollte sein Handeln überprüfen, so gelangt man zu den guten Eigenschaften, den Tugenden. Dabei ist wichtig, dass der Handelnde immer selbst einschätzt, wie er sich in der jeweiligen Situation zu verhalten hat. "Im Bereich der Handlungen und des Förderlichen [...] nichts Stabiles."
Aristoteles stellt fest, dass z.B. bei der Gesundheit ein Zuviel oder Zuwenig an Speise diese zerstört. So werden auch die Eigenschaften der Tugend durch Übermaß und Mangel zugrunde gehen. Allein das Angemessene ist das Richtige. Somit lehnt Aristoteles auch die Lust nicht von Grund auf ab, sondern:
"[...] wer jede Lust auskostet und sich keiner enthält, wird zügellos, wer aber alle Lust meidet wird stumpf wie ein Tölpel. So gehen also Besonnenheit und Tapferkeit durch Übermaß und Mangel zugrunde, werden aber durch das Mittelmaß bewahrt." -Aristoteles
Jeder Mensch sollte für sich diese Mitte finden und um dies zu tun, muss er richtig erzogen worden sein. Die Tugenden sind an der Lust oder am Schmerz der jeweilig begangenen Tat erkennbar. Sie dienen zur Kräftigung des Menschen, also dessen Erziehung zum Guten, zu einem tugendhaften Verhalten.
"Denn wegen der Lust tun wir das Schlechte, und wegen des Schmerzes versäumen wir das Gute. Also müssen wir gleich von Jugend an dazu erzogen werden, wie Platon sagt, dass wir Freude und Schmerz empfinden, wo wir sollen. Denn darin besteht die rechte Erziehung." - Aristoteles
Wie man am letzten Zitat erkennen kann, meint Aristoteles, dass zu tugendhaftem Verhalten eine richtige Erziehung notwendig ist. Hierbei schließt er eine Züchtigung im Bereich Lust und Schmerz nicht aus, da er diese als eine Art Heilung ansieht. Jedoch ist tugendhaftes Verhalten nicht nur durch eine rechte Tat und durch das Wissen über diese gekennzeichnet.
"Im Bereich der Tugenden geschieht etwas nicht schon dann auf gerechte oder besonnene Weise, wenn die Tat sich irgendwie verhält, sondern erst wenn auch der Handelnde in einer entsprechenden Verfassung handelt: erstens wissentlich, dann auf Grund einer Entscheidung, und zwar einer solchen um der Sache selbst willen, und drittens, wenn er im Handeln sicher und ohne Wanken ist." - Aristoteles
Für Aristoteles gehört zu einer tugendhaften Handlung ebenso die richtige Einstellung und die wissentlich sichere Entscheidung um ihrer selbst willen. Nur so wird die Seele gesund und nur so handelt man tatsächlich gut und tugendhaft. Aus diesem Grund sind Tugenden auch Eigenschaften und nicht Leidenschaften oder Fähigkeiten. Denn erst in den Taten des Menschen (seinen Eigenschaften), wird, da sie Entscheidungen sind, nach gut oder schlecht bzw. falsch oder richtig unterschieden.
Man könnte die Tugend als die Eigenschaft der Tüchtigkeit für das Leben bezeichnen. Diese Tüchtigkeit des Menschen soll ihn tüchtig für das Leben machen, d.h. dass er gute Leistungen vollbringt. Um diese Leistungen gut abzuliefern ist das Finden der Mitte entscheidend.
Die Mitte ist für Aristoteles aber nicht für alle Menschen die Selbe. Mit den Leidenschaften und Handlungen befasst sich die ethische Tugend. Diese weisen Übermaß, Mangel und Mitte auf. Die Tugend kennzeichnet dabei das Wissen darum, wann man handeln sollte, wobei man es sollte, wem gegenüber, wozu und wie. Dies ist, laut Aristoteles, die Mitte und das Beste.
"Die Tugend ist also ein Verhalten der Entscheidung, begründet in der Mitte im Bezug auf uns, einer Mitte, die durch Vernunft bestimmt wird und danach, wie sie der Verständige bestimmen würde. Die Mitte liegt aber zwischen zwei Schlechtigkeiten, dem Übermaß und dem Mangel." - Aristoteles
Die Tugend ist die Mitte, der Vorzüglichkeit und Vollkommenheit nach aber das Höchste. Weil es so beschwerlich ist, überall die Mitte zu treffen, ist es sehr anstrengend tugendhaft zu sein. Aus diesem Grund kann auch nicht jeder Beliebige, sondern nur der Wissende, welcher dazu erzogen worden ist, die Mitte treffen.
Es ist ebenfalls sehr schwierig immer die Mitte zu bestimmen, ganz zu schweigen davon, es auch beim Handeln umsetzen zu können. In Richtung Lust haben, laut Aristoteles, die Menschen z.B. eine natürliche Veranlagung zum Übermaß, nicht zur Sittsamkeit.
Allerdings wird es meist so sein, dass derjenige, der nicht immer genau die Mitte trifft, weniger getadelt wird als der, der immer den Extremen folgt.
"Denn wozu wir von Natur irgendwie eher geneigt sind, das scheint uns der Mitte entgegengesetzter zu sein. So sind wir als Menschen eher zur Lust geneigt, und darum lassen wir uns eher zur Zügellosigkeit treiben als zur Sittsamkeit." - Aristoteles
Abschließend kann man feststellen, dass es ein sehr langer und beschwerlicher Weg zu tugendhaftem Verhalten ist. Man muss die richtige Erziehung erfahren haben, aber ebenso über sein eigenes Verhalten nachdenken, Entscheidungen treffen und seine eigene Mitte der Dinge finden.
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